Wie schneidet das österreichische Pensionssystem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ab?
In zweieinhalb Wochen ist Nationalratswahl – und aus meiner Sicht scheint mir eine der bemerkenswertesten Lücken im Wahlkampf eine Diskussion über das österreichische Pensionssystem zu sein. Mit Ausnahme der Neos, die hier tatsächlich eine umfassende Reform anstreben, haben sich offenbar alle Parteien damit abgefunden, den Elefanten im Raum zu ignorieren.
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Ich weiß, wir hatten das Thema hier ja erst unlängst, als die scheidende türkis-grüne Koalition angekündigt hat, um wieviel sie die aktuellen Pensionen erhöhen wird. Aber diesen Mittwoch hat das Wirtschaftsinstitut Eco Austria eine im Auftrag von der Erste Stiftung und Vienna Insurance Group erstellte Studie vorgestellt, die unseren Elefanten vermisst – und, noch wichtiger: mit Pensionssystemen im Ausland vergleicht.
Bevor wir uns das näher anschauen, noch schnell unsere Ausgangslage:
Ihr kennt diese Grafik schon aus früheren Newslettern, aber sie ist nun einmal wichtig: Wir sehen hier die Zusammensetzung der Ausgaben, die der Bund 2024 plant – in Summe mehr als 123 Milliarden Euro, denen nur Einnahmen von rund 100 Milliarden gegenüberstehen. Und der weitaus größte einzelne Brocken, für den wir da Steuergeld in die Hand nehmen, heißt „Pensionsversicherung“ – das ist der dunkelrote Block links oben, und er allein macht an die 17 Milliarden Euro aus.
Das sind natürlich nicht die gesamten ausgezahlten gesetzlichen Pensionen in Österreich (das waren 2023 etwa 50 Milliarden Euro, wie es im Jahresbericht der Sozialversicherungen steht), sondern „nur“ der Beitrag dazu, der aus dem Budget kommt. Das österreichische gesetzliche Pensionssystem (die „alten“ Beamtenpensionen, die komplett aus dem Budget kommen und noch einmal 13 Milliarden umfassen, lassen wir einmal beiseite) ist ein gemischtes Umlagesystem: Das Geld, das bei den derzeitigen Erwerbstätigen per Sozialversicherungsbeitrag einkassiert wird, wird direkt an die Pensionist:innen ausgezahlt. Die Beiträge reichen aber nicht, um die Auszahlungen komplett zu decken – weswegen der Bund die Differenz, rund ein Drittel, aus dem Budget deckt, um die Pensionshöhe zu garantieren.
Dass die Zukunftsaussichten dieses Systems nicht besonders rosig ausschauen, weil mit der Pensionierung der Babyboomer:innen-Generation in den nächsten Jahrzehnten weit mehr Pensionist:innen auf eine im besten Fall gleichbleibende Zahl von Erwerbstätigen kommen werden, haben wir an dieser Stelle schon mehrmals besprochen. Das wird der neue Nationalrat nicht nur in den nächsten Budgets spüren, Ende des Jahres wird auch die Alterssicherungskommission, die den Bund in diesen Angelegenheiten berät, ein neues Langfristgutachten vorlegen – ihre Chefin Christine Mayrhuber hat zuletzt dann doch recht klar angedeutet, dass darin kein entspanntes „das wird sich schon ausgehen“ stehen wird.
Ob die Politik danach handelt, wird sie selbst entscheiden müssen – immerhin stellt die steigende Zahl der Pensionist:innen auch einen signifikanten Teil des Elektorats. Aber wenn sie dann doch über eine Reform nachdenkt, sollte sie die erwähnte neue Studie unbedingt zur Hand nehmen. (Dass einer der Auftraggeber, VIG-Chef Hartwig Löger, bis 2019 selbst Finanzminister war und in dieser Zeit auch nichts von einer Pensionsreform wissen wollte, lassen wir jetzt einmal beiseite.)
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Die Ökonom:innen von Eco Austria haben sich die Pensionssysteme elf europäischer Staaten von Austria bis United Kingdom angeschaut, Stärken und Schwächen analysiert, best (und worst) practices herausgearbeitet und in einem allgemeinen Pensionsindex nach Kriterien wie Nachhaltigkeit, Leistungshöhe, Umverteilungsfaktor oder Krisensicherheit bewertet. Das 334 Seiten lange Ergebnis kann sich sehen lassen. Es verweigert sich schnellen Antworten und eindeutigen Handlungsempfehlungen – wohl auch im Wissen, dass Fragen wie jene, ob man ein Umlagesystem hat oder stattdessen auf dem Wertpapiermarkt veranlagte, hunderte Milliarden schwere Pensionsfonds setzt, auch ein ideologisches Minenfeld darstellen.
Das gesagt habend: In der Gesamtwertung nach den genannten Kriterien liegen die kapitalbasierten Pensionssysteme in Dänemark und Schweden weit voran:
Das gilt besonders, wenn man sich die Nachhaltigkeitskriterien („Sustainability“) anschaut, wo Schweden (hier sind sowohl staatliche als auch betriebliche Pensionssysteme kapitalgedeckt) quasi die Bestnote bekommt:
Auch das kann man natürlich kritisch sehen – nicht zuletzt, wenn man bedenkt, dass hinter der Studie eine Versicherung und eine Bankenstiftung stehen, die naturgemäß auch ein Interesse an einem lebendigen Kapitalmarkt haben. Aber wenn es in den nächsten Monaten und Jahren ein Interesse an einer Pensionsreform geben sollte – und das wird sich angesichts budgetärer Zwänge wohl aufdrängen –, ist die Studie ein exzellenter Ausgangspunkt für eine Diskussion.
Falls ihr keine Zeit habt, die ganzen 300+ Seiten zu lesen, würde ich zumindest einen Blick auf Seite 38 (Seite 50 im PDF) empfehlen, wo die Stärken und Schwächen des österreichischen Systems übersichtlich zusammengefasst sind. Erkenntnisse wie „the overall pension system shows, however, medium to low results in terms of sustainability“ sollten Grundlage jeder Debatte hierzulande sein.
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Infos und Quellen
Genese
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Quellen
Eco Austria: Pension systems in Europe: challenges and best practices
Bundesministerium Finanzen: Budget 2024
sozialversicherung.at: Jahresbericht der österreichischen Sozialversicherung
Der Standard: Sichere Pensionen? "Die Regierung muss das Problem unbedingt anpacken"