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Die Krise im benachbarten Griechenland bremst den EU-Enthusiasmus in Albanien kaum.
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Es ist eine Geschichte, die Edi Rama Besuchern aus dem Ausland gern erzählt. Sie ist schon ein paar Jahre alt; damals war Rama, mittlerweile Premier Albaniens, noch Bürgermeister von Tirana. Es handelt sich um die Ergebnisse einer Umfrage unter seinen Landsleuten, die erklären sollten, an was sie glauben. An erster Stelle, berichtet Rama, kamen die USA. Die Europäische Union schaffte es auf den dritten Platz. Und dazwischen wurde in dem Ranking Gott platziert.
Albanien, das der 1985 verstorbene paranoide Diktator Enver Hoxha Jahrzehnte lang vom restlichen Europa völlig isoliert hat, ist nun seit 2009 Mitglied der Nato. Der Beitritt zur EU ist das nächste Ziel des südlichen Landes, dem vor einem Jahr der Kandidatenstatus eingeräumt wurde. Der Staat gehöre sogar mehr in die Union als das benachbarte Griechenland, sagt so mancher Albaner.
Die Krise jenseits der Grenze bremst nämlich den Enthusiasmus für die EU kaum. Dabei hat sie auf Albanien mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern durchaus ihre Auswirkungen - sowohl finanzielle als auch gesellschaftliche. Etwa eine halbe Million Menschen lebten und arbeiteten in Griechenland; gemeinsam mit Italien zog dieses die meisten Arbeitssuchenden an. Doch etliche von ihnen haben schon vor zwei, drei Jahren ihren Job verloren und sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Auf die damit verbundenen Probleme weisen die albanischen Behörden hin: Den Rückkehrern müsse soziale Unterstützung gewährt werden, deren Kinder müssen oft neu integriert werden. Denn so manches Mal können sie besser Griechisch als Albanisch sprechen.
Finanziell wiederum fallen die Rückflüsse ins Gewicht. Das Geld, das im Ausland arbeitende Albaner ihren Familien zu Hause überwiesen haben, war für die Wirtschaft, für den Konsum oder den Bausektor, ein wichtiger Motor. Noch vor ein paar Jahren überstieg die Summe, die so ins Land floss, eine Milliarde Euro deutlich. Nun liegt sie darunter.
Die wirtschaftliche Lage liefert denn auch einen der Gründe dafür, die Zukunft des Landes in der EU zu sehen. Das durchschnittliche Einkommen macht nicht einmal 300 Euro aus, ungefähr jeder sechste Mensch ist arbeitslos. Die Wirtschaft ist in den letzten Jahren zwar durchschnittlich um zwei Prozent jährlich gewachsen, doch passiert das von einem niedrigen Niveau aus. Mehr als willkommen sind daher die Beitrittshilfen der EU, die bis 2020 bei 600 Millionen Euro liegen sollen. Hoffnungen werden ebenfalls in ausländische Investoren gesetzt, deren Engagement aber zuletzt abgenommen hat.
Reformen im Justizbereich und zur Stärkung der Demokratie, der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität sind so nicht nur politischen, sondern auch ökonomischen Überlegungen geschuldet. Unternehmen wünschen sich Rechtssicherheit - wie Bürger. Albanien setzt darin viele Bemühungen, was auch in EU-Kreisen eingeräumt wird. Der Start der Beitrittsverhandlungen ist trotzdem nicht in Sicht. Die EU-Begeisterung in Albanien bremst dies - noch - nicht.
Den Menschen sei bewusst, dass es in der EU eine Erweiterungsmüdigkeit gebe, sagt Premier Rama. Doch sollte auch der EU bewusst sein, dass die Menschen ihrer Geduld müde werden könnten.

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