Alle Verpackungen sollen laut EU bis 2030 recyclingfähig sein. Eine Herausforderung für die Mitgliedstaaten, besonders bei der Kunststoff-Wiederverwertung.
Dieter Schuch, Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Altstoff Recycling Austria (ARA), erklärt im Interview, worauf es beim Sammeln ankommt und wo die Probleme liegen.
Wir sammeln fleißig Plastikverpackungen im gelben Sack beziehungsweise in der gelben Tonne – wieviel davon wird wirklich verwertet?
Verwertet wird alles, nämlich auch thermisch, aber recycelt werden nur rund 50 Prozent der enthaltenen Kunststoffe.
Das heißt, die Hälfte der Plastikverpackungen, die ich als Konsumentin sammle, wird recycelt?
Ja.
Warum sammeln wir nicht gezielter nur bestimmte Kunststoffarten, die man derzeit wirklich recyceln kann?
Nur, wenn wir möglichst viele Verpackungen getrennt sammeln, können die zukünftigen Recyclingziele erreicht werden. Alle Materialien, die derzeit noch nicht von den Sortierautomaten aussortiert werden können, nennt man Bandüberlauf. Um diesen Bandüberlauf zu reduzieren, müssen wir Verpackungen zukünftig so gestalten, dass diese den sogenannten Design-for-Recycling-Kriterien entsprechen, und damit auch richtig erkannt werden können. Gleichzeitig arbeiten wir an neuen Technologien, mit denen Sortieranlagen noch effizienter sortieren können. Eine Einschränkung wäre daher kontraproduktiv, da Verpackungen in Zukunft generell recyclingfähig gestaltet werden sollen beziehungsweise zukünftige Sortieranlagen noch effizienter sortieren werden.
Warum ist es so schwierig, Kunststoffverpackungen zu recyceln?
Die Verpackungen bestehen oft nicht nur aus einem, sondern aus mehreren Kunststoffarten, die nicht leicht zu trennen sind. Unsere Sortieranlagen sind in die Jahre gekommen, und es wird laufend an neuen Technologien gearbeitet. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen. Die PET-Flasche aus Polyethylenterephthalat hat einen Stöpsel aus Polypropylen. Es sind also zwei unterschiedliche Materialien. In diesem Fall macht das nichts, weil man mittels Schwimm-Sink-Verfahren die beiden Stoffe gut trennen kann. Die Flasche hat eine Dichte von größer als 1 und der Stöpsel hat eine Dichte von unter 1. Würde man aber den Stöpsel aus Polystyrol machen, so hat diese Kunststoffart dieselbe Dichte wie die Flasche. Das würde sich vermischen und das, was herauskommt, wäre unbrauchbar für die Wiederverwendung. Was ich damit sagen will: Es muss nicht zwingend nur eine Kunststoffart verwendet werden, aber man muss wissen, wie es recycelt werden kann.
Es gibt schon sehr viele Verpackungen, die aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzt sind. Oft ist Papier dabei, und man hat den Eindruck, es ist dann besser für die Umwelt. Ist das so?
Neue, vermeintlich besser recycelbare Verpackungen sind es oft gar nicht. Prinzipiell gilt: je weniger unterschiedliche Materialien in den Verpackungen, desto besser.
Bei Plastikverpackungen liegt die Recyclingquote in Österreich derzeit bei 25 Prozent. Das heißt, ein Viertel des Plastikverpackungsaufkommens in Österreich wird recycelt. Die Europäische Union verlangt bis 2025 eine Quote von 50 Prozent. Was genau passiert derzeit bei uns, um dieses Ziel zu erreichen?
Wir haben die Sammlung ausgeweitet. Seit Jänner werden in Österreich alle Kunststoffverpackungen im gelben Sack beziehungsweise in der gelben Tonne gesammelt. Wir erweitern und bewerben laufend unsere Mülltrennungs-App Digi-Cycle, und wir bauen neben unseren 15 Sortieranlagen neue, unter anderem eine in Ennshafen in Oberösterreich, damit wir mehr als 50 Prozent herausholen können. Wir müssen es schaffen, Sortierreste noch besser zu verwerten. Unser Ziel ist es, 80 Prozent Wiederverwertbares zu erreichen. Wenn wir an all diesen Schrauben drehen, gehe ich davon aus, dass wir es schaffen.
Bis zum Jahr 2030 sollen laut EU-Vorgaben überhaupt alle Kunststoffverpackungen recyclingfähig sein. Wie soll das funktionieren?
