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Absdorfer ÖVP-Bürgermeister: Fragwürdiger Gemeindegrund-Deal

9 Min
Der Absdorfer Bürgermeister Franz Dam (ÖVP) verkaufte sich selbst ein kommunales Grundstück zu einem günstigen Preis.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Die Gemeinde Absdorf in NÖ verkauft eine kommunale Wiese an eine Immo-Firma. Sie verkauft sie gleich weiter und verdient über 200.000 Euro damit. Einer der Eigentümer der Immo-Firma ist ein Geschäftspartner und enger Freund des Bürgermeisters.


Im niederösterreichischen Absdorf steht ein neuer Kindergarten. In der Sandkiste streiten zwei Mädchen um eine Schaufel. Auf der Schaukel wippt ein Bub. Kinder toben durch den Garten. Zur Eröffnung reiste die Lokalpresse an. Alle lobten den Bau. Alle waren glücklich. Nur eines drang bisher nicht ans Licht der Öffentlichkeit. Auch ein Freund des Bürgermeisters hat mit dem Kindergarten viel Geld verdient. Leistung erbrachte er keine. Mit dem Bürgermeister betreibt er eine Immobilien-Firma und eine Waschanlage. Aber beginnen wir von vorne.

In der Gemeinde Absdorf reihen sich farbige Häuser aneinander. An der Schmida gehen die Absdorfer:innen spazieren. Nebel hängt über den Weinreben und Äckern. Im Rathaus am Hauptplatz 1 hat Bürgermeister Franz Dam sein Büro. Von dort aus regiert er die Gemeinde seit 15 Jahren – und in den nächsten fünf. Bei den Gemeinderatswahlen im Jänner verpasste seine ÖVP nur knapp die Absolute. Dam genießt in der Volkspartei einen guten Ruf. Für den Bezirk Tulln sitzt er im Parteivorstand.

Auch bei den Absdorfer:innen wird der 64-Jährige geschätzt. Viele kennen ihn noch als „Direktor“ der Raiffeisenbank Wagram-Schmidatal, für die er 43 Jahre tätig war. Als Bürgermeister ließ Dam der Feuerwehr ein neues Zeughaus bauen. Er brachte schnelles Internet nach Absdorf. Er ließ Bäume pflanzen und einen Hummellehrpfad anlegen.

Intransparente Immobilien-Gesellschaft

Franz Dam ist der Vorzeigebürgermeister einer Vorzeigegemeinde. Doch unter der Oberfläche gärt es. Dam konzentriere zu viel Macht in seinem Amt, sagen Kritiker:innen. Er ist Bürgermeister und zugleich Geschäftsführer der gemeindeeigenen Immobiliengesellschaft. Informationen aus der kommunalen Gesellschaft fließen spärlich, Nachfragen zu Entscheidungen sind unerwünscht.

Entscheidungen, die Dam und seine Geschäftspartner begünstigen, wie Recherchen von Falter und WZ zeigen. Dam verantwortete als Geschäftsführer der Absdorfer Kommunalimmobilien GmbH den Verkauf einer kommunalen Wiese an eine Immobilienfirma. Sie sollte ein Wohnprojekt samt Kindergarten errichten. Doch nur wenige Monate später verkaufte sie das Grundstück weiter und verdiente mehr als 200.000 Euro vor Steuern damit. Pikantes Detail: Einer der Eigentümer der Immo-Firma ist ein Geschäftspartner und enger Freund des Bürgermeisters. Es ist nicht der einzige fragwürdige Immobiliendeal, in dem der Bürgermeister und sein Geschäftspartner auftauchen.

Um die Geschäfte zu verstehen, muss man zurück ins Jahr 2012. Dam ist damals seit zwei Jahren Bürgermeister. Er ist ein Macher, Dinge nimmt er gern selbst in die Hand. Zum Beispiel die Verwaltung der Gemeinde-Immobilien. Auf Vorschlag von Dam wird die Absdorfer Kommunalimmobilien GmbH gegründet. Sie steht zu 100 Prozent im Eigentum der Gemeinde. Die „Kommunale“, wie sie von Absdorfer:innen genannt wird, soll Liegenschaften an- und verkaufen und Immobilienprojekte entwickeln. Die Auslagerung in eine Gesellschaft spare Steuern, so das Argument des Bürgermeisters. Als Geschäftsführer schlug Dam sich selbst vor.

