Fearleader

In der Pause legen die Fearleader, die männlichen Cheerleader der Vienna Roller Derby-Mannschaft, akrobatische Verrenkungen hin.

Nachdem die Männer Pompon-wedelnd mit Hüftschwung in die Spothalle eingezogen sind, geben sie eine genau einstudierte Choreografie mit Saltos, Backflips zum Besten, den Abschluss des unterhaltsamen Spektakels bildet eine menschliche Pyramide.

Die Cheerleader der Wiener Roller Girls nennen sich „Fearleader“ und lieben das Spiel mit den Klischees.

„Beim Roller Derby üben Frauen diesen körperbetonten, harten Sport aus. Wenn wir Männer die Cheerleader sind, passt das gut.“
Der 37-jährige Wissenschafter, im Derby-Kontext nennt er sich „Candy“, ist einer von dreizehn Fearleadern.

Ab der zweiten Halbzeit stehen sie am Rande der Bahn und feuern ihr Team an – mit Erfolg, die Frauen vom Vienna Roller Derby schlagen die Dresden Pioneers mit 164 zu 139 Punkten.

Die Männer mit Stulpen und Stirnband sind ein Wiener Unikum, andere Teams dürfen sich kaum über männliche Unterstützung in Hotpants freuen.
Dass hinter den akrobatischen Einlagen viel Training steckt, spielen sie kokett herunter:

„Wir müssen natürlich schauen, dass unsere Hosen, Stutzen und Stirnbänder gut sitzen. Auch das braucht Vorbereitung.“

Candy

In seinen Augen flackert Ironie auf, und wie so oft spricht Kollege Fearcounter seinen Satz zu Ende: „Alles steht und fällt mit dem Outfit.“

Bedauern sie es, dass sie nicht mitspielen dürfen? „Ich fände es spannend, aber es würde einen wichtigen Aspekt des Sports zerstören.

Es geht ja darum, dass wir der männliche Gegenpart sind. Probieren würde ich es schon gerne, aber wahrscheinlich wäre es mir zu gefährlich“, sagt Fearcunter, und Candy fällt ihm ins Wort: „Also mir wäre es zu gefährlich. Wir wackeln lieber mit dem Hintern.“

Roller Derby seit 1935

Start: Chicago

Roller Derby kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Das erste – damals männlich besetzte – Derby fand 1935 in Chicago statt. Doch bis der Sport den Sprung über den Atlantik schaffen sollte, dauert es noch lange.

In den Anfangsjahren skaten 25 Teams 57.000 (!) Runden auf einer abgeschrägten, ovalen Bahn. Wer das zuerst schafft, hat gewonnen. Die harten Rempeleien führen jedoch bald dazu, dass viele Spieler aufgrund von Verletzungen oder totaler Erschöpfung den Sport aufgeben. Roller Derby ist vorerst am Ende.

In den frühen 1940er Jahren wird das Regelwerk überarbeitet, die Rangeleien werden wie im Show-Wrestling einstudiert und inszeniert. Das zieht die Massen an, ausverkaufte Stadien von über 50.000 Fans und Übertragungen im Fernsehen sind keine Seltenheit.

In den 1970er Jahren verschwindet der Sport von der Bildfläche, erst 1999 kehrt er mit den Riot Grrrls zurück. Diese subkulturell-feministische Bewegung, deren fixer Bestandteil Hardcore-Punkbands wie Bikini Kill und Le Tigre waren, ging von Olympia im US-Bundesstaat Washington aus und hat die heutige Form von Roller Derby stark beeinflusst.

Im 21. Jahrhundert kommt der feministische Sport auf Rollschuhen schließlich nach Europa: 2006 gründen sich erste Teams in London und Stuttgart, heute gibt es über 200 Mannschaften in ganz Europa.

Viele Länder haben inzwischen Nationalteams, 2011 fand im kanadischen Toronto die erste Roller Derby-Weltmeisterschaft statt.