Die Gen Z fordert mehr vom Leben und vom Job. Doch statt Anerkennung hagelt es oft Kritik und Unverständnis von älteren Generationen. Die WZ zeigt, warum die Digital Natives nicht das Problem, sondern eine Chance für eine neue Arbeitswelt sind.
Sie gelten als faul, fordernd, verwöhnt und verweichlicht – ein ständiges Bashing, das die Generation Z ertragen muss. Die zahlreichen Medienberichte über die arbeitsfaulen, egoistischen und aufmüpfigen jungen Erwachsenen, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden, reißen nicht ab. TikTok-Videos von Influencer:innen, die unter Tränen die 40-Stunden-Woche anprangern und sich mehr Freizeit wünschen, fördern das Klischee einer Generation ohne Arbeitsmoral, die nicht bereit ist, die „Härte des Arbeitslebens“ zu akzeptieren. Doch während die einen bereits die Zukunft den Bach hinuntergehen sehen, fordert Autorin und Personalexpertin Pia Meier: „Schluss mit dem Jugend-Bashing!“ Sie sieht in der Generation Z nicht eine Gefahr für den Arbeitsmarkt und die Zukunft der Welt, sondern eine treibende Kraft für dringend nötige Veränderungen – auch in der Arbeitswelt.
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Ein Generationenkonflikt der besonderen Art
In der Menschheitsgeschichte haben stets die Älteren den Jüngeren Wissen weitergegeben. Und natürlich über sie genörgelt – auch der griechische Philosoph Platon gehörte dazu. Heutige Diskussionen sind hitzig und voller Missverständnisse, wenn es um die Ansichten der jungen Generation geht – doch was wirklich dahintersteckt, ist komplexer als ein pauschales Urteil über die „Verwöhntheit“ der jungen Generation. So hat etwa die Digitalisierung Eltern-Kind-Rollen in mancher Hinsicht umgedreht: „Erstmals ist es die junge Generation, die mit ihrem digitalen Wissen der Elterngeneration überlegen ist“, sagt Meier im Gespräch mit der WZ.
Die Gen Z, die in eine zunehmend digitalisierte Welt hineingeboren wurde, ist damit zur ersten Generation geworden, die das Internet und moderne Technologien als selbstverständlich nimmt – „digitale Muttersprachler“ nennt Meier sie. Diese jungen Menschen bewegen sich mit intuitiver Leichtigkeit durch digitale Systeme und zeigen dabei eine Effizienz, die für Ältere oft schwer nachvollziehbar ist. Daraus resultiert ein beachtlicher Wissensvorsprung besonders in digitalen Kompetenzen.
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Die Kehrseite dieses Vorsprungs ist eine wachsende Kluft zwischen den Generationen: Während Ältere intuitiv auf analoge und lineare Denkmuster zurückgreifen, zeichnen sich die Jungen durch digitale, nicht-lineare Zugänge aus. Dieser Generationengraben führt zu stark abweichenden Denk- sowie Verhaltensmustern – und somit zu Missverständnissen.
Mehr als nur Arbeit
Pia Meier sieht in den Wünschen und Ansprüchen der Generation Z keinen Rückschritt, sondern eine Bereicherung für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Während sich frühere Generationen oft in die bestehenden Strukturen und Erwartungen einfügten, fordert die Generation Z einen anderen Zugang zur Arbeitswelt. Sie hinterfragt klassische Arbeitsmodelle und sucht nach neuen Wegen, um Selbstbestimmung, Flexibilität und Sinnhaftigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir dürfen nicht erwarten, dass die jungen Menschen sich an überholte Modelle anpassen“, erklärt Meier. Stattdessen sei es an der Zeit, das Arbeitsleben im Sinn dieser neuen Werte umzugestalten. „Die Generation Z will sich mit ihrer Arbeit identifizieren, statt sich in einem 40-Stunden-Trott zu verlieren, der ihre Lebensqualität bedroht.“
Eine Generation mit Potenzial
Für die Generation Z ist es nicht attraktiv, das eigene Leben der Arbeit unterzuordnen: „Diese Generation will ihr Arbeitsleben so gestalten, dass sie auch Raum für Familie, Freunde und persönliche Interessen hat“, sagt Meier. Das bedeute nicht, dass die Generation Z keine Leistung erbringen will, sondern, dass sie ihre Zeit und Energie effizienter einsetzen möchte. In Meiers Augen sind diese Ansprüche nicht egoistisch, sondern ein Versuch, berufliches und privates Leben in eine gesunde Balance zu bringen. Während frühere Generationen mit einer 40-Stunden-Woche aufwuchsen, ist die Generation Z überzeugt, dass sich viele Aufgaben mit 30 Stunden pro Woche erledigen lassen – ohne dabei an Produktivität zu verlieren. „Ich denke, man sollte ihnen die Möglichkeit geben, das auszuprobieren, anstatt ihnen vorzuschreiben, wie die Arbeitswelt auszusehen hat,“ sagt Meier. „Die jungen Leute sind technisch versiert, klug und einfallsreich. Sie können Lösungen oft in kürzester Zeit entwickeln. Wenn wir ihnen die Chance geben, neue Modelle auszuprobieren, profitieren beide Seiten“, sagt Meier aus Erfahrung.
