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Auf dem 1866 in der Seeschlacht von Lissa von den Österreichern versenkten italienischen Panzerschiff „Re d`Italia" soll sich ein Goldschatz befinden. Geborgen wurde er bis dato nicht. Die WZ hat sich vor Ort umgesehen.
Im Fährhafen der kroatischen Insel Vis ist es drückend heiß. Unbeachtet steht auf dem nahegelegenen Friedhof das mit einem ruhenden Löwen geschmückte Denkmal für die österreichischen „Helden“ des Jahres 1866. Es ehrt jene Soldaten und Matrosen, die in den Gewässern vor der Insel, die damals Lissa hieß, eine überlegene italienische Kriegsflotte besiegt haben.
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Heute ist kein Kanonendonner ist zu hören, nur die Grillen veranstalten lautstark ihr Konzert. In der Bar „Bejbi“ nippen Touristen-Pärchen und Einheimische an ihren Drinks, aus den Boxen tönen Hits aus den 70er-Jahren. Die Schlacht ist lange her, für einige auf Vis geht der Kampf aber weiter.
Für Lorenzo Marovic etwa: Er ist Senior-Chef der Tauchschule „Manta“, die auf der anderen Seite der Insel beheimatet ist. Ich telefoniere mit ihm und frage nach der Seeschlacht vor 157 Jahren – und werde sofort mit einem Wutanfall konfrontiert: Er, Marovic, sei ein Opfer unfairer politischer Machenschaften, bellt er in den Hörer, er habe sich jetzt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewandt und die Wahrheit werde zuletzt doch noch zutage treten.
Streitpunkt ist die „Re d`Italia“, das italienische Flaggschiff, das im Verlauf der Schlacht von den Österreichern gerammt und versenkt worden war. 2005 wurde das Wrack in einer Tiefe von 110 Metern von einer französisch-kroatischen Forschergruppe unter Leitung des späteren Kulturministers Jasen Mesic gefunden und eindeutig als Überrest des einstigen Stolzes der italienischen Marine identifiziert. Und das ist es, was Marovic auf die Palme bringt: Er will das Wrack schon viel früher gefunden haben. Jetzt nimmt das Verdienst der Entdeckung ein anderer für sich in Anspruch. Was den Kroaten aber besonders schmerzt, ist die Tatsache, dass ihm nach geltender Gesetzeslage ein Finderlohn in der Höhe von zehn Prozent zustehen würde. Marovic will konkrete Hinweise darauf haben, dass sich auf der Re d‘Italia ein Safe befindet, in dem Goldmünzen im Wert von vielen Millionen Euro liegen.
Ein Zufallsfund
Er sei zufällig auf das Wrack gestoßen, als er auf der Suche nach Roten Korallen war, sagt Marovic. Mit solchen Korallen lässt sich gutes Geld machen. In mehr als hundert Metern Tiefe, dort, wo nur noch Tauchprofis hinkommen, habe er die metallenen Überreste der Re d‘Italia gesehen und zunächst für „Müll aus der Vergangenheit“ gehalten, wie er gegenüber der WZ einräumt. Auch die Fischer von Vis wussten lange vor 2005, dass sich sieben nautische Meilen vor der Küste etwas Ungewöhnliches befindet. Wer dort seine bis zum Meeresboden reichenden Netze auswarf, konnte sie nicht mehr einholen, weil sie sich an etwas verfangen hatten. Es war auch ein Fischer, der der französisch-kroatischen Expedition den entscheidenden Hinweis gab, wo sie suchen sollten.
Marovic hingegen schwört weiterhin Stein und Bein, das Schiff als erster entdeckt zu haben. Doch reichen die Beweise nicht. Einen Prozess in Split gegen das kroatische Kulturministerium hat er verloren.
Marovic hat im Jahr 2018 eine Expedition organisiert, um das Wrack der Re d‘Italia unter Einsatz modernster Methoden zu dokumentieren. Zu sehen sei auf den Unterwasser-Fotos ein „Safe, der sich an Deck befindet und der den Umfang 2 mal 2 mal 1,5 Meter hat“, sagt er. „Bedeckt ist der Schrank mit einem Fischernetz.“ Das könnte darauf hinweisen, dass die Kiste noch ungeöffnet ist. Der Kroate ist sicher, dass der Safe Gold enthält, und hat dabei mehr denn je den Finderlohn vor Augen. Er geht davon aus, dass die Italiener, die das österreichische Lissa 1866 erobern wollten, geplant hatten, sofort nach der Landung ein Bankensystem zu etablieren. Gewisse Historiker würden diese These stützen, sagt er. Auch wähnt Marovic das internationale Seerecht auf seiner Seite, wonach der kroatische Staat gar kein Anrecht auf das Wrack hat, weil die Re d`Italia im Besitz Italiens wäre.
