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063 - Minister:innen wechseln – Beamt:innen bleiben

Es war eine massive politische Wende, als vor genau 25 Jahren der Dritte plötzlich Kanzler wurde und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel eine Koalition mit Jörg Haiders FPÖ bildete, die fünf Ministerien übernahm, während Wahlsieger Viktor Klima (SPÖ) abtreten musste. Mittendrin war Manfred Matzka, der kurz zuvor unter Klima zum Sektionschef im Kanzleramt aufgestiegen war. In dieser Folge des WZ-Podcasts „Weiter gedacht“ erzählt der langjährige Spitzenbeamte, der inzwischen im Ruhestand ist, wie er damals den Regierungswechsel erlebt hat und wie stark Minister:innen ihre Ressorts überhaupt umfärben können.

29 Min

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Österreichs Beamt:innen sind an politische Farbwechsel gewöhnt, meint Manfred Matzka.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Midjourney

Merkwürdigerweise herrsche oft ein gewisses Misstrauen der neuen Minister:innen gegenüber den Beamt:innen, die bereits im Ressort sind, stellt Manfred Matzka fest. Dabei gebe es dafür gar keinen Grund, weil gerade in Österreich die Belegschaft in den Ministerien politische Farbwechsel gewohnt und grundsätzlich loyal sei. Man könne also auch dann fachlich gut zusammenarbeiten, wenn man politisch nicht einer Meinung sei, betont der ehemalige Sektionschef. Er weiß, wovon er spricht, hat er doch unter einem roten Bundeskanzler begonnen, den Wechsel zu einem schwarzen hautnah miterlebt und ist unter einem roten Kanzler in den Ruhestand getreten, aus dem ihn die parteilose Kanzlerin Brigitte Bierlein als Sonderberater zurück ins Kanzleramt geholt hat.

Manfred Matzka im Podcast-Studio
Manfred Matzka (r.), ehemaliger Sektionschef im Kanzleramt, im Gespräch mit WZ-Host Mathias Ziegler.
© WZ/Maximilan Tylka

Darüber sowie über das Verhältnis zwischen Minister:innen und ihren Beamt:innen sowie über Klischees zum Alltag eines Beamten oder einer Beamtin, die längst nicht mehr stimmen, hat er mit WZ-Host Mathias Ziegler gesprochen, der gemeinsam mit Petra Tempfer durch die Folge führt.

Produziert von „hört hört!“.


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Infos und Quellen

Genese

Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik hat die FPÖ eine Nationalratswahl gewonnen und stellt damit den Kanzleranspruch. Was bedeutet eine neue Regierung für die betroffenen Ministerien? Wie stark kann man ein Ressort umfärben? Und wie gehen die Beamt:innen damit um? Diese Fragen haben wir dem langjährigen Spitzenbeamten Manfred Matzka gestellt.

Gesprächspartner

Manfred Matzka, geboren 1950, war von 1999 bis 2015 Sektionschef der Sektion I (Präsidialsektion) im Bundeskanzleramt. Danach im Ruhestand, kehrte er ab Juni 2019 in den Regierungsbetrieb zurück und stand Brigitte Bierlein während ihrer siebenmonatigen Kanzlerschaft als Sonderberater zur Seite.

Daten und Fakten

  • Die Regierungsbeteiligung der FPÖ ab Februar 2000 war nicht die erste (sie hatte bereits von 1983 bis 1987 mit der SPÖ koaliert), sie sorgte aber für die meiste Aufregung im In- und Ausland. Zustande kam sie, indem der Zweite – FPÖ-Chef Jörg Haider – den Dritten – ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel – zum Kanzler machte und der Wahlsieger – SPÖ-Chef Viktor Klima – leer ausging. FPÖ und ÖVP trennten bei der Nationalratswahl lediglich 415 Stimmen. Die damals 14 anderen EU-Staaten beschlossen damals, ihre jeweiligen bilateralen Beziehungen auf Regierungs- und diplomatischer Ebene gegenüber der österreichischen Regierung zu reduzieren, woraufhin diese von „EU-Sanktionen gegen Österreich“ sprach. Schon im September 2000 normalisierten sich die Beziehungen wieder. Die Besetzung durch Minister:innen mit anderer Parteifarbe als ihre Vorgänger:innen hatte übrigens auf die Beamt:innen in den nun schwarzen Ministerien größere Auswirkungen als in den blauen Ressorts, meint Manfred Matzka im Rückblick.

  • Im Bundesdienst sind rund 144.500 Mitarbeiter:innen tätig. Das entspricht einer Personalkapazität von rund 135.500 Vollbeschäftigtenäquivalenten (VBÄ). Allerdings ist nur etwa die Hälfte davon beamtet. Richter:innen und Staatsanwält:innen sind zu 100 Prozent Beamt:innen, auch bei Heer (98 Prozent) und Exekutive (90 Prozent) ist der Anteil sehr hoch. In der Verwaltung stellen Beamt:innen knapp ein Drittel der Bediensteten, an den Universitäten sind es lediglich 10 Prozent, an den Schulen 7 Prozent. Die Tendenz ist sinkend, weil immer mehr pragmatisierte Beamt:innen, die aus dem aktiven Dienst ausscheiden, durch Vertragsbedienstete nachbesetzt werden. Zu den Bundesbeamt:innen kommen noch mehr als 175.000 auf Ebene der Bundesländer sowie 75.000 Gemeindebedienstete.

  • Das Beamtentum in Österreich geht auf die Monarchie zurück. Für Verwaltungstätigkeiten wurden angesichts immer komplexer werdender Gesetze und Vorschriften gut ausgebildete Juristen und Akademiker eingestellt, die zunächst durch direkte Gebühren und Abgaben für Verwaltungstätigkeiten bezahlt wurden. Erst Maria Theresia führte fixe staatliche Beamtengehälter ein – die Beamten durften nun keine sonstigen Einkünfte haben.

  • Beamt:innen gehen nicht in Pension, sondern in den Ruhestand. Das bedeutet, dass sie theoretisch jederzeit wieder in den Dienst zurückgeholt werden könnten. Gelebte Praxis ist das allerdings nicht.

  • Österreichs Beamt:innen werden einerseits durch die Pragmatisierung und andererseits durch das Vertragsbedienstetendienstrecht geschützt. Das bedeutet, dass man sie nicht einfach kündigen kann – im Gegensatz zu den USA, wo nach Donald Trumps Amtsantritt das US-Justizministerium zahlreiche Mitarbeiter:innen entlassen haben soll, die an den Untersuchungen gegen den nun amtierenden Präsidenten beteiligt waren, wie die Washington Post berichtet. Überhaupt heißt es, Trump habe zahlreiche Beamt:innen gefeuert, deren Agieren seinem Wahlkampfslogan „Make America Great Again“ nicht entsprochen habe. Mehr als zwei Millionen Personen im Öffentlichen Dienst sei via E-Mail die Kündigung nahegelegt worden.

Quellen

Das Thema in der WZ

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