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Das abgehobene Penthouse von Alfred Riedl

8 Min
Grafenwörths Langzeitbürgermeister Alfred Riedl fiel in der Vergangenheit mit umstrittenen Immobilien-Deals auf.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images, aquadrat.at, gedesag.at

Fragwürdige Grundstücks-Deals kosteten Alfred Riedl das Amt als Gemeindebund-Präsident. Nun wirft sein Luxus-Penthouse auf einem gemeinnützigen Wohnbau Fragen auf. Müssen die Mieter:innen Kosten für den Grafenwörther Bürgermeister mittragen?


Alfred Riedl bestand auf Apricot. In diesem Farbton erstrahlt die Fassade seines Penthouses. Auf knapp 500 Quadratmeter ließ sich der ÖVP-Bürgermeister von Grafenwörth einen Luxus-Bungalow auf das Dach einer gemeinnützigen Wohnhausanlage bauen. Die Farbe der Wohnhausanlage: Sand. Riedl lebt abgehoben. Nicht nur, was die Farbauswahl betrifft.

Denn sein Haus unterscheidet sich deutlich von den Wohnungen darunter: größere Fläche, höhere Räume, bessere Ausstattung. Riedl hat einen Whirlpool, eine Sauna, einen Kachelofen und eine Outdoor-Küche. Wir wissen das, weil sich das Bundesfinanzgericht intensiv mit Riedls Wohnung beschäftigte.

Riedl ist mit Hilfe der Gemeinnützigen Donau-Ennstaler Siedlungs-Aktiengesellschaft, kurz Gedesag, an das Dachgeschoss gekommen. Die ÖVP-nahe Wohnbaugesellschaft kaufte das Grundstück in bester Grafenwörther Lage. Der damalige Gedesag-Vorstandsvorsitzende ging mit Riedl einen Deal ein. Die Gesellschaft errichtet eine Wohnhausanlage, Riedl darf sich darauf ein Luxus-Penthouse errichten. Das profil berichtete vor zwei Jahren über das „bemerkenswerte Bauprojekt“.

Ein Stockwerk für den Bürgermeister

Doch es gibt neue Ungereimtheiten zu dem Geschäft. Wer was und vor allem wie viel gezahlt hat, ist unklar. Falter und WZ liegen Dokumente vor, die Fragen über die korrekte Verteilung der Grundstückskosten aufwerfen. Müssen die Mieter:innen der Wohnhausanlage das Penthouse ihres Bürgermeisters mitfinanzieren?

Die Geschichte spielt am Mühlplatz 2 in Grafenwörth. Sie beginnt vor sieben Jahren, im Jahr 2018. Damals erwarb die Gedesag ein 1.600 Quadratmeter großes Grundstück gegenüber dem Gemeindeamt von Grafenwörth. Die Wohnbaugesellschaft plante eine Wohnhausanlage mit zwölf Mietwohnungen auf zwei Stockwerken, drei Reihenhäusern und Tiefgarage. Gebaut wurde aber noch höher.

Der dritte Stock war komplett für Alfred Riedl reserviert. Er wollte darauf ein Penthouse mit aufwendiger Ausstattung verwirklichen. Riedl kennt sich mit Immobilien aus. Er und seine Familie besitzen zahlreiche Grundstücke in der Weinviertler Gemeinde – Wälder, Wiesen, Baugründe und Weingärten. Seine Immobiliengeschäfte brachten ihn im Sommer 2023 in die Schlagzeilen. Riedl verdiente aufgrund von Umwidmungen und dem Verkauf ehemaliger landwirtschaftlicher Gründe rund eine Million Euro. Die WZ-Headline „Dubai vom Weinviertel“ wurde zum geflügelten Wort. Die WZ enthüllte noch weitere, fragwürdige Grundstücks-Deals des Bürgermeisters. Sie kosteten Riedl das mächtige Amt des Gemeindebund-Präsidenten. An seinem Sessel im Gemeindeamt konnten die Skandale nicht rütteln. Bürgermeister ist er bis heute.

Riedls guter Draht zum Gedesag-Manager

Als solcher hat er seit 35 Jahren einen guten Überblick über Grundstücke am Markt und darüber, welche Bauprojekte in seiner Gemeinde geplant sind. In jenes am Mühlplatz, Projektname „Grafenwörth VIII“, war Riedl von Anfang an eingebunden. Zu verdanken hat er dies Alfred Graf. Graf war damals Gedesag-Vorstandsvorsitzender. Er war Obmann der Stadt-ÖVP in Krems, Riedl wiederum saß 20 Jahre als Abgeordneter für die Volkspartei im Niederösterreichischen Landtag. Die beiden Männer kennen sich gut. Bei den Weihnachtsfeiern der Gemeinde Grafenwörth stießen sie an. 2019 verlieh Riedl Graf eine Ehrenmedaille für sein Engagement im Wohnbau.

Denn die Gedesag ist in Grafenwörth groß im Geschäft. Sie baute Mietwohnungen und Reihenhäuser. Sie revitalisierte das Rathaus und verkaufte es der Gemeinde. Grafenwörth ist ihr Heimatrevier. In Niederösterreich zählt die Gedesag zu den größten Playern bei den Gemeinnützigen. Sie verwaltet 14.000 Objekte in über 122 Gemeinden. Als gemeinnützige Bauvereinigung ist die Gedesag dem Gemeinwohl verpflichtet. Sinn und Zweck des Unternehmens ist es, kostengünstige Wohnungen für die breite Bevölkerung zu bauen. Im Gegensatz zum freien Mietmarkt können die Preise nicht frei vereinbart werden. Sie sind gedeckelt. Die Gedesag darf also nicht mehr, aber auch nicht weniger verlangen, als die Kosten des Bauvorhabens ausmachen. Ein Vorhaben wie „Grafenwörth VIII“ ist jedoch ein Novum im Ort.

Schnäppchen für City-Baugrund

2019 kaufte Riedl 18,19 Prozent der Anteile der Liegenschaft am Mühlplatz 2. Der Bürgermeister durfte sich dafür auf dem gesamten dritten Stock der Wohnhausanlage auf knapp 500 Quadratmetern ausbreiten. Zwei Tiefgaragen-Parkplätze und ein Kellerabteil sind inkludiert. Riedl bezahlte 55.425 Euro für den Baugrund in bester Lage – Falter und WZ liegt der Kaufvertrag vor. Ein Schnäppchen, von dem viele träumen. Und bei dem sich viele Bürger:innen in Grafenwörth fragen: Wie geht das?

Für den Deal interessierte sich auch das Finanzamt, wie das profil 2023 aufdeckte. Denn Riedl wollte nur auf Basis der 55.425 Euro aus dem Kaufvertrag Grunderwerbsteuer zahlen. Das Finanzamt war da anderer Meinung. Die Beamten schätzten den Wert der Immobilie vielmehr auf 903.153,14 Euro. Sie schickten Riedl den Bescheid mit dem Betrag als Bemessungsgrundlage. Riedl legte Beschwerde ein, und bekam teilweise Recht.

2020 begannen die Bauarbeiten, ein Jahr darauf wurde die Wohnhausanlage fertiggestellt. Riedl baute sich „auf eigene Kosten“, wie es in dem Erkenntnis des Finanzgerichts stets heißt, sein Penthouse. Wie viel Riedl dafür bezahlt hat, ist nicht bekannt. Eine Anfrage von Falter und WZ an den Grafenwörther Bürgermeister blieb unbeantwortet. Bekannt hingegen ist, wie viel Riedl für „anteilige Gemeinschaftskosten“, also Kosten für Stiegenhaus, Aufzug, Anschlüsse etc. bezahlte. In einem „Sideletter“ zum Kaufvertrag sind diese Gemeinschaftskosten mit 77.313,30 Euro angegeben. Wie hoch die anteiligen Gemeinschaftskosten der anderen Wohnungen sind, teilt die Gedesag auf Anfrage nicht mit. Insgesamt bezahlte Riedl der Gedesag jedenfalls 133.000 Euro. Die Wohnbaugesellschaft sicherte ihm sogar zu, dass keine weiteren Baukosten oder sonstige zusätzliche Kosten an ihn verrechnet werden.

Intransparente Abrechnung

Das ist bemerkenswert. Denn bei gemeinnützigen Wohnbauten werden die tatsächlichen Kosten erst zwei bis drei Jahre nach dem Einzug übermittelt. Die Höhe der Miete kann sich noch ändern, wenn die Baukosten etwa höher liegen als ursprünglich geplant. Dies würde theoretisch auch Riedl betreffen, schließlich nutzt er viele Teile der Wohnhausanlage mit. Praktisch ist Riedl fein raus – dank der Zusicherung der Gedesag.

Im November 2023, zwei Jahre nach Fertigstellung, liegt die Bauendabrechnung in den Briefkästen der Mieter:innen am Mühlplatz 2. Sie gibt Aufschluss über die gesamten Baukosten, aber auch über die Grund- und Baukosten jeder einzelnen Wohnung. Falter und WZ liegt das Dokument vor. Die Grundkosten der zwölf Wohnungen, der drei Reihenhäuser und der beiden Geschäftsräume im Erdgeschoss (Post und Polizei) liegen zwischen 173 und 190 Euro pro Quadratmeter.

Riedls Penthouse ist nicht Teil der Endabrechnung. Er bezahlte 112 Euro pro Quadratmeter für seine Anteile. Die Mieter:innen zahlen ihre Anteile über den einmaligen Finanzierungsbeitrag, der jeweils der Hälfte der Grundkosten pro Wohneinheit entspricht und vor Mietbeginn bezahlt wird. Die restlichen Grund- und Baukosten der Gedesag zahlen die Mieter:innen über ihre monatliche Miete ab – bis die Kosten der Wohnhausanlage refinanziert sind. Offenbar tragen sie mit ihren Anteilen auch die Kosten von Riedls Penthouse mit. "Warum Herr Riedl deutlich weniger bezahlt als die Mieter:innen ist nicht nachvollziehbar", sagt ein Experte für gemeinnützigen Wohnbau, der nicht namentlich genannt werden will. Das Geschäft ist intransparent.

Untergrenze für Penthouse-Zuschlag

Doch nicht nur die Verteilung der Grundkosten erscheint fragwürdig. Das Nutzwertgutachten dürfte Riedl zumindest zugutegekommen sein. Dazu muss man kurz ausholen. Ein Nutzwertgutachten legt fest, welchen Miteigentumsanteil der Käufer einer Wohnung in einer Wohnhausanlage hat. Der Nutzwert gibt den Wert der Wohnung im Verhältnis zu den anderen Wohnungen in der Anlage an. Für Freiflächen wie Balkone und Terrassen gibt es Zuschläge, für eine Wohnung im Souterrain etwa Abstriche.

Das Gutachten setzte für Riedls Wohnung einen Zuschlag von 20 Prozent „infolge Ausstattung und Lage“ fest. Näher wird die Berechnung nicht ausgeführt. Ein Dokument der MA 25 in Wien gibt Aufschluss. Die Abteilung Technische Stadterneuerung hat Erfahrungswerte für die Ermittlung von Nutzwerten gesammelt. Die Angaben sind nicht verbindlich, aber sie stellen den aktuellen Stand der Nutzwertermittlung für ganz Österreich dar. Demnach wäre bei einer Lage wie Riedls Penthouse ein Zuschlag von bis zu 25 Prozent möglich. Für Terrassen sieht die Behörde 15 Prozent extra vor. Zusammen wären also bis zu 40 Prozent Zuschlag möglich. „Ein Zuschlag von nur 20 Prozent scheint mir jedenfalls höchstens die Untergrenze der Vertretbarkeit zu bilden“, sagt der Gemeinnützigkeitsexperte. Ob das Gutachten gegen die Grundsätze der Nutzwertermittlung verstößt, müsste laut dem Experten ein Sachverständiger prüfen.

Wir wollten wissen, ob das Gutachten im Sinne Riedls war und warum er einen viel geringeren Quadratmeterpreis als die Gedesag-Mieter:innen bezahlte. Riedl reagierte nicht auf unsere Anfrage. Den damaligen Gedesag-Manager, inzwischen in Pension, erreichen wir am Telefon. Er möchte nicht mehr belästigt werden. „Das ist alles geprüft worden“, sagt er. Er habe keinen Bedarf an einem Gespräch und legt auf. Sein ehemaliger Arbeitgeber schreibt ein langes Mail mit allgemeinen Informationen. Unsere Fragen werden nicht beantwortet. „Bei der Bearbeitung sämtlicher Anfragen haben wir die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten und können daher grundsätzlich keine Informationen zu einzelnen Rechtsgeschäften bereitstellen“, schreibt Gedesag-Vorstand Peter Forthuber. Die Einhaltung der Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes würden streng geprüft, so Forthuber weiter. Baufirma und Architekturbüro wollen Falter und WZ aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft zu Kosten oder Preisverteilung geben.

Zurück am Mühlplatz von Grafenwörth. Hier konzentriert sich das Leben von Alfred Riedl. Hier lebt und arbeitet er. Links das Gemeindeamt, rechts die Wohnhausanlage mit seinem Penthouse. Ein flacher Bungalow am Dach, etwas nach hinten versetzt. Abgehoben von den Bürger:innen. Das Apricot der Fassade strahlt in der Sonne.


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Infos und Quellen

Genese

Im Sommer 2023 deckte die WZ eine Reihe von umstrittenen Immobiliengeschäften des Grafenwörther Bürgermeisters und damaligen Gemeindebund-Präsidenten Alfred Riedl (ÖVP) auf. Das Thema Umwidmungen schlug in den Redaktionen des Landes auf, Riedl trat als Gemeindebund-Präsident zurück. Bürgermeister ist Riedl noch immer. Die ungewöhnliche Wohnsituation war Ausgangspunkt dieser Recherche.

Gesprächspartner:innen

  • Alfred Riedl, Bürgermeister von Grafenwörth, Anfrage nicht beantwortet
  • Peter Forthuber, Vorstand Projektentwicklung und Baumanagement, Gedesag (Gemeinnützige Donau-Ennstaler Siedlungs-Aktiengesellschaft)
  • Alfred Graf, ehemaliger Vorstandsvorsitzende der Gedesag
  • Mieter:innen
  • Baumeister Franz Schütz GesmbH
  • A quadrat Ziviltechniker GmbH & Co KG
  • Land NÖ, Abteilung Wohnungsförderung
  • Expert:innen zu Gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen
  • Staatsanwaltschaft St. Pölten

Daten und Fakten

  • Was sind gemeinnützige Bauvereinigungen?

Gemeinnützige Bauvereinigungen sind privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen. Im Gegensatz zu gewinnorientierten Unternehmen ist ihr Hauptziel die Schaffung von kostengünstigem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. Die Mieten gemeinnütziger Wohnungen sind kostengedeckelt. Das heißt, die Bauvereinigung darf in der Regel nicht mehr, aber auch nicht weniger verlangen, als die Kosten des Bauvorhabens ausmachen. Das unterscheidet sie zentral von den Marktmieten.

  • Wie viele gemeinnützige Bauvereinigungen gibt es in Österreich?

In Österreich gibt es 182 gemeinnützige Bauvereinigungen, die als Genossenschaften, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften agieren können. Sie verwalten rund eine Million Wohnungen (Miete und Eigentum) in Österreich. Der heimische gemeinnützige Wohnbau gilt als Best-practice-Beispiel für leistbaren Wohnraum. 2023 wurden 15.000 Wohnungen von gemeinnützigen Bauträgern fertiggestellt. Gemeinnützige Bauvereinigungen bauen überwiegend Wohnungen, die nach den Wohnbauförderungsgesetzen der Länder gefördert werden. Daher müssen für Miete oder Kauf einer Wohnung auch die Förderungsbestimmungen eingehalten werden.

  • Was bedeutet "gemeinnützig"?

Sie müssen dem Allgemeinwohl dienen und ihr Vermögen binden (WGG, §1, Abs. 2). Das – auch mit öffentlichen Mitteln aufgebrachte – und erwirtschaftete Kapital soll langfristig im Kreislauf erhalten bleiben und für Wohnbau eingesetzt werden. Deshalb dürfen sie nur beschränkt Gewinn ausschütten.

  • Wie werden sie kontrolliert?

Gemeinnützige Bauvereinigungen stehen unter staatlicher Aufsicht. Sie werden zudem vom Revisionsverband geprüft. Bauvereinigungen, die mehrheitlich im öffentlichen Eigentum sind, werden auch vom Rechnungshof geprüft. Laut Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz muss die Geschäftsführung und Verwaltung den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen (WGG, §23, Abs. 1).

  • Die Gedesag (Gemeinnützige Donau-Ennstaler Siedlungs-Aktiengesellschaft) wurde 1939 gegründet. Sie verwaltet heute über 14.000 Objekte in über 122 Gemeinden. Sie gilt als Platzhirsch in den Bezirken Krems und Tulln. Die Gedesag ist Mitglied der Arge Eigenheim, eines ÖVP-nahen Vereins gemeinnütziger Wohnbauträger. Eigentümer der Gedesag ist die Stadt Krems mit 99 Prozent und die Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgenossenschaft „Tullnbau“ mit 1 Prozent.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien