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Beziehungen mit Männern: lieber ambulant als stationär

4 Min
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine feministische Kolumne zu einem aktuellen politischen Thema für die WZ.
© Illustration: WZ

Immer mehr Frauen entschließen sich dazu, Single zu bleiben. Das macht glücklich, gesund und ist sicherer.


„Ich will niemanden mehr atmen hören“, sagte Linda Evangelista vergangene Woche in einem Interview und erklärte damit, warum sie keine romantischen Beziehungen mit Männern mehr eingeht. Sie ist damit nicht die erste, 2016 erklärte Whoopi Goldberg in einem Interview mit dem New York Magazine: „Ich bin glücklicher allein“ und „Ich will niemanden in meinem Haus“. Und Kim Cattrall schlug vor vier Jahren in eine ähnliche Kerbe: „Ich möchte nicht einmal eine Stunde lang in einer Situation sein, in der ich mich nicht wohlfühle.“

Es sind aber nicht nur Celebrity-Frauen, die der Sache mit den heterosexuellen Partnerbeziehungen abgeschworen haben. Immer mehr Frauen entschließen sich dazu, Single zu bleiben. Und immer mehr Frauen, die sich in romantischen Beziehungen mit Männern befinden, entschließen sich dazu, nicht mit ihnen zusammenzuwohnen, wie die vor kurzem veröffentlichte deutsche Vermächtnis-Studie 2023 zeigt. Eine Followerin schrieb mir diesbezüglich: Beziehungen mit Männern führe sie „nur noch ambulant, nicht stationär“. Die Zeit befragte Frauen genau hierzu und die genannten Gründe, nicht mehr mit Männern zusammenleben zu wollen, wiederholten sich in den Gesprächen und kreisten oft um ungleich verteilte Arbeit und Belastungen in Beziehung und Haushalt. „Mein Mann war das schwierigste Kind“, sagte eine, „Man wird schnell zur Haushaltshilfe“, eine andere. Andere erzählen von den Suchterkrankungen ihrer Ex-Partner, und von Gewalt.

Utopie romantische Beziehung?

Frauen wird von früh an eingetrichtert, dass in romantischen Beziehungen mit Männern ihr ultimatives Lebensglück liegen würde. Das ist allerdings nicht nur nicht wahr, es ist sogar das genaue Gegenteil der Wahrheit. Frauen sind mit männlichen Partnern wesentlich unglücklicher als ohne Männer. Unverheiratete Frauen ohne Kinder sind die gesündeste und glücklichste Bevölkerungsgruppe. Ihre Lebenserwartung ist höher als jene von verheirateten Frauen. Bei Männern verhält es sich genau umgekehrt. Unverheirateten Männern geht es gesundheitlich wesentlich schlechter als verheirateten. Dafür haben ihre Ehefrauen fünfmal so häufig Depressionen wie sie. Ehen mit Männern schaden der Gesundheit von Frauen, während Männer von Ehen mit Frauen profitieren, finanziell und gesundheitlich.

Wir alle kennen solche Fälle: Frauen über 60, die nach dem Tod ihrer Ehemänner plötzlich aufblühen. Manche dieser Ehemänner waren Säufer, andere gewalttätig, manche beides. Ihr Tod ist für die hinterbliebenen Witwen nicht selten eine große Erleichterung. Die meisten Männer aber waren einfach nur ganz normal emotional abwesend und Nutznießer und einseitige Empfänger der emotionalen, fürsorgenden und gegen Ende hin oft auch pflegenden Arbeit ihrer Ehefrauen, die sich bis zum Schluss für sie abstrampelten.

Unbezahlte Arbeit erledigen großteils Frauen

Denn: Frauen leisten immer noch den Großteil der unbezahlten Arbeit in heterosexuellen Beziehungen: einerseits in Form von Kinderbetreuung und Kindererziehung, Pflege von kranken und alten Angehörigen und Hausarbeit, aber auch viel unsichtbarer in Form von emotionaler Arbeit in der Paarbeziehung und in der Familie. Sie sind diejenigen, die Fürsorge leisten für Kinder UND Partner, die versorgen und umsorgen. Sie agieren als Friedensstifterinnen und Mediatorinnen bei Konflikten. Sie machen die Beziehungsarbeit. Und: Sie tragen den Mental Load und machen die ganze Management-Arbeit im Hintergrund.

Auch das untersuchte die oben genannte Vermächtnis-Studie und kam zu dem Schluss, dass Frauen nicht nur den Großteil der unbezahlten Arbeit in Haushalt und Kinderbetreuung übernehmen, sondern auch den Großteil des Mental Loads tragen. Während die männlichen Partner die Verteilung von Arbeit viel egalitärer bewerten, als sie ist.

Und dann gibt es noch die sehr vielen Frauen, deren Männer gewalttätig sind: psychisch, körperlich, sexuell.

Beziehungen auf Augenhöhe

Aber immer weniger Frauen müssen Beziehungen mit Männern aus finanziellen Existenzgründen aufrechterhalten. Und es scheint ganz so, als würden Frauen in dem Moment, in dem sie Männer nicht mehr brauchen, auch immer weniger bereit sein, sie, und alles, was an Belastung mit Beziehungen mit ihnen einhergeht, zu ertragen. „Durch das eigene Einkommen der Frauen verliert die traditionelle Versorgungsfunktion einer Beziehung an Bedeutung”, so der Soziologe Jan Eckhard in einem Gespräch mit der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Im selben Artikel wird der Psychologe Greg Matos zitiert, der betont, dass Frauen nach emotional präsenten Partnern suchen würden, die gut kommunizieren könnten. Dass sie Beziehungen auf Augenhöhe führen wollen und: „Männer – oft aufgewachsen mit patriarchalen Geschlechterrollen – hätten jedoch Probleme, diesen Erwartungen auch gerecht zu werden.” Matos spricht deshalb von einem „relationship-skills-gap", einer Kluft der Beziehungsfähigkeiten. Würden Männer diese nicht angehen, hätten sie Schwierigkeiten, zu Dates zu kommen, und ihnen drohe ein längeres Dasein als Single.

Dass Frauen sich gegen das Zusammenleben mit Männern entscheiden und gegen Liebesbeziehungen mit Männern, solange das Geschlechterverhältnis ist, wie es ist, und solange heterosexuelle Paarbeziehungen für Frauen, statistisch betrachtet, frustrierend, gesundheitsschädigend und belastend und im schlimmsten Fall tödlich sind, in der Regel grundvernünftig. Goldbergs „Ich bin glücklicher allein“ ist für viele Frauen, und auch statistisch, wahr. Wir sind aber nicht nur glücklicher ohne männliche Partner. Wir sind gesünder. Und sicherer.


Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Genese

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den vergangenen Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

Quellen

  • Anita Riecher-Rössler: „Weibliche Rollen und Psychische Gesundheit“ In: Wimmer-Puchinger et al. Irrsinnig weiblich – Psychische Krisen im Frauenleben. Hilfestellung für die Praxix. Springer: 2016, 19-34

  • Die Zeit, infas, WZB: Vermächtnis-Studie

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