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Das Regierungsprogramm ist ein löchriger Käse

5 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ, Fotocredit: Karin Ahamer

In Sachen Umweltschutz gibt es viele verpasste Chancen.


Ich mag Käse. Wenn er absichtlich schimmelt, sind wir keine so großen Freunde, aber ansonsten: Käse zum Essen ist eigentlich gut und verdient in meinen Augen die Metapher nicht, dass etwas Käse sei, wenn etwas schlecht ist. Das neue Regierungsprogramm ist nicht zwingend Käse, sondern sogar recht zufriedenstellend, aber manchmal erinnert es ein bisschen an die Löcher im Emmentaler. Sagen wir mal so: Es hätte schlimmer kommen können. Es hätte aber auch viel besser kommen können, vor allem in Sachen Klimaschutz.

Was ich noch reingeschrieben hätte – oder eben nicht:

Es bräuchte eine Fortführung des Klimabonus. Ja, schon klar, ich weiß, dass wir hart sparen müssen – aber es ist einfach ärgerlich, dass der Klimabonus als Extra-Zuckerl für die Bevölkerung geframed wird. Nein, er ist eine Zahlung zum sozialen Ausgleich der CO2-Bepreisung. Die ist ja gut und wird auch zum Glück nicht abgeschafft – nur jetzt wird’s halt unsozial. Das wird Klimaschutz als Maßnahme unter vielen Wähler:innen jetzt auch nicht beliebter machen.

Und wieder steht in einem Regierungsprogramm, dass es ein Klimaschutzgesetz geben soll. Hatten wir schon mal, oder? Gescheitert ist es in den letzten Jahren anscheinend an der ÖVP (weil den Grünen kann man diesen Verdacht nicht unterstellen) und den Kammern. Und jetzt soll’s funktionieren? Ich bin gespannt, was da rauskommt. Aus dem aktuellen Regierungsprogramm kann man übrigens nicht rauslesen, ob Überschreitungen dieser geplanten Klimaziele beispielsweise zu Strafzahlungen führen sollen. In Frankreich oder Großbritannien gibt’s zumindest verbindliche Reduktionsvorgaben mit Konsequenzen. Wir? Schauen wir halt mal. Wenigstens bleibt das Klimaneutralitätsziel 2040 bestehen – ich bin jetzt schon gespannt, wie die Welt 2040 aussehen wird.

Lobautunnel? Ernsthaft?

Das Ding mit dem Lobautunnel – es war leider absehbar, dass eine Koalition aus ÖVP und SPÖ den bauen wollen wird, aber deshalb wird’s auch nicht sinnvoller, wie Untersuchungen von Greenpeace zum Grundwasser an der geplanten Stelle gezeigt haben.

Gebäudesanierung bräuchte eigentlich auch einen Masterplan. Österreichs Gebäude sind oft thermische Katastrophen, aber ein ambitioniertes Sanierungsprogramm fehlt. Keine klaren Quoten, keine wirklich massiven Anreize. Ich wohne im Altbau mit einer Gasetagenheizung, die ich mir fast nicht leisten kann – und gemessen an den geopolitischen Entwicklungen wird’s wohl auch so bald nicht mehr günstiger werden. Immer noch heizen viele Menschen mit Öl. Eine Regierung sollte (weiterhin) genau an diesem Spannungsfeld ansetzen: Klimaschutzmaßnahmen setzen, die das Leben ihrer Bürger:innen günstiger machen. Stattdessen werden Förderungen für saubere Heizungen und die Mehrwertsteuerfreiheit für PV-Anlagen gekappt. Nochmal so ein Punkt, der das Image von Klimaschutz nicht weiter verbessern wird – dabei bräuchte es eigentlich eine gute Stimmung, ein Ärmel hochkrempeln, gemeinsam gegen den Klimawandel. Hmpf.

Landwirtschaft? Käse.

Und dann ist da noch die Landwirtschaft. Methan-Reduktion? Fehlanzeige. Weniger Massentierhaltung? Pffft. Da wird in den Niederlanden mit ambitionierten Plänen gegen Methan gekämpft, während wir so tun, als ob Kuh-Furze nur ein Sommermärchen wären. Aber gut, Herr und Frau Österreicher:in brauchen anscheinend ihr Schnitzi – Klima hin oder her. Und falls jetzt das Käse-Argument kommt: Ja, ich weiß. Aber es gibt auch wirklich guten veganen Käse!

Zum Abschluss noch das Thema Klimaanpassung: Immer mehr Hitzewellen, immer mehr Wasserknappheit – und trotzdem fehlt eine echte Strategie, wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen. Mehr Begrünung in den Städten? Bessere Wasserspeicherung? Da ist wenig bis nichts drin. Dabei sieht man ja jetzt schon, dass wir langsam auf spanische Verhältnisse zusteuern. Dann hätte ich bitte im Sommer auch gern die gesetzlich verbriefte Siesta dabei.

„Fake-NGO der Wirtschaftslobbyisten“

Was ich besonders spannend finde: Es gibt zwar kein Klimaschutzministerium mehr (sondern die Klimabelange gehen wieder zurück ins Landwirtschaftsministerium), aber im Wirtschaftsministerium wird eine Staatssekretärin installiert, die unter anderem für Energie-Themen zuständig sein wird. Auf den ersten Blick klingt das ja nicht schlecht, Wirtschaft und grüne Energie zu verzahnen, im Gegenteil!

Leider wird mit diesem Amt Elisabeth Zehetner-Piewald betraut, die bisherige Geschäftsführerin von oecolution. Diese Organisation wurde von Greenpeace bereits als „Fake-NGO der Wirtschaftslobbyisten“ bezeichnet – oecolution gilt als verlängerter Arm der Wirtschaftskammer und nun ja, auch das ist ein Signal. Eines, das man lieber nicht bekommen hätte. Und es ist eine verpasste Chance, zeigen zu können, dass engagierter Klimaschutz und sinnvolles Wirtschaften gut zusammenpassen könnten.

Bisher fragten wir uns ja oft und gern: Wer ist eigentlich Norbert Totschnig? Auch ich tat das mal – er wurde mir als „der Norbert, der war früher Umweltreferent bei der ÖVP“ vorgestellt und ich kam erst mitten im Gespräch drauf – oh Moment mal, das ist ja unser Landwirtschaftsminister (natürlich erst, nachdem ich ihn per du angeblödelt hatte…). Norbert Totschnig hat nun auch die Klimaagenden und ich hoffe sehr, dass man in Zukunft weiß, wer er ist, und das aus den richtigen Gründen. Aber das mit dem Optimismus und der ÖVP ist halt so eine Sache … bei der Renaturierungsdebatte hat sich Totschnig schon mal nicht allzu sehr als Umweltschützer hervorgetan.

Sagen wir mal so: Fortschrittlicher Klimaschutz schaut anders aus – aber nach fünf Monaten ohne Regierung und dem zwischenzeitlich drohenden Damoklesschwert namens FPÖ gibt man sich ja schon damit zufrieden. Traurig eigentlich.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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