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Wiener Anlageaffäre um Lehman-Papiere vor EuGH

Von Kid Möchel

Wirtschaft
Luxemburger Richter sollen mit genauer Gesetzesauslegung Klarheit für Anleger schaffen.
© EuGH

Handelsrichter will Entscheidung, was im Kapitalmarktprospekt stehen muss.


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Wien. Die Anlageaffäre um die verlustträchtigen Währungszertifikate "Dragon FX Garant" der späteren Pleitebank Lehman Brothers könnte sich gravierend auf die künftige Gestaltung von Kapitalmarktprospekten auswirken.

Denn Richter Friedrich Schlederer vom Handelsgericht Wien hat sich im Verfahren 15 Cg 60/09d eines geschädigten Anlegers gegen die frühere Constantia Privatbank (heute: Aviso Zeta), die die Dragon-Papiere vertrieben hat, direkt an der Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Im Mittelpunkt stehen die Informationslücken zwischen dem Basis-Kapitalmarktprospekt, den Prospektnachträgen und den endgültigen Bedingungen des Veranlagungsproduktes.

Das Handelsgericht ersucht nun den EuGH um eine Vorabentscheidung, "zumal eine Vielzahl an weiteren Verfahren mit derselben Fragestellung noch anhängig sind".

Ein Wiener Akademiker, vertreten von Anwalt Wolfgang Haslinger, hatte im Sommer 2006 exakt 40.000 Stück des Wertpapieres "Dragon FX Garant" um 40.800 Euro gezeichnet, war aber von diesem Vertrag gemäß Kapitalmarktgesetz zurückgetreten. Begründung: Bei der umstrittenen Veranlagung handelt es sich "um ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorherige Veröffentlichung eines Prospektes." Genauer: Im sogenannten Basisprospekt des "Dragon FX Garant" hätten die zwölfstellige Wertpapier-Identifikationsnummer, die Währung der Wertpapier-Emission, die Beschreibung der zugrunde liegenden Aktien und die Berechnung der künftigen Wertentwicklung, der Volatilität und Rendite gefehlt. Laut Anwalt Haslinger hätten diese fehlenden Informationen "zumindest in einem der drei Prospektnachträge aufgenommen und veröffentlicht werden müssen".

Kernfrage ungeklärt

Laut Gerichtsbeschluss wurde auch vorgebracht, dass der Dragon-Prospekt weder am Sitz der Emittentin, der Lehman Brothers Treasury in Amsterdam, noch am Börsensitz in Luxemburg "ordnungsgemäß veröffentlicht worden" sei. Und in Wien sei der Prospekt bloß "bereitgehalten" worden.

"Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Aviso Zeta dazu verpflichtet war, "grundsätzlich zwingend aufzunehmende Informationen, die zum Zeitpunkt des Basis-Prospektes nicht bekannt waren, wohl aber zum Zeitpunkt der Prospektnachträge, zu veröffentlichen", schreibt Richter Schlederer an den EuGH. Da es in der EU-Prospektverordnung heißt, dass "die endgültigen Bedingungen" einer Wertpapier-Emission zu veröffentlichen sind, erwartet das Wiener Gericht nun eine klare Auslegung der EU-Gesetzeslage.

"Die an den EuGH gestellten Fragen sind rein hypothetisch und für den Sachverhalt nicht entscheidungsrelevant", kontert Aviso Zeta-Vorstand Stefan Frömmel. "Außerdem hat es der Richter unterlassen, die wesentlichen Sachverhaltsfragen zu klären. Das zeigt sich darin, dass sämtliche Fragen ohne Berücksichtigung unseres Standpunktes vorgelegt wurden. Nachsatz: "Die mangelnde Relevanz der Fragen wird auch dadurch untermauert, dass sich in anderen Verfahren, diese allesamt bereits durch den OGH im Sinne der Aviso Zeta entschieden wurden." Er sei überzeugt, "dass dieser Schritt nur eine Verzögerung der Verfahren, aber keine inhaltliche Änderung mit sich bringen wird". Dem widerspricht Anlegeranwalt Haslinger: "Der OGH hat es nicht der Mühe wert gefunden, dem EuGH diese europarechtlichen Fragen vorzulegen."