ÖVP-Mehrheit im „Kommunale“-Beirat

Ihm zur Seite gestellt ist ein Beirat, „zum Zwecke der Beratung, der Unterstützung, der Kontrolle und der Überwachung“, wie es in der Satzung der „Kommunale“ heißt. Der Beirat ist ident mit dem Gemeindevorstand: aktuell besteht er aus sieben Gemeinderät:innen, fünf von ihnen gehören der ÖVP an. Der Beirat muss bei jedem Grundstücks- oder Kreditgeschäft zustimmen.

In die Geschäfte der „Kommunale“ lässt sich Dam jedoch nicht gerne hineinschauen. Protokolle werden unter Verschluss gehalten. Von Grundstücksgeschäften erfährt nur der Beirat – und zwar nur, wenn er persönlich vorstellig wird. Der Gemeinderat bekommt Schriftstücke lediglich „über ausdrückliche Anfrage“, wie die Satzung festhält. Falter und WZ haben die Protokolle der „Kommunale“ beim Bürgermeister angefragt. Bekommen haben wir sie nicht.

„Die Auslagerung der Liegenschaftsverwaltung darf nicht dazu führen, dass die Verwaltung außerhalb der Kontrolle der Gemeinde stattfindet“, sagt der Gemeinderechts-Experte Wolfgang Schubert. Der Rechnungshof wies in einem Bericht über die Stadt Tulln kritisch auf potenzielle Interessenskonflikte durch die Verknüpfung von Amt und Geschäftsführerfunktion bei Kommunalgesellschaften hin. Er empfahl der Stadt Tulln eine „klare und strikte personelle Trennung“.

Die Opposition in Absdorf ortet Intransparenz. Es fehle ihr an Kontrollmöglichkeiten. Die „Kommunale“ sei ein „Spielzeug des Bürgermeisters“, sagt ein Gemeinderat hinter vorgehaltener Hand. Tatsächlich wirft Dams Geschäftstätigkeit in der gemeindeeigenen Gesellschaft Fragen auf – bei der Entwicklung des neuen Kindergartens etwa.

Die Zwischenhändlerin ohne Leistung

Im Mai 2020 erwirbt die „Kommunale“ eine 4.852 Quadratmeter große landwirtschaftliche Fläche in Absdorf. Das Grundstück am Holunderweg eignet sich perfekt für den neuen Kindergarten. Der alte Standort im Ortskern ist längst an seine Grenzen gestoßen.

Ende September 2021 macht der Gemeinderat den Weg für den neuen Kindergarten frei. Das Grundstück wird geteilt und in Bauland umgewidmet. Im Juni 2022 verkauft die „Kommunale“ ein 2.639 Quadratmeter großes Teilstück an eine Immobilienfirma namens IZ Sun Residences GmbH. Kaufpreis: 527.800 Euro. Die IZ Sun Residences würde Kindergarten und mehrere Wohnungen bauen, hieß es damals im Beirat der „Kommunale“. So berichten es Beteiligte Falter und WZ. Die IZ Sun Residences baut jedoch nicht auf dem Grund.

Ein Foto einer Schule in Absdorf.
Im Oktober 2024 eröffnete der neue Kindergarten.
© Fotocredit: WZ

Sie macht ihn zu Geld. Fünf Monate später verkauft die IZ Sun Residences das Grundstück an die Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft, eine ÖVP-nahe Bauträgerin. Kaufpreis diesmal 738.920 Euro. Von dem Verkauf erfuhr der Gemeinderat offiziell nichts.

Warum besitzt die IZ Sun Residences das Grundstück nur für so kurze Zeit? Wie ergibt sich die Preissteigerung? Und wer steckt hinter der Firma?

