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In den USA fürchtet man Hetze gegen Randgruppen, die Trans-Community und Abschiebungen von Migrant:innen. Andere denken, dass es nicht so schlimm kommen wird. Ein Lokalaugenschein.
Alles vorbei. Der Traum ausgeträumt. Die Niederlage der demokratischen US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gegen Donald Trump war deftig und hallte nach. In den ersten Tagen nach dem krachenden Wahlausgang war man hier in Oakland bei San Francisco wie im Schock. Überall, wohin man kam, im Supermarkt, in der U-Bahn, im Fitnessclub, wurde darüber geredet. Selbst beim Spazierengehen im Wald mit dem Hund sprach mich am Folgetag eine ältere Frau darauf an. Sie habe gewusst, es werde knapp, aber mit solch einem deutlichen Ergebnis habe sie nicht gerechnet. Als sie meinen deutschen Akzent hörte, meinte sie noch, sie an meiner Stelle würde dieses Land verlassen: „Es wird in den kommenden Jahren ganz schlimm werden“, verabschiedete sich mit einem „have a nice walk“ und bog auf einen anderen Weg ab.
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Vorbereitung auf schwierige Zeit
In Oakland bereitet man sich in diesen Tagen auf schwierige Zeiten vor. Donald Trump hatte in seiner ersten Amtszeit schon mehrmals liberalen Hochburgen wie Oakland offen gedroht. Im Wahlkampf 2024 und erst recht seit seinem Wahlerfolg im November verstärkte er diese Drohungen. Er werde Bundesmittel kürzen oder ganz zurückhalten, wenn solche Kommunen nicht auf seinen Kurs einschwenkten. Selbst während der katastrophalen Feuer in Los Angeles verbreitete er Unwahrheiten, beschimpfte lokale Politiker:innen genauso wie den kalifornischen Gouverneur und ließ über seine republikanische Gefolgschaft im Kongress verkünden, dass finanzielle Hilfen nur dann ausgezahlt würden, wenn Kalifornien endlich das mache, was er sagt. Und das war nicht nur auf die Trump'sche Brandprävention wie das Harken von Brandschutzgräben in Waldgebieten bezogen. Darüber hinaus werde er Bundespolizist:innen und die Nationalgarden entsenden, um „illegale Migranten“ in solchen „Sanctuary Cities“, Schutzgemeinden wie Los Angeles und Oakland, verhaften zu lassen. Direkter können Drohungen nicht klingen.
Am Wahlabend im November wurde auch die Bürgermeisterin von Oakland, Sheng Thao, von den Wähler:innen nach weniger als zwei Jahren im Amt abgewählt. Im April steht nun eine außerordentliche Wahl an, um sie zu ersetzen. Aussichtsreichste Kandidatin ist die gerade ausgeschiedene Kongressabgeordnete Barbara Lee, Demokratin, die zum linken Flügel der Partei zählt und erklärte Gegnerin von Donald Trump ist. Die Zeichen stehen also auf Sturm. Ein offener Konflikt droht.
Was bedeutet das für Transpersonen?
Beth und Dylan leben in den Berkeley Hills. Sie machen sich große Sorgen um das, was da kommen mag. Einer ihrer Söhne ist Trans. Im Jugendalter hat Erin diesen Transformationsprozess von einem Mädchen zu einem Jungen begonnen. Mittlerweile, Jahre später, nach etlichen Operationen und Hormonbehandlungen, lebt Erin glücklich als Mittzwanziger in San Francisco. Die Familie hat den Wahlkampf von Donald Trump genauestens beobachtet, die hasserfüllten Reden von ihm und seinem politischen Umfeld gehört, die Wahlwerbespots gesehen, in denen es immer und immer wieder gegen Transgender ging. Allein 215 Millionen Dollar investierten Trump und seine Republikaner für Anti-Trans-Fernsehwerbung vor allem in den wichtigen Swing States im Mittleren Westen. Immer und immer wieder flimmerte diese Message über die Bildschirme: Transgender Kinder und Erwachsene, noch nicht einmal ein Prozent der amerikanischen Bevölkerung, seien eine Bedrohung für Amerika. Und Trump setzte dem Ganzen noch einen drauf. Mehrfach erklärte er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen: „Stellt euch vor, euer Kind geht morgens als Junge in die Schule und kommt abends als Mädchen nach Hause. Sie ändern einfach das Geschlecht eures Kindes, ohne euch danach zu fragen.“ Zehntausende vor ihm buhten, schüttelten den Kopf, schrien laut „Nein“, um dann „USA, USA“ zu brüllen.
