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Ungarn: Daimler- Standort Kecskemét ist logische Wahl. | Löhne noch um 40 Prozent niedriger als in Budapest. | Budapest. Es wurde kräftig gefeiert in den vergangenen Tagen in Kecskemét: Wer dahinter nur die Entscheidung des deutschen Automobilkonzerns Daimler wittert, 800 Mio. Euro zu investieren, irrt jedoch gewaltig. Zwar wird Mercedes ab 2011 in der südungarischen Stadt neue Modelle der Klasse A und B fertigen. Das Stadtfest galt allerdings dem Marillenschnaps - das bekannteste Produkt, das Kecskemét bisher zu bieten hatte. Schon lange kommt Schmackhaftes und technisch Hochwertiges aus "Ziegengang", so die Übersetzung des Namens der 110.000 Einwohner-Stadt.
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Für die sich eine rosige Zukunft abzeichnet: 2.500 Arbeitsplätze wollen die Deutschen schaffen, rund um das Investment sollen weitere 6.000 Jobs entstehen. Ganz optimistische Experten rechnen sogar mit 15.000 neuen Arbeitsplätzen in der Region. Die Arbeitslosenquote, die seit Jahren um die zehn Prozent liegt, dürfte kräftig sinken.
Die Deutschen begründen ihren Schritt nach Kecskemét damit, dass es mit dem besten Mix aus Investmentfaktoren aufwarten konnte. Immerhin wurden in Ungarn gleich zwei Konkurrenten ausgestochen, darunter die Industriemetropole Miskolc ganz im Osten. Außerdem zogen Mitbewerber in Polen und Rumänien den Kürzeren.
Bei näherer Betrachtung ist die Entscheidung für Kecskemét nur folgerichtig. Die Stadtväter betrieben dem Vernehmen nach besonders geschickt Werbung. Zudem ist der Automotive-Zulieferer Knorr-Bremse schon längst größter Arbeitgeber der Stadt.
Kooperation mit dem deutschen Werk Rastatt
Die Stadt profitiert gleich zweifach von ihrer geographischen Lage. Einerseits ist sie mit etwas mehr als 100 Kilometern weit genug von Budapest entfernt, um mit vergleichsweise günstigen Lohnkosten für sich werben zu können. Der Durchschnittsstundenlohn liegt in Kecskemét mit 8,50 Euro etwa 40 Prozent unter dem, was in Budapest gezahlt wird. Dem Mangel an Facharbeitern, den Investoren in Westungarn schon länger beklagen, begegnet Daimler durch eine Kooperation mit der renommierten Hochschule Kecskemét.
Im übrigen spricht die Gunst der Stunde für Kecskemét. Der seit kurzem dynamisch aufstrebende Flughafen Budapest-Ferihegy liegt nur etwas mehr als eine halbe Stunde entfernt, Kecskemét wird seit einem guten Jahr außerdem halbstündlich von einem Intercity-Zug angefahren. Der Airport Business Park wiederum breitet sich sichtbar in Richtung Kecskemét aus. Insofern bietet die Stadt alle für einen Automobilhersteller unabdingbaren logistischen Voraussetzungen.
Daimler hat mit dem Schritt nach Mittel- und Osteuropa relativ lange gezögert. Und doch könnten sich die Deutschen als Pioniere erweisen. Die Verlagerung von Produktionskapazitäten vom deutschen Rastatt nach Kecskemét soll nämlich in eine Art Partnerschaft münden, bei der die Fertigungsstätten weniger in scharfe Konkurrenz zueinander treten als sich vielmehr geschickt ergänzen.
Die Ungarn selbst empfinden es als Auszeichung, dass bei ihnen künftig Mercedes-Fahrzeuge vom Band rollen. Auch wenn es de facto um Kompaktwagen geht: In Ungarn gilt ein Mercedes noch als Luxusauto. Das Billig-Image Ungarns von der "verlängerten Werkbank des Westens" scheint damit abgestreift. Ähnliches schaffte in der Region nur die Slowakei ansatzweise, wo in Kürze Technik für die Formel 1 produziert werden soll.