Der Bürgermeister und sein Geschäftspartner

Die IZ Sun Residences wurde im Juni 2021 gegründet, um „Hotel- und Appartmentanlagen im In- und Ausland“ zu errichten und zu betreiben. Die Firma gehört je zur Hälfte Halim Imeri und Kurt Zehetner. Die beiden sind keine Unbekannten in Absdorf. Zehetner arbeitete viele Jahre beim Baubüro Zöfa, das seit 2020 auch ein eigenes Büro in Absdorf eröffnet hat. Imeri betreibt eine Fassadenfirma in Absdorf. Er baut auch die Innenräume der Absdorfer:innen aus. Imeri mischt außerdem im Immobiliengeschäft mit. Er besitzt 50 Prozent an einer weiteren Firma, der IDA Liegenschaftsverwaltungs- und VermietungsgesmbH. Die anderen 50 Prozent gehören: Bürgermeister Franz Dam.

Imeri und Dam verbindet nicht nur ihr Eintrag im Firmenbuch. Die beiden sind eng befreundet. Sie gehen zusammen jagen. Sie verdienen gemeinsam Geld mit einer Autowaschanlage. Und schon sind wir beim zweiten fragwürdigen Deal, an dem der Bürgermeister beteiligt ist.

Der Deal mit dem Waschanlagen-Grundstück

Jene IDA Liegenschaftsverwaltungs- und VermietungsgesmbH kaufte im Sommer 2021 einen 2.200 Quadratmeter großen Grund im Wirtschaftspark von Absdorf. Dam und Imeri bezahlten 29.400 Euro, also rund 14 Euro pro Quadratmeter. Auf dem Grund errichteten sie den „Waschpark Wagram“. Falter und WZ haben sich alle Kaufverträge von Wirtschaftspark-Grundstücken angesehen. Alle anderen Käufer mussten zwischen 20 und 25 Euro pro Quadratmeter hinlegen. Warum bekommt der Bürgermeister einen günstigeren Preis?

Mutmaßlich, weil er selbst Geschäftsführer der 2015 gegründeten „Wirtschaftspark Absdorf-Königsbrunn GmbH“ ist, gemeinsam mit seinem ÖVP-Amtskollegen aus Königsbrunn. Die Wirtschaftspark-Gesellschaft verkauft kommunale Betriebsgründe an Firmen. Kurz gesagt: Dam verkauft sich selbst ein Grundstück. Er unterschreibt den Kaufvertrag zweimal: Als Käufer und Verkäufer.

Ein Foto einer Tankstelle in Absdorf.
Franz Dam verkaufte sich den Grund für die Waschanlage selbst.
© Fotocredit: WZ

Ob Dam in diesem Geschäft einen Interessenkonflikt sieht? Wir wissen es nicht, Dam beantwortet unsere Fragen nicht. Warum verhilft er seinem Geschäftspartner zu mehr als 200.000 Euro? Warum hat die „Kommunale“ den Kindergartengrund nicht direkt an die Schönere Zukunft verkauft und so mehr Geld für die Gemeinde erwirtschaftet?

Imeri lässt eine Anfrage von Falter und WZ unbeantwortet. Zehetner, der zweite Geschäftsführer der IZ Sun, meldet sich am Telefon: „Wir haben das Projekt mit Kindergarten und sieben Wohnungen entwickelt. Dann kam die Immobilienkrise und wir haben uns nicht mehr drübergetraut“, sagt er zu Falter und WZ. Die Preissteigerung erklärt Zehetner mit Projektentwicklungskosten, die zusammen mit dem Grundstück an die Schönere Zukunft verkauft worden seien. Überprüfen lässt sich die Aussage nicht. Die Schönere Zukunft reagiert auf unsere Anfrage nicht. Bürgermeister Dam lässt uns in einer kurzen Mail wissen, dass er „auf diese ungerechtfertigten Vorwürfe“ nicht antworten will. Unsere Fragen hätte schon die Staatsanwaltschaft St. Pölten „beurteilt“.

In der Tat interessierte sich die Justiz für die Grundstücks-Deals in Absdorf. Gegen Dam und einen weiteren Beschuldigten wurde ein Verfahren wegen Verdachts auf Untreue geführt. Im Sommer 2023 wurde es aufgrund mangelnder Beweise eingestellt. Die schiefe Optik bleibt.