Sorge um den Sohn
„Natürlich mache ich mir Sorgen“, meint Vater Dylan. Zwar sei man hier in der Bay Area in einem akzeptierten und sicheren Umfeld, aber „wenn ich mir vorstelle, dass mein Sohn in diesem Land reisen will, wie sieht das in Zukunft mit seinem Ausweis, seinem Reisepass aus…. Wird er auch weiterhin den Zugang zur medizinischen Versorgung erhalten, die er braucht?“ Der Wahlkampf sei sehr belastend für die Familie gewesen, gerade wie man mit diesen ständigen tagtäglichen Anfeindungen, Verleumdungen, Lügen und Unterstellungen in den Medien gegen Transmenschen umgehen sollte. „Man konnte sich da nicht wegducken oder das Ganze einfach ausblenden.“ Mutter Beth meint: „Wir lieben unseren Sohn, das war für ihn, das war für uns keine leichte Entscheidung. Aber nun zu sehen, wie er und eine Minderheit in diesem Land mit diesem offenen, brutalen Hass umgehen müssen, das ist ganz, ganz schlimm.“
Die in New York lebende Trans-Autorin und Dichterin Diana Goetsch hat vor kurzem diese Angst vor dem, was eine zweite Amtszeit von Donald Trump bedeuten könnte, in einem Gastbeitrag für den San Francisco Chronicle beschrieben: „Was mich am meisten beunruhigt, sollte nicht nur Transmenschen betreffen. Ich packe meine Angst in eine Frage: Wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung waren zur Zeit von Hitlers Aufstieg jüdisch? Die Antwort: 0,75 Prozent – das ist niedriger, als die meisten Leute vermuten.“ (Anmerkung des Autors: In Österreich waren es 2,8 Prozent. Quelle: United States Holocaust Memorial Museum).
Der Interstate 5 verbindet Nord- mit Südkalifornien. Wenn man rund eineinhalb Stunden weg von der Küste ist, erreicht man das Central Valley, riesige landwirtschaftliche Flächen und Trump-Country. Das wird mehr als deutlich durch die zahlreichen riesigen, mehrere Meter breite und hohe Plakate, die Grundstücksbesitzer:innen entlang des „Five“ aufgestellt haben. Offizielle Wahltafeln mit „Trump Vance 2024“ darauf. Auf einigen wurden nach dem Wahlabend zusätzliche Poster angebracht: „Thank you, California“. Doch auch Billboards gegen Gouverneur Gavin Newsom, lokale, demokratische Abgeordnete oder Senator:innen sind zu sehen. Hier sieht man, dass der Golden State tief gespalten ist. Die demokratischen Wahlerfolge in Kalifornien sind das Ergebnis der Stimmabgaben in der San Francisco Bay und im Großraum Los Angeles, wo die meisten Kalifornier:innen leben. Alles andere ist „Trump Country“.
Kommt die Abschiebewelle?
Etwa 80 Meilen nördlich von Los Angeles liegt das Ojai Valley. Hier lebt der Farmer Bob Davis, seit den 1930er-Jahren baut seine Familie Zitrusfrüchte und Avocados an. Der 85-Jährige blickt auf die lange Farmgeschichte Kaliforniens zurück. Klar, früher waren viele der Arbeiter:innen „undocumented“, also ohne legale Arbeitspapiere. Nur so konnte die Landwirtschaft im Bundesstaat überhaupt wachsen und blühen. Das hat sich sicherlich gewandelt, der Großteil der Farmarbeiter:innen habe mittlerweile die notwendigen Dokumente. Aber er mache sich dennoch Sorgen, was in einer zweiten Amtszeit von Donald Trump passieren könnte. Bob Davis sagt von sich, er sei konservativ, habe lange Zeit die Republikaner gewählt, seit etlichen Jahren stimme er für die „Libertarian Party“. „Wir haben hier auf unserer Ranch und auch die anderen Farmer im Ojai Valley, die ich alle gut kenne, nur Arbeiter, die auch legal arbeiten dürfen. Doch wir wissen nicht, welchen Status ihre Familienangehörigen haben. Was passiert also, wenn diese angedrohte, ja angekündigte Abschiebewelle kommt?“
Nicht nur auf der Zitrusranch, sondern in allen Bereichen der kalifornischen Landwirtschaft macht man sich Sorgen. In den weltbekannten Weinanbaugebieten von Sonoma und Napa County, nördlich von San Francisco, heißt es sogar, alles würde zusammenbrechen, wenn es zu Massenabschiebungen von „undocumented immigrants“ kommen sollte.
