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Barbie ist zwar Feministin, aber immer noch Plastikgraffl

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© WZ

Herstellerkonzern Mattel lässt sich zwar im Film durch den Kakao ziehen, am Ende ist er aber der große Gewinner.


Barbie also. Als Kind hätte ich für eine Barbie gemordet, nach gefühlt jahrhuuundertelangem Betteln bekam ich eine. Sie trug eine lila Latzhose. Ich muss heute noch über dieses feministische Statement meiner Mutter lachen: Wenn schon sexistischer Plastikscheiß, dann bitte in stereotyper Feministinnenkleidung der Achtziger.

Später sah ich Barbie ebenso kritisch. Sexualisiert, hyperschlank, könnte in menschlicher Form mit diesen Körperformen nicht aufrecht stehen, unerreichbares Schönheitsideal und einfach nur: Plastik. Meine Nichte bekam mit vier Jahren ein Barbie-Haus zu Weihnachten, und ich lieferte gemeinerweise dazu Kommentare, die das Wort „Plastikgraffl“ enthielten. Wenn dann jedoch die Vierjährige mit kugelrunden Augen vor dir steht und „Tante Nunu, baust du mir das Plastikgraffl zamm?“ fragt, dann baut auch die plastikkritische Tante Nunu widerwillig ein Barbiehaus zusammen. Liebe und so.

Feministisch is' bissl anders

Und jetzt plötzlich schwärmen Feministinnen vom Barbie-Film!? Kann nicht sein. Der Film selbst: Ja, schön erzählt, und alles so schön bunt hier! Beatrice Frasl hat letzte Woche an dieser Stelle bereits über das pinke Opus, das man derzeit gesehen haben muss, geschrieben. Ich teile ihre hymnische Rezension nicht ganz - mit ein bisschen Wimpernschlag und verliebt Schauen die Männer gegeneinander aufhetzen, damit sie sich am Strand eine stark an Saving Private Ryan angelehnte Kampfszene liefern, und währenddessen wieder die Macht übernehmen: Nun ja, feministisch is bissl anders, aber soll sein. Girl Power und so. Ich kann aber verstehen, wie unglaublich schön das Gefühl wird, wenn ausgerechnet Barbie, die für so viel Unfeministisches steht, schnell mal das Patriarchat aushebelt.

Zugegeben, es sind ein paar wirklich, wirklich verdammt lustige Szenen drin. Man geht mit guter Laune raus und überlegt, ob man eigentlich so eine Weird Barbie auch wirklich kaufen kann - kann man -, oder ob man dem Holden spaßeshalber einen „I am Kenough“-Sweater, wie Ken ihn trägt, schenken soll - kann man auch.

Weird Barbie als Deko im Bücherregal

Mit Film-Merchandising konnte ich bisher nie viel anfangen. Weder besitze ich Star-Wars-Bettwäsche noch einen Marvel-Kaffeebecher, habe kein Central Perk Café aus Lego nachgebaut, und auch diverse Bat-, Super- oder Ironman-Produkte halte ich für vernachlässigbar. Und nur so zur Sicherheit: Mit Barbies spiele ich sowieso seit Jahrzehnten nicht mehr. Sinnloses Plastikgraffl eben. Doch sogar ich erwischte mich beim Gedanken, so eine Weird Barbie, die wär' doch was so als Deko im Bücherregal, oder diese irisierende Nachttischlampe im Barbie-Traumhaus, super!

Genau das bringt mich zu dem Gedanken, den ich hier – schließlich geht es um Nachhaltigkeit – eigentlich formulieren will: Viel zu viele Menschen wissen noch nicht, dass gerade bei Blockbustern der Gewinn durch Merchandisingprodukte den Gewinn, der an den Kinokassen entsteht, oft um ein Vielfaches übertrifft. Nicht erst einmal habe ich gehört, dass bei Marvel und anderen großen Labels erst die ganzen Produkte rundherum und dann erst die Storyline des Films entstehen (seither frage ich mich, ob Baby Yoda nur in den Film eingebaut wurde, weil man bereits wusste, dass der als Plüschtier fulminant funktionieren würde).

Mattel hat über die Jahre ordentlich Dreck am Stecken gesammelt.

