Insolvente Signa-Kaufhäuser, steigende Leerstände: Haben klassische Shopping-Flächen ausgedient? Die Handelsbranche sagt nein. Shoppingzentren haben eine Zukunft.
Es hätte ein Luxuskaufhaus werden sollen. Jetzt ist das Projekt pleite: das Signa-Prestigeobjekt Lamarr auf der Mariahilfer Straße. Aktuell wird nach einem Käufer für den unfertigen Bau gesucht, und es gibt auch andere Ideen für das Objekt. Corinna Milborn, Puls4-Infochefin, stellte zur Diskussion, statt internationalen Luxusmarken dort gezielt Produkte von heimischen Marken zu verkaufen. Dafür würde es eigentlich kein neues Gebäude brauchen, denn auf der Einkaufsstraße befinden sich immer mehr leerstehende Geschäfte.
- Kennst du schon?: Daheim bin ich produktiver
Auslaufmodell Kaufhaus
Nicht nur in Wien kriselt es. Die deutsche Kette Galeria Karstadt Kaufhof war ebenfalls Teil des Signa-Universums. Der neue Eigentümer soll zumindest 60 von 92 Filialen weiterführen. Aber braucht es im Zeitalter des E-Commerce überhaupt noch so viele physische Standorte? Vergangenes Jahr kauften laut einer Eurostat-Umfrage 87 Prozent der 25- bis 34-Jährigen und 84 Prozent der 35- bis 44-Jährigen in der EU online ein, Tendenz steigend. Mit 44 Prozent ist Bekleidung die beliebteste Produktkategorie beim Online-Shopping.
Dieser Trend wirkt sich auf die Geschäftsflächen aus: Laut einer Analyse des EHI Retail Institutes gehen in Deutschland seit 2021 bei zwei Dritteln der untersuchten Shoppingzentren die vermieteten Flächen zurück. In Österreich sind die Verkaufsflächen in Innenstädten laut dem Handelsverband seit sechs Jahren rückläufig; im Modehandel ist die Zahl der Verkaufsflächen in den vergangenen zehn Jahren um 17,8 Prozent gesunken. Die Mariahilfer Straße hat der Branchenstudie zufolge in den vergangenen zwei Jahren sechs Prozent verloren. Und das klassische Kaufhaus, wie eben Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland oder Kastner & Öhler in Österreich, ist laut der Marktforschung RegioData seit 50 Jahren ein Auslaufmodell und hat im DACH-Raum nur noch einen Marktanteil von weniger als fünf Prozent am gesamten Handelsumsatz.
Vom Einkaufsort zum Freizeiterlebnis
Einst waren Shoppingzentren nicht nur ein Einkaufsort, sondern auch ein Treffpunkt in der Freizeit. Aber welche Rolle werden sie in Zukunft haben, wenn sich unser Einkaufsverhalten immer digitaler entwickelt? In der PwC-Studie „Shoppingcenter im Wandel” geben 84 Prozent der befragten Shoppingcenter-Betreiber an, mit Veranstaltungen und Events mehr Besucher:innen anzuziehen. Zu den weiteren Maßnahmen zählen verbesserte Gastronomieangebote, Kunstinstallationen und mehr Grünflächen.
Einen individuellen Angebotsmix, etwa mit Gesundheitseinrichtungen und Dienstleister:innen, und kreative Akzente sieht auch eine aktuelle Studie von EY als Schlüsselfaktoren für den Erfolg der Einkaufszentren: „Center, die frühzeitig Veränderungen im Konsumentenverhalten sowie neue Trends antizipiert und dadurch rechtzeitig Vorarbeit geleistet haben, haben sich deutlich schneller von der pandemiebedingten Krisenzeit erholt.“ Auch der Einsatz von neuen Technologien und die energetische Transformation seien notwendig, um zukunftsfähig zu bleiben. Bei letztgenanntem Punkt, der Energieeffizienz, gibt es noch Nachholbedarf: Von 11.000 Shoppingzentren in Europa haben laut RegioData nur drei Prozent ein Umweltzertifikat; bei den 100 größten ist es immerhin schon jedes zweite.
Gelungene und misslungene Projekte
Dass das Einkaufszentrum noch nicht ausgedient hat, zeigt das Projekt Hudson Yards in New York City. 2019 eröffnet, litt der Standort bald unter den Lockdowns in der Pandemie. Vergangenes Jahr konnte Hudson Yards die monatlichen Besuche um 19 Prozent im Vergleich zu 2022 steigern. Das Konzept verbindet Luxusmarken mit günstigeren Einzelhändler:innen, umfangreichem Gastro-Angebot und Events. Zudem trug das Einkaufszentrum zur Aufwertung des Stadtteils bei. Eine andere US-Metropole, San Francisco, kämpft hingegen derzeit mit den Folgen eines leeren Shoppingcenters: Der Betreiber Westfield verabschiedete sich von dem Standort im Zentrum der Stadt, unter anderem wegen der steigenden Kriminalität und Obdachlosenzahlen. Jetzt soll das Gebäude mit einem neuen Namen neu erfunden werden. Mit Macy’s geht ein weiteres Einkaufszentrum verloren: Die Kaufhauskette schließt in den USA bis 2026 150 Filialen.
Wie es mit Lamarr in Wien und Galeria Karstadt Kaufhof in Deutschland weitergeht, ist noch unklar. Es gibt jedenfalls genug Ansätze und Erkenntnisse, wie die Einkaufsflächen in Zukunft aussehen könnten. Denn was die Branchenanalysen zeigen: Klassische Verkaufsflächen ziehen junge Konsument:innen nicht mehr an, sie müssen mehr bieten als nur Produkte.
Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Daten und Fakten
Die Leerstandsquote in Österreichs Städten ist mit 6,7 Prozent laut dem Handelsverband stabil.
In der größten Einkaufsstraße, der Mariahilfer Straße, ist die Zahl der Verkaufsflächen in den vergangenen zehn Jahren um 17,8 Prozent eingebrochen.
Fast 90 Prozent der jungen Konsument:innen in der EU shoppen online; Bekleidung ist dabei die beliebteste Produktkategorie.
Quellen
Eurostat: E-Commerce Statistics
PwC-Studie: Shoppingcenter im Wandel
Handelsverband: City Retail 2024
EHI Retail Institute: Management von Shoppingcentern
RegioData Research: Shoppingcenter und die Umwelt
RegioData Research: Marktanteile der DACH-Kaufhäuser
Business of Fashion: How Hudson Yards Defied Its Haters and Became New York’s Top Mall
SF Gate: Beleaguered downtown SF mall gets new name, plan for future