Der Immobilien-Bürgermeister von Fürstenfeld
ÖVP-Bürgermeister Franz Jost schnitt als Makler bei der Verwertung von ehemals kommunalen Flächen mit. Seine Provision bezahlte der Mann, dem die Gemeinde die Gründe verkaufte.
Ein vegetarischer Fleischhauer. Eine abstinente Winzerin. Ein kleptomanischer Kaufhausdetektiv. Es gibt Dinge, die sich spießen. Auch Bürgermeister im Immobilien-Geschäft fallen in diese Kategorie. Als Politiker sind sie für den vernünftigen Umgang mit Böden verantwortlich. Als Geschäftsleute verdienen sie mit seiner Versiegelung Geld. Doch nur weil sich etwas spießt, heißt das nicht, dass es nicht existiert. Immobilien-Bürgermeister gibt es in Österreich viele.
- Kennst du schon?: Was macht eigentlich der Burghauptmann?
Einer von ihnen heißt Franz Jost. Der Bürgermeister schnitt als Makler bei der Verwertung von Bauträgerobjekten auf ehemals kommunalen Flächen mit. Aber beginnen wir am Schauplatz der Geschichte.
Die Stadt, die Jost regiert, kennt man aus dem Radio. Die steirische Band STS will darin „heim nach Fürstenfeld“. Seit sechs Jahren sitzt Jost im Rathaus der größten Stadt im steirischen Bezirk Hartberg-Fürstenfeld. Seine Partei – die ÖVP – hat die absolute Mehrheit im Gemeinderat. Bei der Landtagswahl Ende November blieb Fürstenfeld zumindest stabil. Trotz herber Verluste verteidigte die ÖVP hier klar den ersten Platz. Ein Umstand, den viele Jost zuschreiben. Der Bürgermeister ist beliebt bei den Menschen.
Vollzeitpolitiker mit Immobilien-Firmen
Er gilt als gesellig und volksnah. In den 90er-Jahren gründete er die „Fidelen Jungsteirer“, eine stadtbekannte Schuhplattler-Gruppe. Als Bürgermeister brachte er schnelles Internet nach Fürstenfeld, renovierte Kirchen, baute den Kindergarten aus. 2023 eröffnete Jost Österreichs größtes Holzvergaserkraftwerk, 2024 die Fürstenfelder Schnellstraße. Es läuft gut für den Bürgermeister. Die Gemeindebilanzen stimmen. Mit Jahreswechsel schluckt Fürstenfeld die marode Nachbargemeinde Söchau, Josts Heimatdorf.
Jost ist schwarzer Vollblut-Politiker. Und Vollzeit bei der Gemeinde angestellt. 6.417,20 Euro brutto bekommt er monatlich für seine Dienste an der Bevölkerung. Doch das ist nicht alles, womit Franz Jost sein Geld verdient. Der Bürgermeister ist im Immobilien-Geschäft. Jost ist Alleineigentümer der Immobilienentwicklungsfirma „FF Immobilien GmbH“. Er besitzt 99 Prozent der „Weinrot Bauträger GmbH“. Das fehlende eine Prozent gehört seiner Frau. Mit der teilt er sich auch die Anteile der „Connexa Vermögens-, Versicherungs- und Finanzierungsberatung GmbH“. 80 Prozent gehören Franz Jost, 20 Prozent seiner Frau.
Um die Connexa soll es heute gehen. Franz Jost gründete das Versicherungs-Unternehmen Ende der 1990er-Jahre. Die Connexa ist ein Familienbetrieb. Franz Josts Vater unterstützt die Firma als Konsulent. Sein Sohn berät die Kund:innen seiner Eltern. Die können sich bei der Connexa ihr Auto, ihr Leben, ihr Haus versichern lassen. Oder sich ein neues kaufen.
Der „Beton-Franzi“ von Fürstenfeld
Denn die Connexa ist nicht nur eine Versicherung. Sie verwertet Liegenschaften von Graz bis Kroatien. Auch in Fürstenfeld bietet Jost Wohnungen, Häuser, Baugründe an. „Beton-Franzi“ rufen ihn die Leute im Ort. „Wer in Fürstenfeld eine Immobilie sucht, kommt an der Connexa nicht vorbei“, sagt eine Einheimische zur WZ. Als der Makler Franz Jost 2018 Bürgermeister wurde, machte die Opposition auf die Doppelrolle aufmerksam. SPÖ und Grüne orteten einen Interessenkonflikt. Jost winkte ab. „Wer mich kennt, weiß, dass ich Beruf und Gemeindepolitik trenne“, sagte er damals zur Kleinen Zeitung.
