"Am Ende muss Europa das Problem gemeinsam lösen."

© bmask SPÖ

Rudolf Hundstorfer

Biographie

1951 in Wien geboren, wächst der künftige Sozialminister in einer Arbeiterfamilie auf. Nach der Hauptschule ist er Lehrling als Bürokaufmann bei der Stadt Wien, wo er auch nach Abschluss der Lehre als Kanzleibediensteter arbeitet. Nebenbei holt er die Matura nach und findet als Jugendvertrauensperson des Magistrats seinen Weg in die Gewerkschaft.

Heute ist er außerdem ehrenamtlicher Präsident des Anton-Proksch-Instituts, Obmann des Vereins „Wider Die Gewalt“ und Präsident des Wiener Handballverbands. Er ist verheiratet und hat eine Tochter und zwei Stiefkinder.

Werdegang

2009 – 2016 Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

2008 – 2009 Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz

2013 Nationalratsabgeordneter für die SPÖ

2007 – 2008 Präsident des Gewerkschaftsbundes

1990 – 2007 Wiener Landtagsabgeordneter und Gemeinderatsmitglied

1995 – 2007 Erster Vorsitzender des Wiener Gemeinderates

2003 – 2007 Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG)

2003 – 2007 Präsident bzw. Vizepräsident des Gewerkschaftsbundes

2001 – 2003 Geschäftsführender Vorsitzender der GdG

1998 – 2001 Landesvorsitzender der GdG

Themen

Flüchtlingspolitik

Hier ist Hundstorfer für einen Spagat zwischen „wir können nicht die Welt retten“ und „Europa kann Kriegsflüchtlingen nicht die Tür versperren“. Erst Mitte Jänner sprach er sich gegen Obergrenzen für Kriegsflüchtlinge aus, inzwischen hält er diese aber für gerechtfertigt: Man sende damit ein Signal, dass Österreich nicht die alleinige Verantwortung in der Flüchtlingskrise trage. Denn „am Ende muss Europa das Problem gemeinsam lösen“.

Europäische Union

Es wäre „vertrottelt“, aus der EU auszutreten, sagte Hundstorfer vor einigen Jahren - und diesem Standpunkt ist er treu geblieben. Er kann sich vorstellen, dass es irgendwann zu einem EU-Beitritt der Türkei kommen könnte. Sorgen bereiten ihm der Rechtsruck in Europa und die fehlende Solidarität angesichts der Flüchtlingskrise.

Pensionen

Der ehemalige Sozialminister ist gegen den Vorschlag der EU-Kommission, das Pensionsantrittsalter automatisch an die Lebenserwartung anzupassen. Es bedürfe zwar Reformen, ein Automatismus wäre aber eine „Feigheit der Politik“. Er pocht auf „Stabilität im Gemeingefüge“ und meint, die Pensionen seien gesichert – solange die Beschäftigung hoch bleibe und die Beschäftigten später in Pension gehen würden.

Interview

"Ich bin da entspannt"

Für den SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer ist diese Wahl keine "g’mahte Wies’n", trotzdem hat er "keinen Plan B".

"Ich habe keinen Plan B", versichert Rudolf Hundstorfer (64) der "Wiener Zeitung" für den Fall, dass es doch nichts wird mit dem Umzug in die Hofburg. Von Überraschungen ließ sich der Ex-Sozialminister tatsächlich selten aus der Ruhe bringen; auch nicht, als er 2007 den ÖGB mitten in der Bawag-Pleite übernehmen musste. So gesehen, dürfte er ganz gut damit leben können, dass diese Wahl keine "g’mahte Wies’n" ist. Der Privatmann Hundstorfer ist verheiratet und hat eine Tochter sowie zwei Stiefkinder.

Wiener Zeitung: Noch nie wurde in der Zweiten Republik ein SPÖ-Kandidat zum Bundespräsident gewählt, wenn am Ballhausplatz schräg gegenüber ein roter Kanzler residierte. Auch deshalb nominierte Bruno Kreisky 1974 den parteilosen Diplomaten Rudolf Kirchschläger, der noch dazu bekennender Katholik war. Warum sollte dies nun anders sein?

Rudolf Hundstorfer: Ganz ehrlich: Diese Frage habe ich mir so nicht gestellt. Es ist doch so: Will man kandidieren oder nicht? Ich wollte und mache das. Ich habe meine Zweifel, ob diese parteipolitische Logik heute noch gilt: Die Mehrheitsverhältnisse sind ganz anders, es sitzen sechs Parteien im Nationalrat. Das alles gab es früher nicht.


Die Wahl gilt als völlig offen. Wer es in die Stichwahl schafft, lässt sich derzeit nicht prognostizieren. Was wird Ihrer Ansicht nach über Sieg oder Niederlage entscheiden?

Hundstorfer: Fragen Sie mich das nach der Wahl! Niemand weiß, was in den kommenden drei Monaten noch alles passieren wird. Es ist heute unmöglich zu sagen, was schließlich den Ausschlag geben wird.