Oft nur Hirngespinste
Die Ambitionen des Tauchprofis von Vis sind gar nicht so ungewöhnlich: Die Suche und die Bergung versunkener Schätze sind mancherorts tatsächlich ein eigener Wirtschaftszweig. International gibt es Firmen, die sich darauf spezialisiert haben – etwa das US-amerikanische Unternehmen „Odyssey Marine Exploration“. Häufig handelt es sich bei den von den professionellen Suchern behaupteten Funden um Hirngespinste. Manchmal aber werden tatsächlich Kostbarkeiten gefunden. Wie etwa im Fall der im frühen 18. Jahrhundert vor der kolumbianischen Küste gesunkenen spanischen Galeone „San José“, die Tonnen an Gold geladen haben soll und wo nun Unterwasser-Fotos veröffentlicht wurden, auf denen tatsächlich Goldmünzen zu sehen sind. Oder die „SS Central Amerika“, die 1857 vor der US-Küste sank und die mit einer Unmenge an Goldmünzen und Barren beladen war, die ab den 1980er-Jahren geborgen werden konnten: der größte Schatz, der in der US-Geschichte jemals gefunden wurde, wie es heißt.
Überall liegen Relikte
Lorenzo Marovic wird von manchen Bewohnern auf Vis belächelt, andere halten es für möglich, dass er Recht hat. Antonio etwa, der entspannt neben einer kleinen Hütte sitzt, in der Sauerstoffflaschen gestapelt sind, die der Tauschschule „Anma“ gehören. Sicher weiß der Tauchlehrer, der in Zadar Geschichte und Archäologie studiert hat, dass rund um das Wrack der Re d‘ Italia zahllose Gegenstände verstreut liegen, die von beträchtlichem historischem Interesse sind: Uhren, Waffen, die Schiffsglocke, Gebrauchsgegenstände. Sie zu bergen ist nicht erlaubt und wäre extrem aufwendig, so Antonio, der in der Vergangenheit eine Expedition zu dem Wrack mitorganisiert hat.
Andrija Joncic, der auf Vis aufgewachsen ist und die lokale Touristeninformation leitet, hat eine eigene Theorie: „Da war einmal Gold“, glaubt er. Allerdings sei die Stelle, wo das Wrack der Re d‘ Italia liegt, nicht zu überwachen, weshalb der Schatz längst von Räubern entwendet worden wäre. Und fragt man genauer nach, teilen auch andere auf den umliegenden Inseln diese Meinung. Piotr Kudelko ist da vorsichtiger: Für den Polen und Manager der Tauschschule „Nautica“ ist und bleibt alles ein „Mysterium“. Er führt einen Freund an, der zur Re d‘ Ìtalia hinabgetaucht sei und dort an Deck ganz klar einen Gegenstand habe erkennen können, der einem Safe ähnlich gewesen wäre. Dennoch: „Was da drinnen ist, weiß niemand.“ Der angebliche Schatz, er ist bis jetzt nicht mehr als ein Phantom.
Tauchverbot
Kudelko erinnert daran, dass in den Gewässern vor Vis, wo sich zahlreiche Schiff- und Flugzeugwracks befinden, prinzipiell nur in Begleitung von Tauchlehrern getaucht werden darf, die einer der fünf offiziell lizensierten Tauschschulen von Vis angehören. Immer wieder kommt es vor, dass sich Taucher auf eigene Faust aufmachen, um Wracks zu erkunden, die es hier in großer Zahl gibt. Das wird von den Tauchschulen, so es gesehen wird, gemeldet, worauf die Behörde tätig wird und den illegalen Tauchern die Erlaubnis entzieht.
Der Ort, wo die Re d‘Italia liegt, ist Tauchverbotszone, die Einhaltung wird vom zuständigen kroatischen Ministerium streng kontrolliert. Wer dort hinunter will, muss um eine Genehmigung ansuchen, die nur schwer zu erhalten ist; schließlich ist die Re d‘Italia als historisch wertvoll klassifiziert und Unesco-Welterbe. Nichts darf berührt oder an die Wasseroberfläche gebracht werden. Zudem handelt es sich um ein Massengrab – 389 Matrosen gingen mit dem Schiff unter –, die Totenruhe ist zu respektieren. Zuletzt wurde an dem Wrack eine Gedenktafel montiert. Bei jeder der seltenen Unterwasser-Expeditionen wacht ein Supervisor des zuständigen kroatischen Ministeriums mit Argusaugen darüber, dass alle Vorschriften eingehalten werden.
Schatzjäger liefern sich Wettlauf
Die kroatischen Behörden wollen der Re d‘Italia das Schicksal anderer Wracks ersparen, die von Raubtauchern geplündert wurden. Zuletzt stand im August ein Deutscher vor Gericht, der vor Mallorca ein antikes Schiff ausgeräumt haben soll – ihm drohen zwei Jahre Haft. Ein Wrack aus dem 16. Jahrhundert vor der kroatischen Insel Gnalic mit kostbarer und historisch wertvoller Fracht an Bord wird seit Jahren systematisch geplündert. In der Nähe von Borneo sind ganze Wracks der niederländischen Marine aus dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. Das Metall ist wertvoll, es wird etwa für die Herstellung medizinischer Geräte gebraucht. Es gibt Schätzungen, dass weltweit 3.000 unentdeckte Schiffswracks auf dem Meeresboden liegen. Glücksritter und Souvenirjäger liefern sich ein Wettrennen.
