028 - Die perfekte Insta-Mom - nur für die anderen?
- Mit
- Petra Tempfer
Muss man sein Kind unbedingt stillen? Muss man es so oft wie möglich im Tragetuch tragen? Das gesellschaftliche Muster ist heute ein ganz anderes als zur Nachkriegszeit. Ob unser Zugang perfekt ist und was die Kinder wohl dazu sagen würden, könnten sie von klein auf sprechen, analysiert Host und WZ-Redakteurin Petra Tempfer im Gespräch mit der Psychologin Astrid Wirth und dem Psychoanalytiker Wilfried Datler, die beide am Institut für Bildungswissenschaft der Uni Wien eine Professur innehaben.
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Perfekte Babys, die immer rosig und zufrieden sind, in ihrem wunderbar gestylten Kinderzimmer: Wer auf Social Media unterwegs ist, sieht diese Fotos jeden Tag. Auch wenn wir wissen, dass das inszeniert ist, „macht es trotzdem was mit einem, wenn man solche Bilder sieht", sagt die Psychologin Astrid Wirth im Gespräch mit WZ-Redakteurin Petra Tempfer. Psychologische Studien zeigen, dass Depressionswerte nach der passiven Nutzung von Social Media ansteigen können: Der Druck ist somit nicht nur gefühlt, sondern real.
Sich ausschließlich am gesellschaftlichen Druck zu orientieren, führe zu massiver Verunsicherung und sei nie gut, warnt der Psychoanalytiker Wilfried Datler. Und zwar heute genauso wie früher.
Im Vergleich zur Nachkriegszeit, als man Babys bloß nicht „verwöhnen" durfte, ist der Zugang aktuell ein ganz anderer. Das Wohl des Kindes steht im Vordergrund, und im Bücherregal eines jungelterlichen Haushalts reiht sich oft Ratgeber an Ratgeber. Tatsächlich komme es aber auf die richtige Mischung an, so Wirth und Datler: Für die Entwicklung des Kindes am besten sei die Balance zwischen Wärme, Regeln und Verständnis.
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Redakteurin Petra Tempfer hat selbst drei Kinder und den Wandel, was die Gesellschaft bei der Kindererziehung als „richtig" und als „falsch" ansieht, miterlebt. Doch was ist jetzt richtig und was falsch? Und inwiefern spielt dabei der gesellschaftliche Druck eine Rolle? Im ersten Doppelinterview des Podcasts „Weiter gedacht" suchte sie nach Antworten aus Sicht einer Psychologin und eines Psychoanalytikers.
Gesprächspartner:innen
Astrid Wirth ist Psychologin am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien und hat eine Professur inne.
Wilfried Datler ist Professor und Leiter des Arbeitsbereichs Psychoanalytische Pädagogik am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien.
Daten und Fakten
Erziehungsstile (socialnet.):
permissiv: Beim permissiven Erziehungsstil üben Eltern wenig Kontrolle aus, stellen wenige Ansprüche, zeigen aber Wärme und Nähe.
vernachlässigend: Beim vernachlässigenden Erziehungsstil sind die Eltern nicht fordernd und nicht kontrollierend und zeigen wenig Wärme.
autoritär: Eltern mit einem autoritären Erziehungsstil sind kontrollierend und distanziert und zeigen weniger Wärme gegenüber ihren Kindern.
autoritativ: Der autoritative Erziehungsstil ist gekennzeichnet durch eine Kombination aus starker Kontrolle und hohen Ansprüchen einerseits, sowie Wärme, Rationalität und positiver Bestärkung andererseits.
Quellen
Archiv:
Darüber, was für das Kind förderlich ist, herrschten im 19. Jahrhundert andere Ansichten als heute. Am 30. Jänner 1884 berichtete die Wiener Zeitung auf Seite 3 über ein neues Buch zur Kindererziehung folgendermaßen: Im Verlage der k. k. Hofbuchhandlung K. Prochaska in Wien und Teschen erschien soeben ein 141 Seiten starkes Büchlein unter dem Titel: „Die Kindererziehung mit besonderer Rücksichtnahme auf die Charakterbildung. Ein Leitfaden für Eltern zur leiblichen und geistigen Gesundheitspflege ihrer Kinder. Von Kathinka Freifrau von Rosen.“ Das Büchlein verspricht und bietet keine schulmäßige Erziehungslehre, sondern Ratschläge, welche aus praktischer Lebenserfahrung und umsichtiger Beobachtung abstrahiert sind. „Ich habe – sagt die Verfasserin – im Laufe der Jahre Gelegenheit gehabt, das häusliche Leben zahlreicher Familien aus den verschiedenen Klassen der Gesellschaft zu beobachten – viel Erfreuliches fand ich nicht. Die große Anzahl unvernünftiger Mütter und schlecht erzogener Kinder haben mich veranlasst, meine Ansichten über Kindererziehung und Familienleben zu veröffentlichen.“ Mögen dieselben die verdiente Beachtung finden.
Johanna Haarer: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind (dieser Erziehungsratgeber wurde in der Zeit des Nationalsozialismus verfasst und spiegelt die damaligen Ansichten von der Schwangerschaft bis zur Pflege des Säuglings wider; 1961 erschien eine von Johanna Haarer überarbeitete Neuauflage mit dem Titel: Die Mutter und ihr erstes Kind)
Das Thema in der WZ
Über Nazi-Erziehungsideale, die nicht weichen, schreiben WZ-Redakteur Michael Schmölzer und WZ-Redakteurin Anja Stegmaier.
Das Thema in anderen Medien
Der Standard: Wenn das eigene Leben zur Inszenierung wird
NZZ: Instagram-Moms – wenn das Mamasein zum Unternehmensmodell wird
Emotion: Was ich durch Erziehungstipps auf Instagram wirklich gelernt habe
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