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Wie der Bildungsminister Lehrer und Direktoren nervt

Von Karl Ettinger

Politik

Vor der Zeugnisverteilung und nach den Notenkonferenzen wartete man in Schulen auf Details für ukrainische Schüler.


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Es ist nur eine kleine weitere Facette, sie zeigt aber exemplarisch, wie Direktorinnen und Lehrpersonal durch chaotische Vorgänge in den Schulbehörden bis hinauf in das Bildungsministerium im Schulalltag kurzfristig zusätzlich Aufgaben aufgebrummt bekommen. Es geht um die Regelung, damit ukrainische Schüler trotz ausreichendem Lernfortschritt in weiterführende Schulen übertreten können und nicht in der Volksschule oder Mittelschule noch eine Klasse wiederholen müssen. Bildungsminister Martin Polaschek hat zwar am Dienstag eine Lösung des Problems zugesagt. Mittwochfrüh, zwei Tage vor der Zeugnisverteilung in Ostösterreich, wartete man in den Direktionen von Volksschulen und Mittelschulen aber noch auf Direktiven der Bildungsdirektionen zur genauen Umsetzung.

Der Ärger über das späte Machtwort im Bildungsministerium, das erst erfolgt ist, nachdem das Ö1-Mittagsjournal am Montag über die neuen Probleme mit ukrainischen Kindern berichtet hatte, ist bei Pflichtschuldirektorinnen und Lehrkräften in den Schulen groß, weil in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland die Notenkonferenzen bereits in der Vorwoche stattgefunden haben, in den anderen Bundesländern folgen sie nun diese Woche.

Bildungsminister Polaschak hat nach dem Aufschrei in Schulen und in der Öffentlichkeit versichert, ihm sei es wichtig, in jenen Fällen, betroffenen Schülern mit außerordentlichem Status und bei Teilnahme an Deutschfördermaßnahmen nach der vierten beziehungsweise achten Schulstufe, also am Ende der Volks- oder Mittelschule, einen Übertritt in die nächste Schulart zu ermöglichen, wenn das laut Pädagogen aufgrund des Leistungsniveaus gerechtfertigt sei. Vereinfacht ausgedrückt, "kann ihnen ein Jahreszeugnis ausgestellt werden", wie der Minister am Dienstagnachmittag mitteilte.

Warten in den Schuldirektionen

"Die Schulleiter wissen nur nicht, wie sie es genau machen sollen", wurde der "Wiener Zeitung" Mittwoch vor Schulbeginn in der Früh mitgeteilt. Man müsse erst warten, was der Pädagogische Dienst in den Bildungsdirektionen zur Vorgangsweise mitteile. In den Schulen saßen die Schulleiterinnen deswegen auf Nadeln, weil die entsprechenden Direktiven im Laufe des Mittwochs in Aussicht gestellt wurden. Bis zur Zeugnisverteilung blieben damit nicht einmal 48 Stunden.

Lehrkräfte, Direktoren und Lehrergewerkschaften angefangen vom obersten Vertreter der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger, klagen seit Jahren und zuletzt wieder gehäuft über die steigende bürokratische Belastung der Schulen, die Zeit für den Unterricht koste. Verschärft wird das Problem dadurch, dass teilweise - wie jetzt im Fall der ukrainischen Schüler - nur wenig Zeit bleibt, die Anordnungen der Schulbehörden umzusetzen oder dass diese viel zu spät kommen, sodass sie sogar noch Extraarbeit nach sich ziehen.

"Warum jetzt erst?", meint der Chef der Sozialistischen Lehrervereinigung, Thomas Bulant, mit Kopfschütteln. Die Vorgänge rund um die ukrainischen Schüler lassen Erinnerungen wach werden. So mussten etwa während der Amtszeit von Polaschek-Vorgänger Heinz Fassmann kurzfristig Zeugnisse geändert werden, weil es Schwierigkeiten mit dem Religionsbekenntnis gab, was bei der Ausstellung der Zeugnisse eine Rolle spielte.

Neue Kritik wegen Deutschförderklassen

Die Probleme mit dem Aufsteigen oder Sitzenbleiben ukrainischer Schülerinnen und Schüler rückten neuerlich die Deutschföderklassen und die sogenannten Mika-D, das sind spezielle Deutsch-Tests für Migranten-Kinder, in den Vordergrund. Die Koalition von ÖVP und Grünen hat nach der Einführung der separaten Deutschförderklassen durch die türkis-blaue Bundesregierung daran festgehalten, weil die Volkspartei nicht daran rütteln lässt. Allerdings gab es nach Bedenken von Experten erst zuletzt wieder Aufregung, als bekannt wurde, dass laut Umfrage ein Drittel der Schulleiter deren Umsetzung gar nicht einhält.

Die SPÖ fordert ebenso wie etwa die Arbeiterkammer die Abschaffung der getrennten Deutschförderklassen. Lehrervertreter Bulant hakt jetzt erneut ein und verweist darauf, dass Minister Polaschek eine Kampagne gegen Wissenschafts-Feindlichkeit gestartet habe. Gleichzeitig ignoriere der Ressortchef bei den Deutschförderklassen die Einwände zahlreicher Wissenschaftler.