Auch in den Gewässern vor Vis werden immer wieder Taucher erwischt, die ohne Begleitung und Aufsicht unterwegs sind. Wie viele Souvenirjäger darunter sind, kann nicht abgeschätzt werden. Mit Sicherheit sind es einige.
Marovic muss immer wieder „wild“ Tauchende vor Vis verjagen. Er selbst sieht sich als Betrogener, als um sein Verdienst als Entdecker und seinen gerechten Anteil Geprellten. Ruhm und Glorie hat die Schlacht bei Lissa nur Wilhelm von Tegetthoff, damals Konteradmiral der österreichischen Kriegsmarine, eingebracht, der zwei italienische Schiffe versenkte – die Re d‘Italia und das Panzerschiff „Palestro“. Nach dem Sieg wurde Tegetthoff zum Vizeadmiral befördert, mit dem Kommandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet und mit einem Denkmal am Wiener Praterstern gewürdigt. Wer sich dieses genau ansieht, der erkennt an der Säule Schiffsenden mit Rammsporn, über denen Engel mit Siegeskranz schweben. Schlimm getroffen hat es jedenfalls Tegetthoffs italienischen Gegenspieler, den Admiral und Grafen Carlo Pellion di Persano, der, wegen Inkompetenz aller Ämter und Würden beraubt, 1883 verbittert gestorben ist.
Kroatischer Held
Auch die Kroaten haben ihren Helden. Vor der Explosion der „Palestro“ hatte der Steuermann Nikola Karkovic die Kriegsflagge des Schiffes in einem Husarenstück erbeuten können und sie Tegetthoff überreicht. 80 Prozent der an der Schlacht beteiligten Österreicher waren Kroaten, viele davon stammten aus der Umgebung von Lissa.
Karkovic ist heute auf einem Schlachtgemälde, das im Speiseraum des Hotels „Tamaris“ auf Vis zu sehen ist, neben dem Porträt des österreichischen Helden Tegetthoff abgebildet. Doch das ist nur ein weiteres Detail, das Lorenzo Marovic nicht über das, was er als Missachtung seines persönlichen ideellen und materiellen Verdienstes an der Schlacht von Lissa empfindet, hinwegtrösten kann. Aufgeben will er nicht: Die Zeit, sagt er, sei auf seiner Seite und werde, wie das immer ist, die Wahrheit ans Licht bringen. Immerhin darf er mit Fug und Recht behaupten, in den Gewässern vor Vis gemeinsam mit seinem Sohn als erster ein im Zweiten Weltkrieg abgestürztes US-Flugzeug gefunden zu haben.
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Infos und Quellen
Genese
Die kroatischen Urlaubsinseln vor Split sind bekannt, umso größer war bei Michael Schmölzer die Überraschung, dass es sich bei einer davon, Vis, um das historische Lissa handelt. Das kleine Eiland ist untrennbar verbunden mit „dem“ österreichischen Kriegshelden schlechthin, Wilhelm von Tegetthoff. Ein zufälliger Besuch auf Vis just am 20. Juli 2023, dem Jahrestag der Schlacht, war Anlass für Schmölzer, dem blutigen Ereignis nachzuspüren und das Verhältnis, das die Menschen heute dort dazu haben, zu beschreiben.
Gesprächspartner
Antonio, Tauchlehrer, Historiker und Archäologe, machte einen so relaxten Eindruck, dass der Nachname nicht mehr wichtig schien und deshalb auch im Artikel nicht aufscheint.
Piotr Kudelka, Manager der Tauchschule „Nautica“, schien zuerst nicht sicher, was er mit dem ihm nicht bekannten Journalisten, der unangemeldet in sein Büro platzte, anfangen sollte. Dann aber gab er bereitwillig Auskunft, auch über die Schönheit des Tauchparadieses Vis.
Andrija Joncic hatte Zeit und Muße für Erzählungen, da um die brennend heiße Mittagszeit im Büro seiner Touristeninformation nichts los war.
Es war nicht leicht, mit Lorenzo Marovic, dem Seniorchef der Tauchschule „Manta“, der behauptet, die „Re d‘Italia als erster entdeckt zu haben, ins Gespräch zu kommen. Schließlich gelang es doch per Telefon. Marovic hat der WZ angeboten, gemeinsam in einem U-Boot zu dem Wrack hinabzutauchen. Allerdings blieb die Frage der Finanzierung des Unterfangens ungeklärt, die Aktivität wurde auf später verschoben.
Daten und Fakten
Die Seeschlacht von Lissa fand am 20. Juli 1866 statt und dauerte rund vier Stunden. Dann konnte man vor lauter Pulverdampf nichts mehr sehen, auch war die Munition verschossen und die Kohle für die Kessel aufgebraucht. Die Italiener verloren 600 Mann und zwei Schiffe, wobei ein drittes im Hafen von Ancona als Folge der Kämpfe sank. Die Österreicher hatten 35 Tote zu beklagen.
Quellen
Ausgabe in der Wiener Zeitung vom 23. Juli 1866: Der Sieg wird gefeiert