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Corona-Mythen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Experten sollen kommunizieren und managen, Strategien breit diskutiert werden? Die Dauer der Krise entzaubert solche Ideen.


Je länger diese beispiellose Krise andauert - und sie ist noch lange nicht vorbei! -, desto mehr geraten vermeintlich gewonnene Einsichten wieder ins Rutschen. Diese Pandemie verhöhnt alle, die als Allesbesserwisser auftreten: also fast alle Politiker, deren Kritiker und etliche Wissenschafter. Nicht einmal die beliebte Forderung, die ahnungslose Politik möge doch Management wie Kommunikation den Experten überlassen, erlebt das Ende der Krise: Als nun Schweden eine Abkehr vom viel beachteten Sonderweg hinlegen musste, erklärte den neuen Kurs nicht der zum Medienstar avancierte Staatsepidemiologe Anders Tegnell, sondern Ministerpräsident Stefan Löfven. Dieser kündigte in einer düsteren Fernsehrede seinen Landsleuten nicht nur einen "dunklen Winter" an, sondern präsentierte auch gleich die Schuldigen: Verantwortlich dafür seien, so Löfven, die Bürgerinnen und Bürger selbst, weil viel zu viele einfach "geschlampt" und die bisher auf Freiwilligkeit ausgerichteten Regeln nicht befolgt hätten.

Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, haben Experten ausgedient, dann muss die Regierung ausrücken. Was auch einleuchtet, schließlich verfügt diese als Einzige über ein demokratisch legitimiertes Mandat, um einschneidende Maßnahmen ins Leben der Menschen zu verfügen und durchzusetzen.

Verabschieden sollten wir uns auch vom Idealbild einer reibungslosen und zielgerichteten Kooperation aller Akteure und Gebietskörperschaften in der Krise - und deren Scheitern nicht mit der mangelnden Kommunikation und dem nicht abgesprochenen Vorpreschen Einzelner erklären. Einfach weil dies der Wirklichkeit von Politik zuwiderläuft. So ein Ideal funktioniert allenfalls ganz zu Beginn einer außergewöhnlichen Extremsituation, nicht jedoch nach acht Monaten Dauerkrise.

Kanzlerin Angela Merkel etwa prescht in Deutschland im Gegensatz zu Sebastian Kurz nicht vor, sondern kommuniziert umfassend und versucht, ihre Strategie in langen Debatten mit den 16 Ministerpräsidenten umzusetzen. Im Endergebnis bleiben, wie am Mittwoch geschehen, Merkels Pläne auf der Strecke, weil die Mehrheit der Landeschefs sich gegen die Kanzlerin durchsetzt.

Fast alle harten Maßnahmen gegen die Pandemie sind mittlerweile zwischen die Mühlsteine von Parteipolitik, unterschiedlichen regionalen Problemlagen und divergierenden wirtschaftlichen Interessen geraten. Wer glaubt, dass sich diese Gegensätze allein durch bessere Kommunikation auflösen, lebt in einer anderen Welt.