Für Barbie heißt das: Die Herstellerfirma Mattel lässt sich zwar im Film hübsch durch den Kakao ziehen, am Ende des Tages ist sie jedoch der große Gewinner dieses ganzen Hypertrends. Barbie, deren Verkaufszahlen seit Ende der weltweiten Corona-Lockdowns stark runtergingen, findet wieder reißenden Absatz. Mattel kooperiert fürs Merchandising mit mehr als 100 Partnern, darunter H&M, Primark und Crocs – alles keine Firmen, die für ihre umweltschonende Produktionsweise bekannt sind. Im Supermarkt sehe ich Barbie-Bonbons, im Papiergeschäft Barbie-Bleistifte, dem bei Pantone eigens eingetragenen Barbie-Pink kann man derzeit nirgends ausweichen.

Doch so gute Laune wie nach dem Film habe ich bei diesem Gedanken nicht. Mattel hat nämlich über die Jahre ordentlich Dreck am Stecken gesammelt: Mal verkauften sie Produkte, die mit stark bleihaltiger Farbe bemalt waren, dann verpackten sie die Barbies in Karton, der aus Tropenholz entstand, und überhaupt gilt die Spielzeugindustrie als der Sektor, der auf den Umsatz gerechnet mehr Plastik in seinen Produkten hat als jede andere Branche.

Bioplastik klingt gut, ist aber ein Problem

Zwar erklärte Mattel vor ein paar Jahren, bis 2030 die Produkte nur noch aus recyceltem, recycelbarem oder Bioplastik auf Pflanzenbasis herstellen zu wollen – doch das hat trotz des wohlklingenden Namens wenig mit Nachhaltigkeit zu tun. Um die Rohstoffe für Mattels Produkte herzustellen, würden riesige Anbauflächen benötigt. Nicht cool, wenn in Zeiten des Klimawandels immer mehr Menschen hungern. Außerdem hat Bioplastik eine nur unwesentlich kürzere Abbauzeit als erdölbasiertes Plastik. Und kurzer Ausflug ins Wort „recycelbar“, das mich verlässlich auf die Palme bringen kann: Natürlich ist es möglich, eine Barbie beispielsweise aus PLA, also Polylactid, also Milchsäure, herzustellen. Und PLA ist recycelbar. Es gibt jedoch (nicht nur) in Österreich keine eigenen Abfallwirtschaftssysteme für PLA. Keine eigenen Container. Das heißt, PLA-Barbie würde notgedrungen irgendwann im Restmüll landen. Und da nützt ihr die gesamte „Recycelbarkeit“ nix mehr, da wird sie schlicht und einfach verbrannt. Recycelbar ist also ein schönes Versprechen. Ohne entsprechende Abfallwirtschaftssysteme kann es jedoch für Endkonsument:innen schlicht und einfach nicht eingehalten werden (hat hier jemand gerade „Greenwashing“ gesagt?).

Aber zurück zum erdölbasierten Plastik. Greenpeace schreibt: „Jede 182-Gramm-Barbie verursacht etwa 660 Gramm CO²-Emissionen, einschließlich Kunststoffproduktion, Herstellung und Transport.“ Klingt nach nicht viel, aber hochgerechnet ist es dann doch eine ganze Menge. Vor allem, wenn klar ist, dass Weird Barbie in weniger als einem Jahr nicht mehr vom Kontext des Films profitieren wird, sondern einfach nur noch Plastik und irgendwann Plastikmüll ist. Gemeinsam mit Plastik-Federpennalen, Plastik-Schminkspiegeln und sonstigem Plastik-Klimbim in Pink. Daran ändert leider der feministische Ansatz des Films nichts: Großer Gewinner des Films sind nicht die Frauen dieser Welt, sondern die sehr umweltzerstörerische Plastikindustrie.


Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • 2023 erschien der von Greta Gerwig mit Schauspieler:innen inszenierte Barbie-Film. Zuvor gab es lediglich Zeichentrickfilme über und mit Barbie. Finanziert von Mattel, der Herstellerfirma von Barbie, hat der Film in etwa zwei Wochen weltweit über eine Milliarde Dollar eingespielt.

  • Die Spielzeugfirma Mattel produziert seit 1959 die weltberühmten Barbiepuppen. Dem Weltkonzern werden immer wieder Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen: Das Schwarzbuch Markenfirmen deckte auf, dass Mattel in China einen Stundenlohn von lediglich 11 Cent bezahlte - bei 16-Stunden-Tagen für die Arbeiter:innen. Mattel gibt an, dass jedes Jahr 58 Millionen Barbiepuppen in 150 Ländern verkauft werden, also etwa 100 Puppen pro Minute.

Quellen

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