Es wird erwartet, dass die EU für den gesamten EU-Raum entsprechende Kriterien festlegt. Noch handelt es sich um einen Entwurf für eine neue Verpackungsverordnung. Das Thema ist bei allen relevanten Stellen angekommen. Die Verpackungen werden analysiert, Maßnahmen evaluiert. Die Rahmenbedingungen, was jetzt genau als recyclingfähig gilt, wurden aber von der EU noch nicht festgelegt. Manche Unternehmen warten ab, weil sie die rechtlichen Kriterien noch nicht wissen. Wir hoffen auf eine rechtzeitige Veröffentlichung, sodass die Produzent:innen sich darauf einstellen können. Es kann ja nicht sein, dass man für jede Verpackung eine eigene Studie braucht. Die Unternehmen sind daher zum Teil noch in der Warteschleife.
Welche Kriterien meinen Sie damit?
Es gibt eine Reihe von Design-Guidelines. Für jede Kunststoffart wird festgelegt, welche Zusatzstoffe verwendet werden dürfen, welche Farben, wie die Bedruckung auszusehen hat. Wenn man Verpackungen neu designt, muss man viele Dinge berücksichtigen. Wenn ich mich jetzt als Produzent von Verpackungen auf etwas festlege und das Gesetz sieht dann anders aus, habe ich ein Problem.
Ein weiterer Versuch, mehr Plastik zurück in den Kreislauf zu führen, ist das neue Pfandsystem, welches in Österreich 2025 eingeführt wird. Das erste Pfandsystem auf Einwegverpackungen und nicht mehr nur auf Mehrwegprodukte. Wie sieht das genau aus?
Vorgesehen ist, dass es ein Pfand gibt für Einweggetränkeverpackungen aus Kunststoffen und Metallen von 0,1 bis 3 Liter. Die Pfandhöhe ist mit 0,25 Cent pro Verpackung festgelegt. Diese Dosen und Flaschen können im Handel, aber auch bei Gastronomiebetrieben zurückgegeben werden. Bei Rückgabeautomaten wird alles zurückgenommen. Letztbetreiber ohne Automaten müssen nur die von ihnen angebotenen Gebinde zurücknehmen, das heißt, man kann seinen großen Sack nicht einfach beim Würstelstand ums Eck abgeben. Ziel ist es, den Rücklauf zu erhöhen.
Was ist jetzt Mehrweg und was Einweg?
Mehrwegsysteme hat es immer schon gegeben und gibt es auch heute. Bier, Mineral, Revivals wie PET-Mehrwegflaschen. Auch bei der Milch wurden wieder Glasmehrwegsysteme eingeführt. Der große Unterschied ist: Bei Mehrweg wird Flasche immer wieder zurückgenommen, gereinigt und erneut befüllt. Einwegverpackungen werden nur einmal befüllt, sie werden aufgearbeitet und dann wieder Teil eines Produkts, recycelt eben. In Deutschland hat man gesehen, dass die Unterscheidung für die Konsument:innen verschwimmt. Dort gibt es schon länger Pfand auf Mehrweg- und auf Einwegprodukte. Man sollte daher darauf achten, was man kauft. Es darf uns nicht derselbe Fehler wie in Deutschland passieren, dass wir nicht mehr wissen, was Einweg und was Mehrweg ist.
Warum eigentlich? Was ist besser?
Das ist eine alte Diskussion. Es gibt viele Ökobilanzen dazu. Oft hängt es von den Transportwegen ab: Je weiter die Transportwege, umso mehr kommt das Gewicht ins Spiel. Einwegprodukte sind oft leichter. Regional ist meist Mehrweg besser. Eine differenzierte Betrachtung ist daher nötig. Aber rein von der Abfallhierarchie ist Mehrweg besser, weil Abfälle vermieden werden.
Woran erkenne ich als Konsument:in, ob eine Verpackung aus recyceltem Material besteht? Gibt es dafür ein bestimmtes Logo?
Die Angabe des Einsatzes von Recyclinganteilen kann freiwillig erfolgen. Es stehen dafür unterschiedliche Logos beziehungsweise Kennzeichnungen zur Verfügung.
Welchen Wert hat Plastik eigentlich?
Kunststoff hat sich grundsätzlich als Verpackungsmaterial etabliert. Es ist leicht, meist durchsichtig und ein Produktschutz für zum Beispiel Lebensmittel. Man darf nicht vergessen, dass Verpackungen ja durchaus einen Sinn haben. Natürlich haben sortierte Kunststoffe einen Wert, indem sie wieder eingesetzt werden können. Die Kosten der getrennten Sammlung und Sortierung sind aber viel höher als die Altstofferlöse selbst.
Werden Plastikverpackungen in Zukunft mehr oder weniger werden?
Es soll zu einer Reduktion der Kunststoffverpackungen beziehungsweise zu einer Reduktion aller Verpackungsmaterialien kommen. Es gibt Reduktions- und Mehrwegziele. Die EU hat jetzt sogar auch Mehrwegziele für Takeaway-Verpackungen und den Transportverpackungsbereich vorgesehen.