Die Polykrise als prägender Faktor
Die Forderung der Generation Z nach einem neuen Umgang mit Arbeit wurde maßgeblich durch die globalen Krisen der letzten Jahre beeinflusst. Die jungen Erwachsenen sind mitten in einer „Polykrise“ aufgewachsen – einer Zeit multipler Krisen, die von der Corona-Pandemie über den Klimawandel bis hin zu wirtschaftlicher Instabilität reicht. Für viele der Gen Z sind diese Krisen Teil ihres Alltags und prägen ihre Werte und Prioritäten. Meier ist überzeugt: „Diese jungen Menschen sehen die Welt anders, weil sie tagtäglich mit Unsicherheiten konfrontiert sind.“ Sie streben danach, ihre Lebenszeit sinnvoll zu nutzen und ihre Arbeit in Einklang mit den großen Herausforderungen ihrer Zeit zu bringen. Auch Nachhaltigkeit ist für sie ein zentraler Wert, der sich in ihrem beruflichen und persönlichen Leben widerspiegeln soll.
Pia Meier sieht die Gen Z als Verkörperung eines tiefergehenden Wertewandels. Für sie steht fest, dass das Potenzial der jungen Generation nicht in ihrer Anpassungsfähigkeit, sondern in ihrer Fähigkeit zur Veränderung liegt.
Ein gemeinsamer Weg in die Zukunft
Für Meier liegt die Stärke der Generation Z in ihrem Mut, Arbeit und Leben neu zu definieren. Ihre „Andersartigkeit“ ist nicht nur ein Zeichen des Fortschritts, sondern ein wertvoller Impuls für die gesamte Gesellschaft. Die junge Generation zeigt, dass das Leben mehr ist als nur Arbeit – und dass Selbstbestimmung und Flexibilität im Beruf ein Recht sein sollten, keine Ausnahme.
Indem sie auf diese neuen Werte eingehen, können Unternehmen nicht nur ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern, sondern auch langfristig von einer motivierten, selbstbewussten und engagierten Belegschaft profitieren. Eine neue Arbeitswelt, die flexibel, sinnhaft und nachhaltig ist, könnte der Schlüssel für eine bessere Zukunft sein.
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Infos und Quellen
Genese
Im Rahmen des WZ-Engage-Events hatte WZ-Redakteurin Verena Franke die Gelegenheit, zahlreiche Vertreter:innen der Generation Z kennenzulernen. Diese jungen Erwachsenen zeichneten sich durch eine bemerkenswerte Motivation, ein hohes Maß an Engagement und eine ausgeprägte Toleranz gegenüber unterschiedlichen Meinungen aus. Ihre Offenheit und ihr kritisches Denken standen im Kontrast zu den Vorurteilen, mit denen diese Generation konfrontiert wird. Diese Begegnungen brachten Franke dazu, sich näher mit dem weitverbreiteten „Jugend-Bashing“ auseinanderzusetzen.
Gesprächspartnerin
Pia Meier sitzt an einer Schnittstelle der Generationen: Sie arbeitet als Personalchefin eines mittelständischen deutschen Industrieunternehmens und kümmert sich um die Belange der jungen Auszubildenden sowie der erfahrenen Kolleg:innen. Neben ihrer Tätigkeit als Autorin ist sie Lehrbeauftragte an der Technischen Hochschule Mittelhessen.
Daten und Fakten
Anfang 2024 lebten in Österreich etwa 1,5 Millionen Angehörige der Generation Z, d. h. sie wurden zwischen 1995 und 2010 geboren.
Bei einer von November bis Dezember 2022 in Österreich durchgeführten Umfrage zu Identitätsfaktoren waren 60 Prozent der GenZs Freunde und Familie wichtig. Gleich danach folgt der Stellenwert der Gesundheit mit 58 Prozent. Die größten Sorgen der GenZs sind die Lebenshaltungskosten und der Klimawandel.
Am aktivsten ist die junge Generation auf WhatsApp (88 Prozent), YouTube (84 Prozent), Instagram (80 Prozent), Snapchat (60 Prozent), Facebook (52 Prozent) und TikTok (43 Prozent). Rund 63 Prozent der Befragten nutzen soziale Medien als primäre Informations- und Inspirationsquelle.
„Die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“, nörgelte Sokrates’ Schüler Platon. Und als Platons Zögling Aristoteles erwachsen war, sah es noch düsterer aus: Er verzweifle an der Zukunft der Zivilisation, wenn er die Jugend sehe, wird der Philosoph zitiert.
Quellen
Interview mit Pia Meier
Pia Meier: Schluss mit dem Jugend-Bashing − Warum unsere Gesellschaft optimistisch in die Zukunft schauen kann, Verlag Orgshop GmbH, 2024, 156 Seiten, ca. 29 Euro.
Top Leader: Österreich-Studie zur Generation Z
Das Thema in anderen Medien
Die Rheinpfalz: Ist die Gen Z eine Generation von Egoisten?
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