Zum Hauptinhalt springen

Ab in die erste Reihe

2 Min
Die Aktion 2017 sollte Frauen in der Redaktion der WZ sichtbarer machen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Es dauerte 314 Jahre, bis das erste Mal eine Frau den Leitartikel der WZ geschrieben hat. Am 3. März 2017 war es soweit. Wir veröffentlichen ihn anlässlich des Weltfrauentags nochmal.


314 Jahre. So lange hat es gedauert, bis eine Frau den Leitartikel dieser Zeitung schreibt. Heute ist es so weit. Es sollte keine große Sache sein. Schließlich haben wir das Jahr 2017. Dennoch ist sie es. Die ganze kommende Woche wird eine große Sache werden. Leider.

Denn zum ersten Mal schreiben in dieser Zeitung nicht nur die Redakteurinnen die Leitartikel, sondern auch die Gastkommentatoren, Interviewpartner und zitierten Experten werden verstärkt weiblich sein.

Anlass ist der 8. März, der Internationale Frauentag. In der Regel ist er jenes kleine Zeitfenster, in dem eine Ausgabe lang das Ungleichgewicht der Welt auf ein paar pinken Seiten balanciert wird. Ein bisschen Alibi-Symbolik da, ein paar beherzte Gleichberechtigungsplädoyers dort.

Nicht dieses Jahr. Heuer wollen wir mehr als nur ein Zeichen setzen. Es soll der Startschuss sein für einen Perspektivenwechsel. Wir wollen den Beweis antreten, dass ein Commitment zu mehr Diversität umgesetzt werden kann. Es soll keine dahingesagte Floskel jener bleiben, die sich gerne als progressive Vordenker gerieren, es sich im Alltag aber in wohltradierten Rollenmustern kuschelig gemacht haben.

Als Medienvertreterinnen haben wir das Privileg und die Verantwortung, den Status quo permanent zu hinterfragen. Dazu gehört es auch, Dogmen zu identifizieren und zu brechen - angefangen bei unseren eigenen. Dass wir in Zukunft Fragen wie "Kann die aktuelle Entwicklung in der Wirtschaftspolitik eine von uns kommentieren?" mit einem eindeutigen Ja beantworten. Dass wir stärker intervenieren, wenn uns auffällt, dass seitenweise wieder nur weiße alte Männer in Anzügen die Bildästhetik der Zeitungen dominieren. Und dass wir genauer hinschauen in die zweite, dritte und vierte Reihe von Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien. Und jene sichtbar machen, von denen es immer heißt, dass man angeblich händeringend nach ihnen sucht, sie aber nicht findet. Jene kompetenten Frauen, kompetenten "Migranten" und sonstige, denen man lieber Tage, Bälle und Paraden schenkt, anstatt sie sichtbar zu machen und ihnen dauerhaft einen Platz einzuräumen - und zwar dort, wo sie etwas zu sagen haben: in der ersten Reihe. Denn sie sind da.

Wir müssen nur genauer hinsehen. Und wir werden es. Denn es ist 2017, und die Welt besteht aus viel mehr als weißen Männern in Anzügen.


Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.


Infos und Quellen

Genese

Nach knapp vier Jahren in der Wiener Zeitung, entstand in unserer Autorin der Wunsch, das homogene Blattmachen 2017 feministisch aufzumischen. Nach wochenlanger Absprache sowohl mit Redakteurinnen als auch mit Redakteuren, wurde die Initiative der Chefredaktion präsentiert: eine Woche lang rund um den Frauentag zu zeigen, wie feministischer Journalismus klug aussehen kann. Ohne pinke Schleifen am Frauentag, sondern inhaltlich quer durch alle Ressorts, in der Auswahl der Themen, der Protagonistinnen und der bewussten Anfrage von Expert:innen, aber auch in der Ästhetik. Und im Verfassen der Leitartikel, die eine Woche lang ausschließlich von Frauen geschrieben wurden. Einigen trauten sich anfangs nicht, andere wollten nicht, da sie die Aktion für zu aktivistisch hielten. In den Jahren darauf, haben auch jene Frauen Leitartikel in der Wiener Zeitung verfasst, die mit dem #femstorm weniger anfangen konnten.

Daten und Fakten

  • Die ersten 302 Jahre in der Geschichte der Wiener Zeitung gab es keine Leitartikel im Blatt.

  • Der Leitartikel wurde 2005 vom damaligen Chefredakteur Andreas Unterberger als "Nicht ganz unpolitisches Tagebuch" eingeführt und erschien im Falle von dessen Abwesenheit nicht. Mit dem Wechsel zu Reinhard Göweil 2009 wurde der Leitartikel für die gesamte Chefredaktion geöffnet, die bis Zeitpunkt der #femstorm Initiative ausschließlich aus Männern bestand.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien