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Buben, die Angst vor Frauen haben

5 Min
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine feministische Kolumne zu einem aktuellen politischen Thema für die WZ.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Privat

Die Zerstörung der Marienstatue in Linz ist bezeichnend und wenig überraschend. Denn Religionen sind nichts anderes als mythologisierte männliche Angst vor Frauenkörpern.


Anfang Juli wurde im Linzer Mariendom eine Marienstatue zerstört. Die Kunstskulptur von Esther Strauß zeigt die Mutter Gottes mit Heiligenschein und dickem, gerade noch schwangeren Bauch. Maria hat die Beine gespreizt, von der Brust abwärts ist sie nackt, denn sie bringt gerade Jesus zur Welt. Wenn du jetzt glaubst, Katholik:innen würden sich freuen, dass ihr Heiland geboren wird, dann hast du dich getäuscht, denn die Marienstatue hat einen Dombesucher so erzürnt, dass er ihr den Kopf abgesägt hat.

Frauenkörper vs. Männerkörper

Wenn Religionen etwas nicht sehen wollen, dann sind es Frauenkörper, die Leben hervorbringen. Das würde schließlich daran erinnern, dass der männliche Schöpfer nur erfunden ist, während Frauen mit ihren Körpern tatsächlich Leben hervorbringen.

In katholischen Kirchen finden sich reihenweise halbnackte Körper, oder, um genau zu sein: halbnackte Männerkörper. Frauenkörper sind hingegen erstens gut bedeckt (alles andere wäre schließlich obszön) und zweitens primär dazu da, den Männerkörper zu produzieren, zu stützen und ihm zu dienen. Dem halbnackten Männerkörper wird in der Regel nicht der Kopf abgesägt, im Gegenteil, er ist, blutig am Kreuz hängend, das zentrale religiöse Objekt jedes Altars und damit der religiösen Verehrung in jeder Messe. Der Männerkörper nimmt zudem während des Hochgebetes die Form von Wein und Brot (meist eher fade Oblaten) an – diese werden nämlich in Leib und Blut Christi verwandelt (und von den Gläubigen verspeist, das nennt sich dann in religiösen Kontexten Transubstantation und überall sonst Psychose). Männer haben sich schon immer und überall auf der Welt die wahnwitzigsten Fantasy-Geschichten einfallen lassen um (1.) sich ihrer eigenen Wichtigkeit zu vergewissern und (2.) Frauen ihre Wichtigkeit abzusprechen und (3.) ihre Vorherrschaft als heilige Ordnung zu zementieren, weil ihr erfundener allmächtiger Wolkendaddy diese Ordnung so will.

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Wolkendaddy

Frauenkörper (Maria in dem Fall) dürfen den göttlichen Männerkörper zwar produzieren, aber sie dürfen bitte auf keinen Fall auch nur ansatzweise als Schöpferinnen dieses Körpers verstanden werden. Schöpfer dieses Körpers ist Wolkendaddy, die Frau ist nur Gefäß. Gezeugt wird der göttliche Männerkörper auch nicht durch eklige reale Menschenkörper mit ihren realen Menschengelüsten und ihrem realen Menschengestank und ihren realen Menschenkörperflüssigkeiten, sondern total entleiblicht und clean, indem ein Erzengel mit dem Zauberstab wedelt. Wobei, Zauberstäbe kommen zwar in vielen anderen Fantasy-Texten vor, Wolkendaddy braucht nicht mal den, sein Phallus ist ja allgegenwärtig und braucht nicht mal metaphorische Repräsentanz, er lässt nur verkünden, dass es halt jetzt so ist, was ist, und dass Maria jetzt nun eben schwanger ist mit dem heiligen Männerkörper, der bald für Jahrtausende halbnackt und sterbend und leidend vom Kreuz hängend, in Kirchen angebetet werden wird.

Das Problem ist jetzt aber Folgendes: Wenn es um den Fortbestand der menschlichen Spezies geht, ist der Beitrag von Frauen schwer zu negieren. Es sind schließlich Frauen, die neun Monate lang mit ihrem Körper andere Körper produzieren – unter Einsatz ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit – und diese Körper dann unter großen Schmerzen, oft mit großen Verletzungen, in Blut, Pisse und Scheiße durch ihre Vagina zur Welt bringen. Der männliche Beitrag zur Fortpflanzung (eine Ejakulation) ist im Vergleich dazu im besten Fall lächerlich.

Das konnte man natürlich nicht so stehen lassen.

Die Angst der kleinen Buben

Ein allmächtiger männlicher Schöpfer musste her, der entleiblicht und entweiblicht zeugt und der weibliche Körper, dieser unordentliche, schmutzige, unkontrollierbare, beängstigend mächtige (weil schöpferische) Körper musste verräumt werden. Verräumt aus der Geschichte, verräumt aus dem Blick. Er musste dringend abgewertet und entwertet werden, um seine Macht auszuhalten und vor allem weit weggebracht werden von allen Vorstellungen von Heiligkeit.

Die Geschichte der großen patriarchalen Weltreligionen ist die Geschichte der Angst von kleinen Buben vor großen Frauenkörpern und ihrer Macht. Die Geschichte der großen Weltreligionen ist die Geschichte der Angst von kleinen Buben vor der Realisation, dass sie ohne Frauen nicht da wären, weil jeder einzelne von ihnen durch eine Frau und ihre Genitalien auf die Welt gekommen ist. Die Geschichte der großen Weltreligionen ist die Geschichte der Mythologisierung dieser Angst.

Es ist also sehr bezeichnend, was Anfang Juli in Linz passiert ist. Es zeigt, was passiert, wenn ein Frauenkörper, ein schöpfender, weil gebärender Frauenkörper, doch in die Nähe von Heiligkeit gerückt wird und wieder ins Blickfeld verbracht wird

Übrigens: In der Telegram-Gruppe „Katholischer Widerstand“ hat sich ein User mit dem Namen „Held von Linz“ zum Täter erklärt. Eigentlich, so der Linzer Held, wollte er ursprünglich den Rumpf der schwangeren Statue absägen, aus Zeitgründen ging sich dann nur der Kopf aus (oje). Als Grund für seine Heldentat erklärt er, dass die Statue blasphemisch sei.

Ein Bub, der Angst vor Frauen hat eben.

Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Zur Autorin

Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.

Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.

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