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Bablers Machtlosigkeit

7 Min
Wenn SPÖ-Chef Andreas Babler (l.) die Partei erfolgreich umbauen will, muss er sich gegen Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig (r.) durchsetzen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Grundstücksdeals: SPÖ-Chef Andreas Babler fordert Konsequenzen. Doch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig schweigt. Er ist nicht auf Babler angewiesen. Ganz im Gegenteil. Eine Analyse.


„Saubere und ehrliche Politik“ hat Andreas Babler versprochen, als er das Amt des SPÖ-Parteichefs im Juni antrat. „Ein Gegenmodell zu diesen Cliquen, die glauben, dass sie sich das Land in Hinterzimmern aufteilen können.“ Das überzeugte rund 14.000 Menschen, die in die Partei eintraten, um „die SPÖ mit Demokratie zu fluten“, wie Babler es nannte. Und tatsächlich: Ein frischer Wind wehte durch die SPÖ, eine Partei, die nun wieder den Anspruch auf den Bundeskanzler stellen wollte.

Die mächtige Wiener SPÖ rund um Bürgermeister Michael Ludwig ließ Babler gewähren. Zumindest anfangs. Schon bald wurden die Anschauungen sichtbar, die Ludwig und Babler unterscheiden. Auf der einen Seite das Kaderdenken von Ludwig, der sich langsam in der Partei nach oben arbeitete. Angepasst, loyal, im Hintergrund taktierend. Auf der anderen Seite das Basisdenken von Babler, der Quereinsteiger aus Traiskirchen. Kritisch, fordernd, experimentierfreudig.

Wer bestimmt?

Eine von Babler geplante Statutenänderung, durch die einfache Parteimitglieder über Koalitionen und Parteivorsitz entscheiden können, wurde von der Wiener SPÖ umgehend zurückgewiesen. Die Basis soll über SPÖ-Chef und künftige Koalitionen entscheiden? „Wir haben ein geltendes Regelwerk. Bei uns entscheidet der Landesparteitag“, stellte die Wiener Landesparteisekretärin und Ludwig-Vertraute Barbara Novak klar. Bestimmen sollen also weiterhin die Funktionär:innen und nicht die einfachen Mitglieder.

Gegen den Bau des Lobautunnels, ein Lieblingsprojekt Ludwigs, sprach sich hingegen Babler aus. „Man wird mehr Verkehr nicht mit dem Bau von weiteren Straßen bekämpfen können", sagte der SPÖ-Chef.

Doch die Statutenänderung und der Lobautunnel sind nur harmlose Rangeleien im Vergleich zu den Grundstücksdeals, die durch Recherchen der WZ sichtbar wurden.

„Hohe moralische Ansprüche"

So kauften vier hochrangige SPÖ-Politiker:innen mehrere Parzellen einer Kleingartenanlage in Wien-Donaustadt, bevor sie von der Stadt umgewidmet wurden. Darunter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy, der einen wesentlichen Anteil daran hatte, dass Michael Ludwig Bürgermeister wurde. Nach der Umwidmung durch die Stadt verdoppelte sich der Wert der Grundstücke. Kurze Zeit später wurde auch der günstige Kleingarten-Kauf des Ottakringer Bezirksvorstehers Franz Prokop bekannt.

„Eine nicht optimale Optik“, sagte Novak und Michael Ludwig kündigte Aufklärung an. In einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ betonte er: „Wir haben hohe moralische Ansprüche. Wer eine Funktion oder ein Mandat für die Wiener Sozialdemokratie übernimmt, weiß, dass er mit einem höheren Maß gemessen wird als Vertreter anderer politischer Parteien.“

Auch Bundesparteichef Andreas Babler versprach Aufklärung. Anders als Ludwig forderte er auch Konsequenzen: „Als SPÖ-Chef mache ich Politik für diejenigen, die es sich nicht richten können – weder durch ihre Millionen am Konto, noch durch ihre politischen Kontakte", sagte er. „Entsprechend diesem Grundsatz kann und werde ich es nicht dulden, wenn in den eigenen Reihen der Eindruck entsteht, dass genau das passiert." Doch es passierte nichts. Bablers Machtwort verhallte in den steinernen Gängen des Wiener Rathauses.

Bablers Machtwort verhallt

Die Wiener SPÖ habe die Kleingarten-Causa „tiefgehend“ geprüft, sagte Novak wenige Tage später. Es seien keine rechtlichen Verstöße festgestellt worden. Rechtlich ist also alles in Ordnung. Und Ludwigs hochgehaltene moralische Ansprüche? Die waren in der Wiener Partei kein Thema mehr.

Hinter den Kulissen biss sich Babler an Ludwig die Zähne aus. Unter den vier hochrangigen SPÖ-Politiker:innen, die sich über den Widmungsgewinn freuen durften, befindet sich Nationalrätin Petra Bayr. Im Gegensatz zu den Wiener Politiker:innen ist sie Teil der Bundes-SPÖ, der Babler vorsteht. Doch nicht einmal hier konnte er sich gegen Michael Ludwig durchsetzen und personelle Konsequenzen ziehen.

