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Better off than five years ago? Teil II

4 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Fotocredit: Georg Renner

Wie hat sich die Wirtschaft die letzten Jahre entwickelt? Georg Renner analysiert in Teil II die Entwicklung des Bruttoinlandproduktes.


Das ist Teil 2 unserer sommerlichen „are you better off than you were five years ago“-Erkundungen, wie sich die Lage der Nation im Lauf dieser Legislaturperiode verändert hat – immer mit der Maßgabe, dass das dank Pandemie, Energiekrise und Inflation kein ganz fairer Vergleich ist (aber das sind staatspolitische Betrachtungen sowieso selten).

Vergangene Woche habe ich mir an dieser Stelle angeschaut, wie sich die Staatsfinanzen entwickelt haben; ihr könnt das im WZ-Newsletterarchiv oder hier nachlesen, es schaut nicht besonders gut aus. Diese Woche schauen wir auf die andere Seite der Medaille – wie geht es „der Wirtschaft“? Die „Wirtschaft“ steht dabei unter Anführungszeichen, denn Wirtschaft, das ist ja nicht irgendein vom Rest der Welt abgetrennter Komplex, das sind wir alle: Leute, die gegen Geld Arbeit verrichten, die kaufen, verkaufen, konsumieren – und dafür Steuern bezahlen.

Das BIP wächst

Die international vergleichbare Maßzahl dafür ist das Bruttoinlandsprodukt – der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einem Land erzeugt bzw. geleistet worden sind, minus der Vorleistungen dafür. Wächst das BIP, wird in einem Land mehr produziert und gearbeitet – oder zumindest: mehr dafür bezahlt, aber dazu kommen wir noch –, die Wirtschaft wächst also, es werden mehr Steuern fällig, der Wohlstand einer Gesellschaft steigt. Schrumpft es dagegen einmal – wie etwa 2020 durch die Covid-Maßnahmen – , bringt das Land weniger hervor, es wird ärmer.

Schauen wir uns einmal die blanke Gesamtzahl an:

Das schaut auf den ersten Blick ja recht gut aus: Nach dem Corona-Schock geht es wieder aufwärts, oder? 2023 sind stattliche 478,19 Milliarden Euro in Österreich erwirtschaftet worden. Weil wir aber auch mehr Menschen geworden sind – von Jahresbeginn 2019 auf Jahresbeginn 2024 sind 300.000 Einwohner:innen in Österreich dazugekommen –, schauen wir uns doch auch das BIP pro Kopf an, also wie viel wir pro Mensch in Österreich erwirtschaften:

Auch da ist die Entwicklung ähnlich, ein bisschen glatter als das gesamte BIP, aber immer noch deutlich über dem Wert von 2019.

Reale Werte

Und jetzt das große Aber: Die bisherigen Beträge waren nominale Werte – also absolute Zahlen, die außer Acht lassen, dass unser Geld ja durch die Inflation von Jahr zu Jahr weniger wert wird. Und das gilt ganz besonders in den vergangenen beiden Jahren.

Um das einzukalkulieren, schauen wir in die Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, das Ende Juni nicht nur seine aktuelle Konjunkturprognose veröffentlicht hat, sondern dankenswerterweise auch eine Berechnung, wie sich das BIP pro Kopf von 2019 an in realen Werten, also Inflation eingerechnet, entwickelt hat bzw. in den kommenden Jahren entwickeln dürfte.

Die folgende Grafik enthält keine absoluten Zahlen mehr, sondern relative Werte – wobei das Jahr 2019 die Hundert-Prozent-Marke stellt:

Was wir hier sehen, ist ein weit unangenehmeres Bild. 2023 hat das BIP real nur 97,4 Prozent jenes von 2019 ausgemacht – tatsächlich ist unsere Wirtschaftsleistung also deutlich geschrumpft, trotz der Erholung nach dem Pandemieknick. Und, noch unangenehmer: Das Wachstum wird Prognosen zufolge nur schleichend weitergehen; erst 2027 erwarten die Forscher:innen, dass wir wieder auf das Niveau von 2019 kommen.

Wohlstandsverlust durch multiple Krisen

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr hat der Politik mit dieser Prognose eine recht schonungslose Analyse mit auf den Weg gegeben:

„Das Kernproblem der österreichischen Volkswirtschaft liegt darin, dass die multiplen Krisen der letzten Jahre Wohlstandsverluste gebracht haben. (…) Man hat aber versucht, diese realwirtschaftlichen Einbußen durch expansive Fiskalpolitik und durch Reallohnausgleich zu verstecken. Das kann dauerhaft nicht gelingen. Die Folgen sind: ein zu hohes Budgetdefizit, eine dauerhaft überhöhte Inflation und eine zurückgehende internationale Wettbewerbsfähigkeit. Wahrscheinlich ist auch die hohe Verunsicherung ein Resultat dieser fundamentalen Inkonsistenz. Nun braucht es ein Rendezvous mit der Realität.“

Ich möchte euch, falls Ihr euch vertiefen wollt, Felbermayrs ganzes Statement und die weiteren Analysen des Instituts sehr ans Herz legen, sie zeichnen sehr gut auf, wo die wirtschaftspolitischen Herausforderungen für die kommenden Monate und Jahre liegen. Aus Sicht der Wirtschaft lässt sich angesichts dieser Datenlage jedenfalls nur schwer argumentieren, dass Österreich heute besser dastünde als 2019.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

Quellen