Die Flüchtlingskrise wird diesen Wahlkampf begleiten: Können Sie den Satz von Bundeskanzler Werner Faymann unterschreiben, der sinngemäß gesagt hat, auch der 37.501. Asylwerber werde um Asyl ansuchen können, nur eben nicht in Österreich?

Hundstorfer: Die Regierung hat einen Beschluss gefasst und damit ein Signal nach innen wie nach außen gegeben. Bis es soweit ist, werden die Hotspots der EU funktionieren, hoffentlich wie angekündigt schon im Februar; es wird, so hoffe ich, das Abkommen mit der Türkei geben, am Freitag startete die Syrienkonferenz in Genf, und es wird die entsprechende UNO-Hilfe für die Flüchtlingslager in Jordanien und im Libanon geben.


Da sind allerdings viele "hoffentlich" dabei. Die Realität könnte auch ganz anders ausfallen.

Hundstorfer: Ja, aber Österreich hat ein Signal gesendet. Am Ende muss Europa das Problem gemeinsam lösen, es kann nicht sein, dass alle Staaten für sich ihre Grenzen hochfahren und Soldaten mobilisieren.


Doch genau das geschieht jetzt.

Hundstorfer: Nein, das Bundesheer ist im Assistenzeinsatz, es hilft nicht in einem militärischen Sinn, also mit Waffen. Ich wiederhole: Es kann nur eine europäische Lösung geben.


Für den Fall, dass Sie gewählt werden: Werden Sie zum Kanzler denjenigen ernennen, der über eine Mehrheit im Nationalrat verfügt? Oder spielen für Sie auch andere Aspekte eine Rolle?

Hundstorfer: Es geht um eine stabile Mehrheit im Nationalrat, abgesichert mit mehr als einem Mandat. Wer eine solche Mehrheit nachweisbar darstellen kann, den werde ich zum Kanzler angeloben.


Ist eine Minderheitsregierung für Sie eine zulässige Option?

Hundstorfer: Eine Minderheitsregierung ist per se nicht wirklich ein Ausdruck politischer Stabilität. Genau darum geht es aber bei einer Regierungsbildung: stabile Verhältnisse zu schaffen. Wenn das aus bestimmten Gründen nicht möglich sein sollte, muss man natürlich über Alternativen nachdenken, aber so weit sind wir noch lange nicht. Ich habe da einen sehr nüchternen, pragmatischen Zugang.


Es gibt begründete Zweifel an der Steuerungsfähigkeit dieser Republik: Mit SPÖ und ÖVP regieren zwei Parteien, die sich oft gegenseitig blockiern, hinzu kommt ein Föderalismus, der die Länder mit einem Vetorecht ausstattet, sie von wirklicher Verantwortung aber ausspart; und nicht einmal der Bundeskanzler kann klare Vorgaben treffen, weil er über keine Richtlinienkompetenz in der Regierung verfügt.

Hundstorfer: Es gibt Gegenbeweise, die zeigen, dass sich die Dinge sehr wohl verändern lassen. Allein in meiner Zeit als Sozialminister wurde das gesamte Pflegegeld zum Bund verlagert. Ja, es ist mitunter mühsam, aber es geht schon etwas weiter.


Soll die Position des Kanzlers gestärkt werden?

Hundstorfer: Auf diese Debatte lasse ich mich nicht ein.


Die politische Konkurrenz wirft Ihnen vor, als Sozialminister bei den Pensionen zu beschwichtigend aufzutreten und drängende Reformen aufzuschieben. Macht Sie das im Wahlkampf angreifbar?

Hundstorfer: Möglich, dass dies jemand thematisieren will, aber ich bin da entspannt. In den vergangenen Jahrzehnten war ich es, der das Sozialversicherungsgesetz ASVG am umfangreichsten reformiert hat. Zudem wurde mit der Umsetzung des Pensionskontos kein unwesentlicher Schritt gesetzt. In Wirklichkeit geht es doch darum, den Menschen Stabilität zu vermitteln und gleichzeitig die notwendigen Anpassungen zu vollziehen. Das habe ich getan und darum geht es auch für die Zukunft.


Was spricht gegen eine Koppelung des Antrittsalters an die Lebenserwartung, zumal ja auch die Ausbildungszeit immer länger wird?

Hundstorfer: Es gibt kein Land, das dies tut. Es geht um Planbarkeit für die Menschen wie auch die Unternehmen. Und vor allem gibt es andere Hebel als das Antrittsalter: Warum gehen 35 Prozent der Frauen nicht aus dem Erwerbsleben in die Pension? Bei den Männern sind es 25 Prozent. Warum haben im vergangenen Jahr 50.000 Personen einen Antrag auf Invaliditätspension gestellt? Das sind die entscheidenden Fragen.


Was werden Sie machen, wenn Sie nicht Bundespräsident werden?

Hundstorfer: Ich habe keinen Plan B. Das wird dann entschieden, wenn sich die Frage stellt.


Zum Interview auf www.wienerzeitung.at