„Warten wir es einfach ab“
Einer, der seit vielen Jahren mit Migrant:innen zu tun hat, ist Chris Nanos. Er ist Sheriff von Pima County im Süden Arizonas mit der Großstadt Tucson. Pima County ist ein riesiger Bezirk, „man könnte hier die Bundesstaaten Rhode Island, Connecticut und New Hampshire reinlegen und hätte auch noch Platz für Oakland“, meint er lachend zum Reporter, der in Oakland wohnt. Im Süden grenzt der Bezirk an Mexiko und hat dort das größte Teilstück der Grenze eines amerikanischen Bezirks überhaupt. Die Drohungen aus Washington, von Donald Trump und dessen sogenannten „Border Czar“, Tom Homan, gegen Städte und gewählte Amtsträger:innen vorzugehen, die sich gegen die angekündigten Abschiebungen stellen und diese nicht unterstützen wollen, lassen Chris Nanos kalt. Er arbeitet zwar eng mit der Border Patrol zusammen, betont er, man tausche sich aus, unterstütze einander, wo es geht, aber „ich mache nicht deren Job“. Seine Beamt:innen verhaften niemanden wegen ihres Aufenthaltsstatus. Er blicke gelassen nach vorn, sage jedem, man solle erst mal abwarten, was da kommen mag. „Ich lebe jetzt seit fast 70 Jahren an dieser Grenze und es hat sich nicht viel verändert.“ Auch der Mauerbau habe nicht dazu geführt, dass weniger Menschen kommen würden. „Um ehrlich zu sein, wenn sie die Grenze wirklich schließen wollten, dann könnten sie das auch. Lass das Militär aufmarschieren. Aber die Frage ist doch, ob das das Richtige ist? Nichts wird damit gelöst“, meint Sheriff Nanos und meint zum Abschluss: „Warten wir es einfach ab.“
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Reporter Arndt Peltner hat unmittelbar nach den US-Präsidentschaftswahlen am 5. November die Stimmung in Oakland/Kalifornien ausgelotet. Knapp vor der Angelobung des klaren Wahlsiegers Donald Trump am 20. Jänner in Washington DC hat er sich die Stimmung in den Staaten ein weiteres Mal angesehen.
Gesprächspartner:innen
Beth und Dylan in den Berkeley Hills, Kalifornien
Der Farmer Bob Davis, er wohnt 80 Kilometer nördlich von LA
Chris Nanos, Sheriff von Pima County im Süden Arizonas
Daten und Fakten
Die Angelobung Donald Trumps folgt einem traditionellen Ablauf. Erst legen der Präsident und sein künftiger Vizepräsident, JD Vance, den Amtseid ab, dann wird sich der Comeback-Präsident in einer Rede an die Nation wenden. Im US-Kapitol wird Trump dann nach der Zeremonie erste Unterlagen und Ernennungen unterschreiben. Sogenannte „Executive Orders“ werden erste maßgebliche Richtungsentscheidungen der neuen Administration zeigen.
Österreichs Übergangskanzler Alexander Schallenberg wird am 20. Jänner nicht zur Angelobung von Donald Trump in die USA reisen. Er lässt sich von Österreichs Botschafterin in Washington, Petra Schneeberger, vertreten.
Die Inauguration wird unter massiven Sicherheitsvorkehrungen über die Bühne gehen. So wurden rund um den Kongress 2,50 Meter hohe Zäune aufgestellt.