Nun ja, so klar ist die Sache nicht. Die Connexa verdiente mit der Weiterverwertung von Immobilien, die die Gemeinde an Bauträger verkaufte, wie Recherchen der WZ zeigen. Auf allen drei kommunalen Flächen, die seit 2018 – jenem Jahr, als Jost Bürgermeister wurde – an Bauträger:innen gingen, versuchte die Connexa Häuser zu vermarkten.
Fall 1: Die Gründe am Bergkamm
Etwa auf den sogenannten Bergkamm-Gründen, einer 26.000 Quadratmeter großen Brache im Zentrum der Stadt. Im Frühjahr 2019 kaufte sie die Gemeinde um rund 700.000 Euro, parzellierte die Wiese, schloss die Baugründe an das Wasser- und Kanalnetz an. Hier sollten Jungfamilien ein neues Zuhause finden. „Zur Verhinderung einer verstärkten Abwanderung von Jungfamilien (…), ist es dringend erforderlich, auch in Fürstenfeld entsprechende Baugrundstücke zu einem vertretbaren Preis anbieten zu können“, hieß es im Gemeinderat.
Einen Teil der Bauplätze verkaufte die Gemeinde direkt an private Häuslbauer. Fünf Parzellen bekamen zwei Bauträgerinnen – die SIKA Immo GmbH und die KS Immobilien GmbH. SIKA steht für Klaus Siegl, KS auch. Beide Firmen gehören dem Unternehmer. Man kennt Klaus Siegl im Fürstenfelder Rathaus. Die Gemeinde hatte ihm 25 Jahre lang die Kantine des Freibads verpachtet, bevor sie 2021 seine Tochter übernahm.
Siegl baute Einfamilienhaus-Würfel auf den Bergkamm. Um sie an die Leute zu bringen, heuerte er ausgerechnet Franz Jost an. Der Bürgermeister stellte mannshohe Plakate neben die Baustelle. Sie priesen Doppelhaushälften und Einfamilienhäuser an. Am rechten oberen Eck prangte das rot-weiße Logo von Josts Connexa. Auch auf der Website der Makler-Firma tauchten die Häuser auf. „Wohnen am Bergkamm: Exklusive Doppelhaushälfte mit traumhafter Aussicht über Fürstenfeld!“ hieß es dort unter dem Rendering eines modernen Wohnhauses mit Pool und Garten.
Der Bergkamm ist kein Einzelfall. Die Idee hat System.
Fall 2: Die Gründe in der Aindlingerstraße
Denn die Geschichte vom Bergkamm wiederholte sich nahezu zeitgleich wenige hundert Meter entfernt. Mit denselben Beteiligten. Wieder kaufte die Stadt Gründe an. Wieder wurden sie parzelliert und an Klaus Siegl verkauft. Wieder tauchten die darauf errichteten Häuser auf der Website von Josts Connexa auf.
Diesmal liegen sie in der Aindlingerstraße im Süden der Stadt. Im Frühjahr 2019 zahlte die Gemeinde 213.000 Euro für eine 8,5 Hektar große Wiese – 25 Euro pro Quadratmeter. Bürgermeister Jost unterschrieb den Kaufvertrag selbst. Genauso wie den Kaufvertrag mit Siegls SIKA Immo GmbH eineinhalb Jahre später. Die SIKA kaufte die mittlerweile parzellierten und aufgeschlossenen Gründe im November 2020 der Gemeinde ab – um 50 Euro pro Quadratmeter. Ein gutes Geschäft für die Stadt. Ein gutes Geschäft für den Bürgermeister.
Denn der Verkauf der neuen Häuser lief wieder über seine Connexa. „Ein modernes Doppelwohnhaus in ruhiger, zentraler Lage mit Eigengarten“ gab es um 287.000 Euro.
Fall 3: Die Gründe am Schlossweg
299.000 Euro kostete hingegen ein „exklusives Einfamilienhaus in wunderschöner Lage mit Blick auf Schloss Welsdorf“ am Fürstenfelder Schlossweg. Hier ist die dritte der insgesamt drei Siedlungsflächen, die seit Josts Amtsantritt an Bauträger:innen verkauft wurden. Diesmal war nicht Siegl der Käufer, sondern die „H&P Projektentwicklungs GmbH“. Auch sie nahm die Dienste der Connexa in Anspruch.
Wie viele Immobilien auf einst kommunalen Gründen von der Connexa verwertet wurden, wissen wir nicht. Wie viel der Bürgermeister damit verdient hat, auch nicht. Die Fragen der WZ lässt Jost unbeantwortet. Es sei ihm aus „zeitlichen Gründen derzeit nicht möglich“, zu antworten. Die Arbeit als Bürgermeister, die Verpflichtungen um Weihnachten und Neujahr und die bevorstehende Gemeindezusammenlegung mit Söchau beanspruchten ihn massiv. Nur ein Statement hinterlässt Jost: „Ich habe mich beim Erwerb dieser Grundstücke an sämtliche in Österreich geltenden Gesetze gehalten, was auch für meine Unternehmungen gilt.“
Auch Klaus Siegl beantwortet unser E-Mail nicht. Wir erreichen ihn am Telefon.
Siegl bestätigt Provision für Connexa
Siegl bestätigt uns, Grundstücke und Häuser über die Connexa verkauft und dafür Provision bezahlt zu haben. Wie viel, kann er heute nicht mehr sagen. „Ich weiß es nicht auswendig, es waren ein, zwei Häuser. Viel Geld ist nicht geflossen“, sagt er.
Die Firma des Bürgermeisters wurde also von Klaus Siegl bezahlt, jenem Mann, dem die Gemeinde die Gründe verkaufte. Die Frage, ob sich die beiden das Geschäft vor dem Verkauf bereits ausgemacht haben, beantwortet Jost – wie alle unsere Fragen – nicht. Siegl dementiert. Die Geschäftsanbahnung sei so gelaufen wie in der Branche üblich. Wie genau, weiß er nicht mehr. „Es ist schon so lange her. Mich rufen Makler-Firmen an und fragen, ob sie meine Immobilien anbieten können“, sagt er. „Mir ist es egal, wer meine Häuser verkauft, die Hauptsache ist, dass sie verkauft werden. Ich arbeite mit fünf verschiedenen Firmen zusammen. Und eine ist die Connexa.“
Die Firma von Franz Jost, Versicherer, Makler, Bürgermeister von Fürstenfeld. Der Stadt aus dem Radio. „I wü ham noch Fürstenfeld”, singt die Band STS in ihrem Lied „Fürstenfeld”. Gute Nachrichten für die Musiker: Eigenheime gibt es derzeit genug in der Stadt.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Von mehreren Seiten erreichten uns Hinweise zu Fürstenfeld. Die Stadt würde zubetoniert werden, der Flächenverbrauch sei hoch. Ein Blick ins Firmenbuch zeigte noch andere spannende Zusammenhänge: Der Bürgermeister besitzt mehrere Immobilienfirmen.
Gesprächspartner:innen
Franz Jost, Bürgermeister von Fürstenfeld, Eigentümer und Geschäftsführer Connexa Immobilien und Weinrot Bauträger GmbH
Klaus Siegl, Eigentümer und Geschäftsführer SIKA Immo GmbH und KS Immobilien GmbH
Franz Sach, Amtsdirektion, Gemeinde Fürstenfeld
Andrea Teschinegg, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 13 – Umwelt und Raumordnung
Immobilienmakler
Daten und Fakten
Fürstenfeld zählt rund 8.900 Einwohner:innen. Ab 1. Jänner 2025 gehört die Gemeinde Söchau zum Gemeindegebiet von Fürstenfeld. Der Bevölkerungsstand erhöht sich dadurch auf über 10.000. Fürstenfeld erhält damit mehr Ertragsanteile aus dem Finanzausgleich.
Franz Jost (ÖVP) ist seit 2018 Bürgermeister. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 hat die ÖVP 52,33 Prozent und damit die absolute Mehrheit erreicht. Am 23. März 2025 finden die nächsten Gemeinderatswahlen statt.
Franz Jost ist Eigentümer und Geschäftsführer der FF Immobilien GmbH, Eigentümer (99 Prozent) und Geschäftsführer der Weinrot Bauträger GmbH und Eigentümer (80 Prozent) und Geschäftsführer der Connexa Vermögens- Versicherungs- und Finanzierungsberatungs GmbH.
Quellen
Grund- und Firmenbuch
Katasterplan
Flächenwidmungspläne
Kaufverträge
Bilanzen connexa Vermögens-, Versicherungs- und Finanzierungsberatung GmbH
Gemeinderatsprotokolle
Website Stadtgemeinde Fürstenfeld
Landesrechnungshof Steiermark: Prüfbericht Stadtwerke Fürstenfeld GmbH, 2019
Kleine Zeitung: Neuer Fürstenfelder Bürgermeister will geplantes Kino bis 2020 eröffnen (28.10.2018)
Kleine Zeitung: Franz Jost: „Wer eine Kirche renoviert haben möchte, sollte mit Fürstenfeld fusionieren“ (09.08.2024)
Kleine Zeitung: Jost bleibt vorerst Stadtwerke-Geschäftsführer in Fürstenfeld (12.10.2019)
Kleine Zeitung: Bringt sich Fürstenfeld mit Fusion als neue Bezirkshauptstadt in Stellung? (11.09.2024)
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
Kleine Zeitung: Opposition wittert wegen Inserats Interessenkonflikt des Bürgermeisters (02.07.2020)
Krone.at: Beton-Hochburg oder steirischer Wachstumskaiser? (17.01.2024)