Vor der EU-Wahl lud die ÖVP zum Gipfel gegen das „Verbrennerverbot“. Ein guter Anlass, noch einmal in den EU-Gesetzgebungsprozess einzutauchen – und durchzuexerzieren, wie es wann zu diesem Nicht-Verbot gekommen ist.
Möglicherweise ist die Ankündigung ein bisschen redundant, aber: Dieses Wochenende ist EU-Wahl. Die Kolleg:innen von der WZ haben ein umfangreiches Dossier dazu zusammengestellt, das ich an dieser Stelle unbedingt empfehlen möchte – hier die Basics, was wir da eigentlich wählen, hier eine Reportage aus dem am höchsten geförderten Ort in Österreich (in Oberösterreich, natürlich), hier spannende Statistiken, wie unsere Abgeordneten in der auslaufenden Periode so abgestimmt haben.
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Das Verbrennerverbot
Ich möchte es heute ein bisschen erdiger angehen und die beiden politischen Elementarereignisse der Woche verbinden: besagte Wahl am Sonntag auf der einen und den sogenannten „Verbrennergipfel“ am Montag auf der anderen Seite. Der Bundeskanzler zieht ja neuerdings, wie er nach diesem Gipfel über die offiziellen Kanäle des Kanzleramts verkündet hat, gegen ein „Verbrennerverbot“ zu Felde. Ein Verbot, von dem derselbe Kanzler vor einem Jahr über dieselben offiziellen Kanäle des Kanzleramts verkündet hat, dass „die EU-Kommission gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren eingelenkt hat. Dafür haben wir uns in den letzten Wochen Seite an Seite mit Deutschland eingesetzt“.
Ein guter Anlass, noch einmal in den EU-Gesetzgebungsprozess einzutauchen – und durchzuexerzieren, wie es wann zu diesem Nicht-Verbot gekommen ist. Das Monopol, neue EU-Regeln zu initiieren, liegt bei der EU-Kommission – dem Gremium, in dem jeder Mitgliedstaat vertreten ist; die Kommissar:innen werden von den nationalen Regierungen entsandt.
Die Kommission unter Ursula von der Leyen, die sich in der ablaufenden Legislaturperiode ambitionierte Klimaziele als Fokus gesetzt hat, hat Mitte 2021 den Vorschlag gemacht, die Ziele im Bereich von Pkw und kleinen Nutzfahrzeugen nachzuschärfen. Hier ist der damalige, ursprüngliche Vorschlag.
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Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Damit eine solche Verordnung rechtskräftig wird, braucht es die Zustimmung von beiden gesetzgebenden Institutionen der Union: dem EU-Parlament auf der einen und dem zuständigen Rat der Fachminister:innen auf der anderen Seite. Dazu entwickeln zunächst beide ihre jeweiligen Positionen zum Vorschlag der Kommission, bevor sie in Verhandlungen aller drei Institutionen – dem „Trilog“ – eine gemeinsame, hoffentlich sowohl in Parlament als auch im Rat mehrheitsfähige Version erarbeiten.
Hier findet Ihr den Weg, den die Emissionen-Richtlinie durch das Parlament gegangen ist
Wenn man das alles durchschaut – ein beträchtlicher Aufwand, ehrlicherweise – oder, einfacher, die Berichterstattung der Brüssel-Korrespondent:innen heimischer Medien dazu verfolgt, zeigt sich, dass sich in diesem Prozess dann doch einiges geändert hat: Besonders Deutschland war wichtig, dass auch synthetische Kraftstoffe (sogenannte e-fuels), mit denen sich Verbrennerautos CO2-neutral betreiben ließen, in der Verordnung erwähnt und möglich bleiben.
Ab 2035 nur noch CO2-neutrale Neuwagen
Im finalen Text steht jetzt primär das Ziel, dass ab 2035 in der Union nur noch Neuwagen verkauft werden, die CO2-neutral sind; mit welcher Technologie Hersteller das Ziel auch erreichen. Expert:innen sehen den Elektromotor am effizientesten, aber theoretisch lässt sich das mit (teuren und derzeit nicht ansatzweise ausreichend produzierten) e-fuels genauso erreichen.
Und wer hat das für Österreich beschlossen? Für das EU-Parlament empfehle ich für solche Fragen das Abstimmungsmonitoring der Gesellschaft für Europapolitik.
Wir sehen: Seitens der österreichischen Abgeordneten haben SPÖ, Grüne und Neos für die Regelung gestimmt, die FPÖ dagegen. In der ÖVP waren die meisten Abgeordneten ebenfalls dagegen, mit Ausnahme von Othmar Karas, der 2019 Spitzenkandidat der Volkspartei war. Im Ergebnis haben also je neun österreichische Abgeordnete für und gegen die Emissionsverordnung gestimmt.
Im Rat lag die Sache beim Rat der Umweltminister:innen. Mit folgendem Ergebnis:
Österreich, vertreten durch Leonore Gewessler, war hier dafür – anders als Polen, das dagegen war und Bulgarien, Italien und Rumänien, die sich enthalten haben.
Solche Abstimmungen unserer Minister:innen passieren nicht in einem Vakuum, sondern werden zuhause brav dem Ministerrat vorgelegt.
Im Kanzleramt sollten solche Debatten also nicht allzu überraschend auftreten. Die Lektion: Für die weitere EU-Gesetzgebung sind mehrere Wahlen zuständig; nur das EU-Parlament allein bewegt noch gar nichts – auch bei der Nationalratswahl im Herbst geht es über den Umweg der Regierungsbildung darum, was „die EU“ demnächst wieder beschließt.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Bundeskanzleramt: Kanzler Nehammer: „Ja zu Technologieoffenheit - Verbrennerverbot aufheben"
Bundeskanzleramt: Einigung im Verkehrsbereich: Neuwagen ab 2035 emissionsfrei
European Commission: Regulation of the european parliament and of the council
European Parliament: CO2 emission standards for cars and vans
Europäischer Rat der Europäischen Union: Suche nach Abstimmungsergebnissen
Kurier: EU: Verbrenner-Aus ist ab 2035 beschlossene Sache
Der Standard: Neuwagen in der EU sollen ab 2035 emissionsfrei sein
Amtsblatt der Europäischen Union: Verordnung (EU) 2023/851 des Europäischen Parlaments und des Rates
oegfe.at: Abstimmungsmonitoring