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Die EU-Kommission hat eine neue Binnenmarktstrategie vorgelegt, die die Wirtschaft der Mitgliedstaaten ankurbeln und die Folgen des Zollstreits ausgleichen soll. Was bedeutet das für Österreich?
Für viele Unternehmen und Arbeitnehmer:innen bedeutet die EU nicht nur Chancen und offene Türen, sondern auch mehr Bürokratie: etwa bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung oder des umstrittenen Lieferkettengesetzes. Solche Hürden will die Union jetzt mit einer neuen Binnenmarktstrategie abbauen.
- Kennst du schon?: Was macht eigentlich ein:e EU-Abgeordnete:r?
Was ist der Binnenmarkt?
Der Binnenmarkt bezeichnet den einheitlichen Markt in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in Island, Norwegen und Liechtenstein. Grundlage für den im Jahr 1993 gegründeten EU-Binnenmarkt sind die so genannten „vier Freiheiten“: der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital in der gesamten EU. Dass wir problemlos in andere EU-Länder reisen, dort arbeiten oder zollfrei Waren kaufen können, verdanken wir also dieser Marktregelung.
Heute zählt dieser Wirtschaftsraumrund 450 Millionen Menschen und 26 Millionen Unternehmen. Mit einer Wirtschaftsleistung von 18 Billionen Euro ist sie laut der EU-Kommission nach den USA die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt; 18 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung finden hier statt.
Warum braucht es eine neue Binnenmarkt-Strategie?
Diese Macht droht die EU nun zu verlieren. Denn im Handelskonflikt zwischen den USA und China spielt Europa aktuell nur eine Nebenrolle. Derzeit liegen die US-Zölle auf Importe aus der EU im Schnitt bei etwa 10 Prozent – mit Ausnahmen wie Autos und Aluminium, auf die Zölle von rund 25 Prozent erhoben werden. Neue, deutlich höhere Zölle von bis zu 50 Prozent, die ab 1. Juni in Kraft treten sollten, wurden von US-Präsident Trump auf Bitte von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen vorerst bis 9. Juli ausgesetzt. Laut einer WIFO-Berechnung könnte das Bruttoinlandsprodukt sowohl in Österreich als auch in der EU mittel- bis langfristig spürbar sinken, sollte das Handelsklima weiter eskalieren. Die jüngsten Konjunkturprognosen gehen davon aus, dass die österreichische Wirtschaft zum dritten Mal in Folge schrumpft. Der erschwerte Handel mit einem unserer größten Partnerländer hat also direkten Einfluss auf die Wirtschaft – und infolgedessen auch auf unsere Arbeitsplätze und den Konsum.
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Die EU-Kommission hat deshalb vergangene Woche eine neue Strategie veröffentlicht, die Unternehmen innerhalb des Binnenmarkts fördern soll. „Sie sieht mehr Freizügigkeit innerhalb des Binnenmarkts vor, um Chancen für Unternehmen und Bürger zu eröffnen; aber auch mehr Schutz und Befähigung für Arbeitnehmer und Verbraucher gleichermaßen“, beschreibt die Kommission selbst die Initiative.
Weniger Verwaltungskosten für Unternehmen
So soll Bürokratie abgebaut werden, kleine und mittelständische Unternehmen sowie eine verstärkte Digitalisierung gefördert werden. Konkret sollen zehn Hindernisse beseitigt werden, darunter die fehlende Anerkennung von Berufsqualifikationen, uneinheitliche Vorschriften für die Verpackung und Kennzeichnung von Produkten sowie Versorgungsengpässe. Für diese Herausforderungen schlägt die Kommission koordinierte Lösungen auf EU-Ebene vor. So sollen Lebensmittel künftig eine einheitliche Kennzeichnung erhalten und Unternehmensgründungen in anderen EU-Staaten innerhalb von 48 Stunden umgesetzt werden.
Laut der EU-Kommission senken die neuen Pläne die jährlichen Verwaltungskosten um 400 Millionen Euro. Nicht zuletzt sollen sie die möglichen Verluste durch die höheren Zölle ausgleichen und 2,4 Prozent mehr Wirtschaftsleistung bringen. Bis die vorgeschlagenen Änderungen jedoch umgesetzt werden, kann es noch dauern. Darauf verweisen auch die österreichischen Vertreter:innen. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, kommentiert die neue Binnenmarktstrategie: „Die EU-Kommission hat heute einen Prozess in Gang gesetzt, der nun konsequent weiterverfolgt werden muss.” „Der europäische Binnenmarkt ist und bleibt unser stärkster Hebel. Wenn wir ihn weiterentwickeln, stärken wir den Standort Österreich, schaffen Arbeitsplätze und sichern langfristig unseren Sozialstaat”, sagt Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. Für Österreich hätten die Verbesserung der Infrastruktur sowie die Bekämpfung des Fachkräftemangels Priorität.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Daten und Fakten
- Der EU-Binnenmarkt besteht aus den 27 Mitgliedsstaaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein, mit der Schweiz gibt es durch ein bilaterales Abkommen einen teilweisen Zugang.
- Seit der Gründung des Binnenmarkts im Jahr 1993 sind laut der EU-Kommission 3,6 Millionen Arbeitsplätze entstanden.
- Die Wirtschaftsregion umfasst aktuell rund 450 Millionen Konsument:innen, 26 Millionen Unternehmen und ist 18 Billionen Euro wert.
Quellen
- European Commission: Information der EU-Kommission zur neuen Binnenmarktstrategie
- Europäischer Rat: Binnenmarkt
- European Commission: Fragen und Antworten zur Binnenmarktstrategie
- WIFO: Neue Zölle der USA belasten Exporte und Wirtschaft in Europa deutlich
- iv.at: Stellungnahme der Industriellenvereinigung zur Binnenmarktstrategie
- www.bmwet.gv.at: Stellungnahme von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer