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Das Ende der Klebevignette

5 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Illustration: WZ, Bildquellen: Georg Renner, Adobe Stock

Mit dem Ende der Klebevignette ab 2027 setzt die Asfinag auf vollständige Digitalisierung – ihre stabilen Mauterlöse und hohen Dividenden werden zunehmend zum Faktor in der Budgetpolitik.


Feuerrot wird sie sein, zum Abschied. 2026 werden Autofahrer:innen zum letzten Mal eine Klebe-Vignette an ihrer Windschutzscheibe anbringen. Ab 2027 gibt es nur noch die digitale Vignette, die online direkt mit dem jeweiligen Kennzeichen gekoppelt ist. (Wenn nicht noch irgendeine Initiative „Rettet unsere Klebevignette!“ oder dergleichen revoltiert. So etwas soll ja schon vorgekommen sein.)

Bevor wir das vertiefen, ein kurzer Exkurs, falls du keine Ahnung hast, wovon ich spreche, weil du keinen Führerschein hast. (Für Landkinder wie mich ist das ja eine Horrorvorstellung – aber nachdem jedes Jahr nur ca. 80.000 Menschen den PKW-Führerschein (Klasse B) machen, ein durchschnittlicher Jahrgang der 18-Jährigen in Österreich aber im Schnitt über 90.000 Menschen umfasst, muss es da dann doch ein paar Leute geben, die keinen haben.)
Jede:r PKW-Fahrer:in in Österreich muss eine allgemeine Maut bezahlen, wenn er oder sie Autobahnen und Schnellstraßen des Bundes verwenden möchte. Die häufigste und günstigste Form für Ganzjahres-Nutzer:innen ist die Jahres-Vignette, auch „Autobahnpickerl“ genannt. Das kostet einmalig ein paar Dutzend Euro, man klebt es entweder auf die Scheibe oder registriert es digital. Fährt man ohne Vignette, registrieren das Kontrollor:innen und/oder automatisierte Kameras und man muss Strafe zahlen. Unangenehm.

Was sich mit dem neuen Jahr ebenfalls ändert: Der Preis. Die Ganzjahres-PKW-Vignette, die 2025 103,80 Euro gekostet hat, wird 2026 106,80 Euro kosten. Das ist seit vergangenem Mittwoch fix, denn da hat Verkehrsminister Peter Hanke im Einvernehmen mit Finanzminister Markus Marterbauer (beide SPÖ) die neue Vignettenpreisverordnung 2025 kundgemacht. Aber, keine Aufregung: Das ist alles Teil des Plans, genau die 2,6-Prozent-Inflationsanpassung (auf 10 Cent gerundet) nach dem Verbraucherpreisindex, wie sie in §12 Bundesstraßen-Mautgesetz vorgesehen ist. Nobody panics if it’s all going according to plan.

Jetzt hätte der Gesetzgeber natürlich sagen können:Mit all der Inflation verzichten wir heuer zumindest auf die Erhöhung der Maut, als Symbol für die Autofahrer:innen, die ja ohnehin schon die hohen Energiepreise und den Wegfall der Kompensation für die CO2-Abgabe schlucken müssen. Hätte.

Warum er – in Gestalt der schwarz-rot-pinken Koalition – das nicht getan hat, wird ein bisschen klarer, wenn man sich die Sonderauswertung der Finanzen der Autobahn-Betreibergesellschaft der Republik zu Gemüte führt, die der Budgetdienst des Parlaments am Freitag vorgelegt hat – auf Ansuchen des Budgetsprechers der Grünen, Jakob Schwarz.

Wie die Asfinag zum Budget beiträgt

Für mich wirklich bemerkenswert ist dabei diese Entwicklung:

Wir sehen hier: Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Dividende, die die Autobahngesellschaft des Bundes an den Finanzminister überweist, mehr als vervierfacht. Waren das 2017 nur spärliche 70 Millionen Euro, sollen es heuer und im kommenden Jahr für die Budgetsanierung schon mehr als 300 Millionen sein.

Dass hier Geld fließt, ist ja grundsätzlich nicht illegitim: Immerhin sind die Autobahnen und Schnellstraßen, die die Asfinag seit Ende des vorigen Jahrtausends zentral verwaltet, erhält und ausbaut, ja großteils mit Steuergeld errichtet worden. Außerdem haftet die Republik für die Schulden der Asfinag – was dieser relativ günstige Kredite ermöglicht.

Aber die Asfinag hat eben auch recht fixe Einnahmen – vor allem durch die Maut. 2,75 Milliarden Euro hat das Unternehmen 2024 an Mauterlösen eingenommen, zwei Drittel davon aus der (im Gegensatz zum Pkw) streckenabhängigen Lkw-Maut. Und das hat, abzüglich der Kosten vor allem für Erhaltung, Aus- und Neubau der Strecken, folgenden Effekt:

Jetzt ist das, wenn wir die Inflation mitdenken – also, dass das Geld in diesem Zeitraum etwa ein Drittel an Wert verloren hat -, nicht spektakulär; aber in Krisenzeiten immer noch beachtlich. Die Asfinag verzeichnet also vor Steuern seit einem Jahrzehnt Jahr für Jahr recht stabil einen Gewinn von etwa einer Milliarde Euro. Und nachdem sie nicht nur die Dividende, sondern davor auch noch Ertragssteuern abliefert, freut das auch den Finanzminister, der im Vorjahr rund 474 Millionen Euro aus diesen beiden Titeln eingenommen hat.

Heuer und kommenden Jahr sollen es eben noch einmal mehr werden. Die Chancen dafür stehen recht gut, und zwar aus diesem Grund:

Renner
© Screenshot

Diese Grafik zeigt uns, dass der Anteil, den Neu- und Ausbau an den Ausgaben der Asfinag ausmachen, 2025 im Vergleich extrem niedrig sein wird. Das liegt, in den Worten des Budgetdienstes, daran, „dass die Erweiterungen des Straßennetzes der ASFINAG in den letzten Jahren und im Bauprogramm vergleichsweise gering waren“.

Anders gesagt: Wir sehen hier den Beitrag der Grünen zur schwarz-rot-pinken Budgetsanierung. Denn unter der vorigen Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (nunmehr Chefin der oppositionellen Grünen) ist das Autobahn-Ausbauprogramm bekanntlich deutlich zurückgestutzt worden. Auch wenn die neue Regierung das jetzt wieder ändern sollte – Stichwort Lobautunnel – haben solche Bauprojekte meist eine Vorlaufzeit von ein paar Jahren.

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Ein Kopf auf gelbem Hintergrund

Einfach Politik.

Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.

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Und deswegen ist heuer ein vergleichsweise „guter“ Zeitpunkt, von der Asfinag eine höhere Dividende fürs Budget zu fordern: Die Einnahmen steigen ja durch die Valorisierung der Maut weiter – aber die Ausgaben für Neubau stagnieren. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird sich das übrigens drehen – wie man oben in der Grafik schon sieht, werden Erhaltungsarbeiten einen immer höheren Anteil ausmachen.

Immerhin, keine feuerroten Zahlen.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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