Verhasste Liebe

Ein weiterer Lieblingsspruch der Veteranen lautet: „Alles beginnt mit der Liebe.“ Vielleicht meinen sie damit die Liebe zum Vater Staat? Auf jeden Fall die Liebe zwischen Mann und Frau. Es gibt kein Gesetz in Transnistrien, das Homosexualität unter Strafe stellt. Doch die Bevölkerung ist sich einig, dass Schwule und Lesben keinen Platz in der Gesellschaft haben.

Im November wollte eine Fotografin eine Reihe über schwul-lesbisches Leben in Tiraspol ausstellen. Der KGB hat das Event verboten, bevor sie überhaupt Flyer drucken konnte.

Keine Rechte für Minderheiten

In Transnistrien tut man so, als würden Menschen wie Torik Jakubowski nicht existieren. Und wenn man doch jemandem wie ihm begegnet, dann ruft man „Pidor“, ein Schimpfwort, das aus dem Russischen übersetzt „perverse Schwuchtel“ bedeutet. „Ich treffe Männer nur in meiner Wohnung und selbst dort fühle ich mich nicht komplett frei“, sagt Torik.

Er sitzt in einem Fast Food Lokal im Zentrum von Tiraspol, ein 30-Jähriger mit kurzrasierten Haaren und Lederjacke, der lustlos in seinen Chicken Nuggets stochert. „Ich werde niemals meinen Freund auf der Straße küssen können, weil mich hier niemand beschützt.“

In Transnistrien gibt es keine NGO, die sich für Schwulenrechte einsetzt. Wenn nicht einmal pro-europäische Stimmen eine Demo anmelden dürfen, warum sollte es dann die Minderheit der Minderheiten versuchen? Wenn man Torik wegen seiner Sexualität verprügeln würde, könnte er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weder von der Polizei noch von Gerichten Hilfe erwarten.

Torik geht nach draußen auf die Straße und zündet sich eine Zigarette an. Um ihn herum blinken die Gebäude. Bei Nacht erinnert Tiraspol ein bisschen an Las Vegas. Das Krankenhaus, ein himmelblau bemaltes Gebäude mit kitschigen, griechischen Säulen, ist beleuchtet, wie ein Casino. Pubs oder Nachtlokale sind schwer zu finden. Viele haben bereits um zehn Uhr abends geschlossen. „Ich lebe in einer Geisterstadt“, sagt Torik, die Hände in der Jacke vergraben.

Wirtschaftlicher Vorteil gegenüber Moldau

Wer Tiraspol besucht, und zuvor in Chişinău gewesen ist, dem wird sofort auffallen, wie sauber es östlich des Dnister ist. Dazu kommen die frisch asphaltierten Straßen und die weiß getünchten Rinnsteine, die dem Stadtbild etwas Aufgewertetes geben. In Moldau ist selbst in der Hauptstadt der Gehsteig von Rissen und Schlaglöchern durchzogen. Dort kann man nicht einmal einen Kinderwagen über den Boulevard schieben.

In Transnistrien hat man das Gefühl, dass ständig und überall mit einem Besen gekehrt wird, bevor man um die Ecke biegt. Woher kommt dieser ganze Luxus? Transnistrien hat bessere, wirtschaftliche Voraussetzungen i als Moldau.
Aber auch sonst liegen Welten zwischen den Städten.

Chişinău, das sind rempelnde Menschenmengen, hupende Autos und vollgestopfte Busse. Tiraspol, das ist gähnende Leere. Selbst im Vergnügungspark der Stadt, in dem man Trampolin springen, am Schießstand schießen und Achterbahn fahren kann, ist an einem Nachmittag nichts los. Wo sind all die jungen Leute?