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036 - Liveticker: So verlief Österreichs Bürgerkrieg 1934

Am 12. Februar 1934 beginnt in Österreich ein Bürgerkrieg. Österreicher kämpfen gegen Österreicher. Es gibt hunderte Tote und tausende Verletzte. Die Wiener Zeitung berichtet täglich. Die WZ-Hosts Petra Tempfer und Bernd Vasari lesen aus dem Archiv vor.

28 Min

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Die Wiener Zeitung berichtete nicht immer objektiv.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Midjourney

Der Bürgerkrieg in Österreich, der vom 12. bis 15. Februar 1934 stattfand, wirkt bis heute nach. Was war der Auslöser? Wer kämpft gegen wen? Woher kamen die Waffen? In dieser Podcast-Folge beschäftigen sich die WZ-Hosts Petra Tempfer und Bernd Vasari mit diesen Fragen – die Antworten finden sie im Archiv der Wiener Zeitung in Texten, Kommentaren und Zitaten. Die Dialoge zwischen Richter und Angeklagten druckt die Wiener Zeitung damals ebenfalls ab. Tempfer und Vasari lesen aus dem Dialog vor, an dessen Ende der Sozialdemokrat Karl Münichreiter zum Tod verurteilt wird.

Die Ereignisse werfen auch einen verstörenden Blick auf die Wiener Zeitung selbst. Sie berichtet damals definitiv nicht objektiv. Die Artikel und Berichte dienen als Parteipropaganda der Christlichsozialen Partei, die zu dieser Zeit an der Macht ist. Der Arbeiteraufstand wird heruntergespielt. Auf Seite 1 der Ausgabe vom 12. Februar 1934 steht etwa: „Regierung − Herrin der Lage” und: „Amtlich wird verlautbart: In Linz ist um 18 Uhr im Großen und Ganzen die Ruhe wieder hergestellt worden. In allen übrigen Bundesländern und auch in Wien herrscht Ruhe."

Geschrieben wird ebenso über die großen Verdienste der Polizei und des Bundesheeres. Zu Wort kommen immer wieder führende Politiker des Austrofaschismus, wie etwa der christlichsoziale Bundespräsident Wilhelm Miklas. Er dankt den Soldaten für „das opferfreudige und mutige Eingreifen" gegen „Tausende von Mitgliedern verbotener militanter Organisationen".

Den Bürgerkrieg gewinnen die Christlichsozialen gegen die Sozialdemokraten, für Österreich ist es aber der Anfang vom Ende. Denn die Nationalsozialisten von Adolf Hitler werden durch den innerösterreichischen Konflikt gestärkt. Am 25. Juli 1934 wird Bundeskanzler Engelbert Dollfuß von österreichischen Nazis im Bundeskanzleramt ermordet. Im März 1938 marschiert Nazi-Deutschland schließlich in Österreich ein. Widerstand gibt es keinen.

Bis heute tun sich SPÖ und ÖVP schwer, ihre unterschiedlichen Ansichten über Österreichs Bürgerkrieg zu vereinen. Seit damals haben sie erst zweimal gemeinsam dessen gedacht. Auch heuer, zum 90-jährigen Jubiläum, wird es keine gemeinsame Gedenkveranstaltung geben.


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Infos und Quellen

Genese

Die Wiener Zeitung berichtet täglich über die Ereignisse rund um den 12. Februar 1934. Es wäre schade, wenn die Artikel im WZ-Archiv verstauben würden, dachten sich Petra Tempfer und Bernd Vasari.

Gesprächspartner:innen

Bernd Vasari und Petra Tempfer
Die beiden WZ-Hosts Bernd Vasari und Petra Tempfer.
© Mara Hohla

Daten und Fakten

Im österreichischen Bürgerkrieg von 12. bis 15. Februar 1934 standen einander bewaffnete Einheiten der beiden großen politischen Lager gegenüber: auf sozialdemokratischer Seite der Republikanische Schutzbund, auf Seite der regierenden Christlichsozialen (Vorläufer der ÖVP) die Heimwehr und die neu gegründete Vaterländische Front. Zudem das Bundesheer und die Polizei. Ihren Anfang nahmen die Februarkämpfe in Linz: Dort wollte die Polizei frühmorgens das Hotel Schiff durchsuchen, um ein mögliches Waffendepot auszuheben. Die Schutzbündler eröffneten das Feuer. Nach und nach griffen auch andere Schutzbund-Einheiten in Linz, Oberösterreich und der Steiermark zu den Waffen, in Wien wurde insbesondere in den Gemeindebauten gekämpft. Nach drei Tagen wurde der Aufstand niedergeschlagen. Es gab geschätzt rund 350 Tote und mehr als doppelt so viele Verwundete. Wiens Bürgermeister Karl Seitz wurde seines Amtes enthoben und verhaftet, was das Ende des roten Wiens bedeutete. Die Sozialdemokratie wurde aufgelöst − und der Weg hin zum Austrofaschismus war endgültig frei.

Quellen

Aus dem Archiv der Wiener Zeitung:

Seite 1 der Sonderausgabe der Wiener Zeitung vom Abend des 12. Februar 1934 zum österreichischen Bürgerkrieg.
„Regierung – Herrin der Lage", schrieb die Wiener Zeitung am Abend des 12. Februar 1934.
© 12. Februar 1934 Seite 1, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Die Wiener Zeitung vom 13. Februar 1934, Seite 1.
Am Tag danach berichtet die Wiener Zeitung ausführlich über den Ausbruch des Bürgerkriegs.
© 13. Februar 1934 Seite 1, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek
Das Verhör mit Münichreiter in der Wiener Zeitung vom 15. Februar 1934.
„Ich habe den Karabiner in der Hand gehabt, habe aber nicht geschossen“, sagt der Angeklagte Münichreiter vor Gericht.
© 15. Februar 1934 Seite 7, ANNO/Österreichische Nationalbibliothek

Weitere Quellen:

  • Der Bürgerkrieg 1934 aus Sicht der Sozialdemokratie

  • Interaktive Karte der Februarkämpfe in Linz

  • Website des österreichischen Parlaments über den 12. Februar 1934

  • DÖW: Zeitzeugen zu den Februarkämpfen 1934

  • Radioansprache von Engelbert Dollfuß 1934

  • „Die Zerstörung der Demokratie“, Hrsg. von Bernhard Hachleitner, Alfred Pfoser, Katharina Prager und Werner Michael Schwarz, Wien Museum 2023

  • Wilhelmine Goldmann: „Rote Banditen. Geschichte einer sozialdemokratischen Familie“, Pro Media 2023

  • Franz Stamprech: „Die älteste Tageszeitung der Welt. Werden und Entwicklung der Wiener Zeitung“, 1971

  • Alice Binder: „JournalistInnen im Austrofaschismus“ (Bakkalaureatsarbeit 2013)

  • Lucas Deimann: „Propaganda für den Austrofaschismus? Wie die Wiener Zeitung im Vergleich zum Prager Tagblatt 1934–1938 berichtete“ (Bakkalaureatsarbeit 2013)

  • Kirin Kohlhauser: „Die Sportberichterstattung der Wiener Zeitung in der Zeit des austrofaschistischen Ständestaats“ (Bakkalaureatsarbeit 2013)

  • Melanie Leitgeb: „Das Frauenbild in der Presse im austrofaschistischen Ständestaat – Inhaltsanalyse am Beispiel der Wiener Zeitung.“ (Bakkalaureatsarbeit 2013)

  • Nadine Schellander: „Journalisten und Journalistinnen der Wiener Zeitung zwischen 1933 und 1945“ (Bakkalaureatsarbeit 2013)

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