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Der promovierte Biologe und Zoologe Michael Häupl wurde 1988 Umweltstadtrat und ist seit 7. November 1994 Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann. Als Landesparteivorsitzender der Wiener SP konnte er 2001 die 1996 verlorene absolute SP-Mehrheit im Gemeinderat bis heute zurückerobern.
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"Wiener Zeitung": Wien erstickt im Straßenverkehr, immer neue Atemgifte belasten unsere Luft, dennoch steigen die Pkw-Neuzulassungen weiter an. Experten der Boku sagen gar eine Verdoppelung des Autoverkehrs bis 2035 voraus.
Michael Häupl: Diese Horrorbilder der Boku sind weder neu noch originell. Man kann einen herrschenden Trend doch nicht einfach exponentiell hochrechnen. Aber natürlich wächst der Verkehr, und wir tun, was wir tun können, um ihn in den Griff zu bekommen. Derzeit etwa bauen wir erstmals zwei U-Bahnen, U1 und U2, gleichzeitig aus. Auch Straßenbahnen und Busse werden laufend verstärkt.
"Wiener Zeitung": Heißt das Schwerpunkt öffentlicher Verkehr?
Michael Häupl: Mit absolutem Vorrang. Die U-Bahn hat sich als das klassische Verkehrsmittel für den dichtverbauten Bereich erwiesen, so wie die S-Bahn für das Umland. Hier sind wir gefordert und angesichts von 220.000 täglichen Pendlern, von denen nach wie vor 80 Prozent mit dem eigenen Auto kommen, wird auch die Bahn nicht umhin können, hier entscheidende Verbesserungen vorzunehmen.
"Wiener Zeitung": Es wird seitens der Wiener Verkehrsplaner gerne von einem Modal-Split 60:40 oder sogar 50:50 gesprochen. Wie realistisch ist das?
Michael Häupl: Ich denke, wenn die Bahn wieder mit vernünftigen Geldmitteln ausgestattet ist, könnten wir ein solches Verhältnis in fünf bis sechs Jahren herstellen, auf jeden Fall aber vor 2035. Wien wird aber auch um einen offenen Autobahnring nicht herumkommen. Die Alternative wäre, den Leuten das Autokaufen zu verbieten, und das soll einmal ein Politiker versuchen. Ich wünsche ihm viel Spaß.
"Wiener Zeitung": Also auch keine City-Maut?
Michael Häupl: Wien ist nicht London, vor allem nicht im Größenvergleich. Wir haben eine funktionierende Parkraumbewirtschaftung.
"Wiener Zeitung": Sind die schlechten Vekehrsverbindungen Wiens mit den nordöstlichen Nachbarn nicht eine Schande?
Michael Häupl: Sie sind es tatsächlich, da sind Erwin Pröll, Hans Niessl und ich in der selben Lage. Und wenn die ÖBB nicht fähig sind, etwa die 60 Kilometer Verbindung nach Preßburg herzustellen, werden wir das selbst mit einem verlängerten und verbesserten CAT machen. Wir warten nur noch auf eine für Österreich vorteilhaftere Änderung der Eigentumsverhältnisse am Flughafen Bratislava.
"Wiener Zeitung": Im Zuge der jüngsten Volks-Garagenbauten unter Parks gab es viel Kritik von Anrainern, die sich von der regierenden Wiener SP ignoriert und überrollt fühlen. Warum gibt es keine automatischen Anrainerbefragungen?
Michael Häupl: Ich persönlich bin ein großer Freund direkter Demokratie und habe gute Erfahrungen damit - meinen Bezirksvorstehern rede ich allerdings nichts drein. Ich bin aber überzeugt, dass etwa im Falle des umstrittenen Bacherparks in Margareten bei einer seriösen Befragung im Grätzel die Garagenbefürworter überwiegen, weil sie es satt haben, abends stundenlang im Kreis zu fahren.
"Wiener Zeitung": Wenn Gäste nach Wien kommen, werden sie zunehmend Opfer krimineller Attacken. Sind wir dabei, unseren Ruf als sichere Stadt zu verlieren?
Michael Häupl: Noch nicht, aber ich fordere weiterhin vehement die 1.000 Polizisten zurück, die uns der Innenminister weggenommen hat. Die freiwerdenden Zollbeamten wurden so vielen Leuten versprochen, dass nicht einmal 100 davon nach Wien kommen, in der Polizeischule sitzen statt 900 nur 200 junge Leute, und selbst auf die werden wir noch bis zum Ende ihrer Ausbildung in drei Jahren warten müssen.
"Wiener Zeitung": Fehlt deshalb nach wie vor der "Grätzelpolizist"?
Michael Häupl: Der Grätzelpolizist ist eine hervorragende Einrichtung, die aber auschließlich in den Medien stattfindet. Wir haben dem Bund schon das Meldewesen, das Paßamt, die Fundbüros und demnächst auch die Führerscheinprüfung abgenommen, ohne Ersatz dafür zu kriegen. Mehr können wir nicht tun.
"Wiener Zeitung": Wiens Gefängnisse sind überfüllt - die Kriminalität steigt. Gerade etwa im Drogenbereich wird auch sehr viel Kriminalität importiert. Was kann die Stadt tun?
Michael Häupl: Das ist eine bedenkliche Entwicklung, auf die ich auch keine Antwort weiß. Generell sind verurteilte Kriminelle einzusperren, egal ob In- oder Ausländer, da bin ich ein Hardliner. Und Abschiebungen müssen möglich gemacht werden. Darauf sollte der Innenminister dringend eine Antwort finden.
"Wiener Zeitung": Immer mehr arbeitslose Jugendliche, Sozialhilfeempfänger, Firmenpleiten, McJobs. Wohin geht das soziale Wien?
Michael Häupl: Diese Frage wurde bis zur Wahl im Jahr 2000 dem Wirtschaftsminister gestellt, seit damals ist plötzlich Wien an allen wirtschaftlichen Fehlentwicklungen schuld. Schon der US-Industrielle Henry Ford, und der war bei Gott kein Sozialist, sagte richtig: "Autos kaufen keine Autos". Und wachstumsfeindliche Regulierungsmaßnahmen wie die jüngste Steuerreform tragen wenig dazu bei, dass Leute, die Autos bauen, sich auch solche leisten können. Wien kann gegensteuern, etwa mit dem Arbeitnehmer-Förderungsfonds WAFF, der sogar Insolvenzstiftungen einrichtet. Gegen im Ausland getroffene Entscheidungen wie die Grundig-Sperre, wo plötzlich 400 Wiener auf der Straße sitzen, können wir leider akut nur unterstützend, also mit Geld, reagieren.
"Wiener Zeitung": Wien hat ein weltweit einzigartiges Problem mit rund 20 Tonnen Hundekot täglich. Derzeit ist es der Währinger Bezirksvorsteher, der gegen die Verschandelung seiner Parks kämpft. Warum ist Wien hier so anders?
Michael Häupl: Das Problem liegt bekanntlich am anderen Ende der Leine, beim undisziplinierten Hundebesitzer. Hier gilt es, die Leute vom Ego-Trip runterzuholen, Solange die Meinung vorherrscht, durch das Bezahlen der Hundesteuer sei jede Verunreinigung unserer Stadt gerechtfertigt, solange haben wir dieses Problem. Gesetze dagegen gibt es ja längst, aber wer soll sie exekutieren? Die Polizei lacht mich aus, wenn ich ihr so etwas nahelege, private Trupps kosten Geld. Ich bin froh, wenn meine Bezirksvorsteher da von sich aus aktiv werden.
Das Gespräch führte Werner Grotte
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