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Weniger Arbeit für mehr Arbeiter

Von Simon Rosner

Politik

Österreich erlebt seit der Krise eine Arbeitszeitverkürzung - allerdings ohne Lohnausgleich. | Die Teilzeitquote steigt weiter, nach neuen Berechnungen der Statistik Austria wächst auch die Arbeitslosenrate.


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Wien. Die Arbeitslosenquote ist wieder angewachsen, diesmal aber ist der Anstieg einzig und allein einer statistischen Anpassung geschuldet. Demnach waren im Vorjahr laut Statistik Austria nach europäischer Definition 5,6 Prozent der Erwerbsbevölkerung arbeitslos, zuvor waren 5,0 Prozent gemeldet worden.

Basis für diese Berechnungen ist der Mikrozensus. Er wurde 1968 als "kleine Volkszählung" eingeführt und ist seither aus diversen Gründen immer wieder Änderungen unterworfen worden. Nach wie vor ist er die größte regelmäßig durchgeführte Stichprobenerhebung in Österreich mit rund 20.000 befragten Haushalten pro Quartal, die laut Bundesstatistikgesetz auch eine Auskunftspflicht haben. Wer sich dieser entzieht, ist sogar mit einer Geldstrafe bis zu 2180 Euro bedroht. Dennoch gibt es immer wieder Fälle, in denen die Statistiker von den ausgelosten Haushalten keine Antwort erhalten.

Die Gründe dafür sind vielfältig und naturgemäß schwer zu erfragen, wenn schon die Kontaktaufnahme nicht gelingt. Durch einen Abgleich mit Verwaltungsdaten (Arbeitsmarktservice und Sozialversicherung) kam die Statistikbehörde bei einer Analyse jedoch drauf, dass in dieser Non-Response-Gruppe überdurchschnittlich viele Personen arbeitslos sind. Zwar ist diese Gruppe insgesamt nur klein, nämlich 5,7 Prozent aller Befragten, dennoch hatte das Auswirkungen auf das Gesamtergebnis.

Österreich bleibt auf Top-Platz

Die Zahl der Erwerbstätigen wurde durch die neuen Hochrechnung nun etwas nach unten, jene der Arbeitslosen etwas nach oben verschoben. An der Entwicklung der vergangenen Jahre änderte die Anpassung jedoch kaum etwas, alte und neue Daten verlaufen weitgehend parallel. Auch im europäischen Ranking der Vorjahre ändert die neue Hochrechnung nichts Wesentliches. Österreich ist auch weiterhin eines der Länder mit der niedrigsten Arbeitslosenquote, auch wenn der Top-Platz im Vorjahr an Deutschland verloren ging. Jedenfalls, so betont die Statistik Austria, steigt die Qualität der Ergebnisse mit der angepassten Berechnung.

Die nun präsentierten, aktuellen Daten aus dem Mikrozensus für 2014 schreiben die Entwicklungen der vergangenen Jahre fort, die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt überaus angespannt. Die Zahl der Erwerbstätigen ist mit 4,11 Millionen Personen annähernd gleich geblieben, die Erwerbstätigenquote sank von 71,4 auf 71,1 Prozent.

Teilzeit boomt weiter

Der hohen und weiter steigenden Arbeitslosigkeit steht zwar auch ein Beschäftigungswachstum gegenüber, wie die Regierung nicht müde wird zu betonen, doch das Wachstum ist so gut wie ausschließlich einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen geschuldet, und dieses Mehr an Arbeitsstellen sind fast ausschließlich Teilzeitjobs. Seit 2004 hat sich die Teilzeitquote von Frauen von 37,6 auf 46,9 Prozent erhöht, fast jede zweite berufstätige Frau hat demnach keine Vollzeitstelle.

"Das ist für viele Frauen auch die Wunschform", sagt Silvia Rocha-Akis, die zu Teilzeitarbeit beim Wifo forscht. Zwar warnt Sozialminister Rudolf Hundstorfer regelmäßig davor, dass längere Teilzeitarbeit später zu geringen Pensionszahlungen führt, dennoch gehört Österreich europaweit zu jenen Ländern, in denen die Teilzeitquote der Frauen besonders hoch ist. In den nordischen Ländern etwa liegt sie meist unter 30 Prozent.

Aus dem Mikrozensus geht auch die Freiwilligkeit bei der Wahl der Arbeitszeit hervor. Nur rund 10 Prozent der Frauen und 14 Prozent der Männer geben an, keine Vollzeittätigkeit finden zu können. Allerdings ist es vor allem die Kinderbetreuung, die Frauen davon abhält, eine Vollzeitstelle anzunehmen. Auch das ist häufig freiwillig, doch wäre dies bei geänderten Rahmenbedingungen vielleicht ein wenig anders. "Es gibt hier immer noch ein normatives Denken", sagt Rocha-Akis. Denn nur 3,8 Prozent der Teilzeit arbeitenden Männer tut dies wegen der Kinderbetreuung, bei Frauen ist der Anteil zehnmal so hoch.

"Die Anreize, die Arbeit auszuweiten, sind auch gering", sagt die Forscherin und verweist auf das österreichische Tarifsystem. Durch die Reform wird zwar nun der Eingangssteuersatz gesenkt, dennoch bleibt die Grenzabgabenbelastung hoch. Das heißt, dass Steuer und Sozialversicherung den Zusatzverdienst überproportional wegfressen, weshalb die Ausweitung der Arbeit nicht sehr attraktiv ist.

Geringes Lohnwachstum

Zum Teil ist der Anstieg der Teilzeitquote aber auch angebotsgetrieben, in einigen Branchen sind Teilzeitjobs drauf und dran zur Norm zu werden, etwa im Handel. Sieht man sich die Entwicklung des Arbeitsvolumens insgesamt an, so ist dieses seit Jahren rückläufig - trotz steigender Erwerbsquote. "Wir erleben seit 2009 eine relativ markante Arbeitszeitverkürzung", sagt Helmut Mahringer vom Wifo. Es ist freilich nicht jene Form der Arbeitszeitverkürzung, die von der Gewerkschaft regelmäßig gefordert wird, da sich nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch das Einkommen verringert. "Die reale Bruttolohnentwicklung liegt unter jener der Tariflöhne", erklärt Mahringer.

Zumindest aus Sicht der Pensionskassen ist die aktuell hohe Erwerbsquote wichtig, sie zu befördern ein erklärtes Ziel der Regierung. Da die Durchrechnungszeiträume für die Pensionen aber zunehmend länger werden, bedeutet das für künftige Regierungen: Der Bedarf an Unterstützungsleistungen wird wachsen.