Wie sehr die Kleingarten-Affäre an den Grundfesten der Partei rüttelt, zeigt eine Wortmeldung von SPÖ-Urgestein Heinz Fischer. Ungewohnt deutlich sagte der ehemalige Bundespräsident: „Es gibt viele redliche Menschen, die sagen ‚Aha, da gibt es doch Gleiche und noch Gleichere‘.“ Er glaube zwar schon, dass keine Gesetze verletzt worden seien. Dennoch müsse man über diese Frage noch hinausgehen. „Es gibt Regeln, die man einhalten muss und die nicht identisch sind mit der Rechtslage.“

Aussitzen, bis die Aufregung vorbeizieht

Ludwig setzt hingegen auf ein altbekanntes Muster, das die Wiener SPÖ in all den Jahrzehnten perfektioniert hat. Bevor Genoss:innen aus den eigenen Reihen geopfert werden, setzt man auf Rückzug. Nur keine weitere Angriffsfläche erzeugen, in Deckung gehen, aussitzen. Warten, bis die Aufregung vorbeizieht.

Es ist die Methode, die die SPÖ von den Menschen wegbewegt, eine Methode eines bürokratischen Systems, das sich selbst gefällt und keine Kritik von außen verträgt. Babler steht hingegen für die Öffnung der Partei, für Diskussion, Fehler eingestehen und Neuorientierung. So will er die SPÖ zurückführen zu einer Partei, die „Politik von unten nach oben machen“ will, wie er sagt. Mit ihm als Kanzlerkandidat für die Nationalratswahl in einem Jahr.

Bablers Basis ist verstreut, für den Erfolg bei der Nationalratswahl ist er daher auf die Unterstützung der gut organisierten Wiener Landespartei angewiesen. Die dreht ihm den Rücken zu. Vor kurzem gab Michael Ludwig seinen Rückzug aus den Bundesgremien bekannt und lässt Babler links liegen. Er möchte sich nur noch auf die Wiener Landespartei konzentrieren, begründete er seine Entscheidung. Ein Zeichen der Geschlossenheit sieht anders aus.

Mit seinem Rückzug setzt Ludwig den Erfolg Bablers bei der kommenden Nationalratswahl aufs Spiel. Denn wie soll Babler gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl gewinnen, wenn er sich nicht einmal in seiner eigenen Partei durchsetzen kann?

Für Ludwig ist der Erfolg bei der Wahl zweitrangig. Sollte die SPÖ schlecht abschneiden, wäre Babler Geschichte. Bei einer schwarz-blauen Koalition könnte Ludwig sogar die Oppositionskarte bei der Wien-Wahl ein Jahr darauf spielen. Die Wiener SPÖ wäre dann die menschliche Alternative gegen den Hardliner Kickl. Mit dem Rückzug aus der Bundespartei stiehlt sich Ludwig aus der Verantwortung eines möglichen Misserfolgs von Babler.

Ein Grundstück zum Schnäppchenpreis

Babler ist am Zug. Wenn er die SPÖ erfolgreich umbauen will, muss er sich gegen Ludwig durchsetzen.

Am Montag deckte die WZ gemeinsam mit Ö1 einen weiteren Grundstückdeal der Wiener SPÖ auf. Die Stadt verkaufte ein Grundstück in Penzing zum Schäppchenpreis an Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger. Der Verkauf fiel unter die Zuständigkeit von Michael Ludwig, der damals noch Wohnbaustadtrat war. Weninger verkaufte das Grundstück an einen Bauträger und verdiente damit 290.000 Euro. Zu Ludwig pflegt Weninger ein gutes Verhältnis, zum 60er überreichte er dem Bürgermeister Hosenträger im Städtebund-Design.

Es ist ein weiterer Fall, der die SPÖ wie eine dieser Cliquen dastehen lässt, die glauben, dass sie sich das Land in Hinterzimmern aufteilen können. Ludwig schweigt zu dem Deal mit Weninger.

Und Babler? Soll er ein weiteres Machtwort aussprechen, auf die Gefahr hin, wieder nicht gehört zu werden? Soll er den Konflikt mit Ludwig suchen?

Babler weiß um seine Machtlosigkeit. Er wählt den Weg des geringsten Widerstands und schweigt nun auch. Im Ö1-Mittagsjournal sagt er: „Das müssen Sie die SPÖ Wien fragen, was in Wien passiert.“


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Infos und Quellen

Genese

Nach Bekanntwerden der Kleingartendeals von vier hohen SPÖ-Politiker:innen forderte SPÖ-Parteichef Andreas Babler klar und deutlich Konsequenzen. WZ-Redakteur Bernd Vasari war erstaunt über die Deutlichkeit. Nur was würde passieren, wenn Bürgermeister Michael Ludwig nicht darauf reagiert und noch mehr Fälle an die Oberfläche kommen?

Quellen

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