Die Kroatien-Connection des Bürgermeisters

Falter und WZ stießen noch auf einen weiteren Zusammenhang, der irritiert. Rund 720 Kilometer südlich von Absdorf liegt die kroatische Insel Iž. Sie ist umgeben von türkisblauem Wasser, ein „Paradies für Nautiker und Ruhesuchende“, wie die Insel im Archipel vor Zadar beworben wird. Sie ist auch Namensgeberin der Immo-Firma von Imeri und Zehetner. Denn nahe des beschaulichen Dorfes Veli Iž realisiert die IZ Sun Residences ein Ferienhausprojekt. Jene Firma also, die als Zwischenhändlerin für den Absdorfer Kindergarten 211.120 Euro vor Steuern verdient hat. Falter und WZ haben die Grundstücke auf Iž ausfindig gemacht, die im Eigentum der Firma sind. Franz Dam, der Bürgermeister von Absdorf, hat gute Sicht auf die künftige Anlage – sein Ferienhaus liegt direkt gegenüber.

Zuhause in Absdorf erzählt Dam stolz von „seinem Hotelprojekt“, wie mehrere Bürger:innen Falter und WZ schildern. Er zeigt Fotos davon auf seinem Handy. Auf Facebook postet er ein Fotoalbum, das den Namen des Ferienhausprojektes trägt. Im Ort wird gemunkelt, Dam sei stiller Financier des Projekts. Belege darüber finden wir keine.

Gut belegt ist die Kindergarteneröffnung im vergangenen Oktober. Reporter der Lokalzeitungen reisen an. Auslöser klicken. Bürgermeister Dam posiert neben Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) vor dem Kindergartenschild. Gemeinsam mit Kindern durchschneiden sie das rote Band. Ein Festzelt wurde aufgebaut, die Musikkapelle spielt. Im Garten toben die Kinder. Den Kindergarten am Holunderweg kann Dam als Erfolg verbuchen. Für seinen Geschäftspartner und engen Freund hat er sich ebenfalls ausgezahlt.


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Infos und Quellen

Genese

Ein Briefumschlag mit Hinweisen landet auf dem Schreibtisch. Es geht um einen Bürgermeister, eine kommunale Immobiliengesellschaft und Grundstücksgeschäfte, die nicht ganz logisch erscheinen. Die Recherche beginnt.

Gesprächspartner:innen

  • Franz Dam (ÖVP), Bürgermeister von Absdorf, Geschäftsführer Absdorfer Kommunalimmobilien GmbH, Geschäftsführer Wirtschaftspark Absdorf-Königsbrunn GmbH, Geschäftsführer IDA Liegenschaftsverwaltungs- und vermietungsgesmbH

  • Kurt Zehetner, Geschäftsführer IZ Sun Residences GmbH

  • Halim Imeri, Geschäftsführer IZ Sun Residences GmbH (Anfrage nicht beantwortet)

  • Franz Stöger (ÖVP), Bürgermeister von Königsbrunn (Anfrage nicht beantwortet)

  • Stefan Haertl, Geschäftsführer der Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft GmbH (Anfrage nicht beantwortet)

  • Wolfgang Schubert, Jurist und Experte für Gemeinderecht

  • Staatsanwaltschaft St. Pölten

Daten und Fakten

  • Bei den Gemeinderatswahlen im Jänner 2025 in Absdorf hat die ÖVP 49,86 Prozent der Stimmen erreicht, die SPÖ 19,86 Prozent, die Grünen 9,65 Prozent, die FPÖ 7,82 Prozent, die Neutrale Liste Absdorf 12,82 Prozent. Die Volkspartei stellt 11 von 21 Gemeinderät:innen.

  • Absdorf zählt 2.469 Einwohner:innen. Von 2011 bis 2021 ist die Bevölkerung um 26,4 Prozent gewachsen. Der Anstieg ist mehrheitlich auf den Wanderungssaldo zurückzuführen (23,1 Prozent). Geburten machten einen Zuwachs von 3,3 Prozent aus.

  • Der durchschnittliche Baugrundstückspreis in Absdorf für die Jahre 2019 bis 2023 beträgt 182,1 Euro.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien