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Wie ist es den Mitbürger:innen finanziell die letzten fünf Jahre gegangen? Georg Renner analysiert in Teil III die Arbeitslosenquote und Gehaltsstatistik während der letzten Legislaturperiode.
Das hier ist der dritte (und, zumindest geplanterweise, letzte) Teil unserer kleinen Sommerserie zur Frage „are you better off than you were five years ago?“. Vor zwei Wochen habe ich mir an dieser Stelle die Entwicklung der Staatsfinanzen seit 2019 angeschaut, vorige Woche jene der österreichischen Wirtschaft – beide könnt ihr hier nachlesen.
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Arbeitslosenquote
Heute würde ich gern der Frage nachgehen, wie sich das Ganze auf individueller Ebene darstellt. Ein hoffnungsloses Unterfangen natürlich – Individualität zeichnet sich ja eben dadurch aus, dass sie keiner Gesamtschau zugänglich ist. Aber ein paar Rückschlüsse darauf, wem und wie vielen Mitbürger:innen es heute besser oder schlechter geht als noch vor Beginn der Legislaturperiode vor fünf Jahren, lassen sich schon ziehen.
Fangen wir vielleicht einmal mit jener Maßzahl an, die Politiker:innen lange Zeit den Angstschweiß auf die Stirn getrieben hat – der Arbeitslosenquote.
Wir sehen: Ja, die Arbeitslosenquote ist im Vorjahr gestiegen und lag höher als 2019 – aber sie lag noch deutlich unter dem Niveau von Mitte des vergangenen Jahrzehnts. Das ist per se kein beunruhigender Wert – aber die stagnierende bzw. schrumpfende Wirtschaft lässt befürchten, dass er in den kommenden Monaten noch steigen könnte.
Sozialhilfe
Interessant wären unter dem Gesichtspunkt steigender Arbeitslosigkeit auch die Werte zum „letzten sozialen Netz“ der Republik, der Sozialhilfe – deren Bezieher:innen sind von 212.192 im Jahresschnitt 2019 auf 189.957 im Jahresschnitt 2022 zurückgegangen. Meine Vermutung wäre an sich gewesen, dass sich der Trend mit dem wirtschaftlichen Abschwung 2023 umdrehen wird – aber in einigen der Bundesländer, die ihre Zahlen bereits gemeldet haben, etwa in Niederösterreich, sind es auch im Vorjahr weniger Sozialhilfebezieher:innen gewesen als noch 2022. Solang aber nicht alle Länder – und besonders Wien, wo mehr als zwei Drittel der Sozialhilfebezieher:innen der Republik leben – ihre Zahlen eingemeldet haben, lässt sich dazu wenig sagen.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Gehaltsstatistik
Selbiges gilt für die Gehaltsstatistik: Medianeinkommen und ähnliche Werte haben hierzulande eine lange Vorlaufzeit – die neuesten Zahlen sind von 2022 und sagen uns wenig darüber, wie sich die Einkommen in Zeiten der Inflation entwickelt haben.
Was wir allerdings wissen: Es sind, dank Migration, so viele Menschen wie nie zuvor in Österreich erwerbstätig – und gleichzeitig mehr in Pension als je zuvor.
Aber – wir hatten das an dieser Stelle schon vor ein paar Monaten einmal – gleichzeitig haben wir diesen spannenden Trend:
Das ist vielleicht die beeindruckendste Entwicklung seit 2019: Die Zahl der tatsächlich geleisteten Erwerbsarbeitsstunden ist im Schnitt deutlich gesunken. Ob man das gut oder schlecht finden mag, ist bekanntlich Gegenstand einer breiten politischen Debatte – aber klar ist: Der Wirtschaftsleistung sind weniger Arbeitsstunden eher abträglich.
Inflation
Bleibt noch ein letzter Elefant im Raum: Die Inflation. Über deren zu hohes Niveau ist schon viel publiziert worden und die türkis-grüne Koalition brüstet sich bekanntlich – und vorerst nicht zu Unrecht - damit, die Kaufkraft durch diverse Hilfsprogramme aufrecht erhalten zu haben. (Die wiederum für das bereits besprochene Budgetdefizit mitverantwortlich sind, aber das ist ein anderer Aspekt der Geschichte.)
Was passiert, wenn diese Hilfen auslaufen, könnt ihr selbst im „Kaufkraftrechner“ der Nationalbank checken, indem ihr die unterschiedliche Inflation bei Alltagsprodukten in Relation zur Entwicklung der Gehälter stellt:
Mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen hat man sich zu Beginn der Legislaturperiode zum Beispiel noch 482 Brathendl kaufen können – 2023, nach einer durchschnittlichen Inflation von fünf Prozent pro Jahr, nur noch 392. Durch die stabilisierenden Kaufkrafthilfen der Politik hat man das in den vergangenen Jahren ein bisschen übertüncht – aber, Stichwort Staatsfinanzen, das wird wohl nicht ewig so weitergehen und ob die Wirtschaft so gut läuft, dass die Einkommen wieder nachziehen, würde ich angesichts der Prognosen dazu ebenfalls bezweifeln.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Statistik Austria: Mindestsicherung und Sozialhilfe
Der Standard: Österreichs Bilanz im Kampf gegen die Teuerung ist besser als ihr Ruf
Sozialministerium: Maßnahmen zur Teuerung
finanzbildung.oenb.at: Kaufkraftrechner