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Deutschunterricht – und was noch? Bildung unter Blau-Schwarz

6 Min
Christliche Werte und Schutz der Muttersprache wünscht sich die FPÖ für die Schulen. Dahinter steht wieder ihr Kernthema: Migration.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

Deutschunterricht und Klassenkreuz sind die medialen Kassenschlager der blauen Bildungspolitik. Aber was stellt sich die FPÖ noch für Österreichs Klassenzimmer vor? Und wird die ÖVP in einer künftigen Koalition bei diesen Vorhaben mitspielen?


Der Nikolaus lacht auf drei strohblonde, strahlende Kinder herab. Eins davon, gekleidet in Hemd und Lederhose, streckt die Hand nach ihm aus – die Fingerkuppen stehen etwas merkwürdig ab, typisch für KI-generierte Bilder. Seine eigene verzerrte Hand hat der Nikolaus um eine ebenfalls blonde Frau im grünen Dirndl gelegt. „Leuchtende Kinderaugen statt verblendete Pädagoginnen“ steht in dicken Lettern auf dem Bild. So sollte also Brauchtum im Klassenzimmer aussehen – jedenfalls, wenn es nach der FPÖ Burgenland geht, die dieses und weitere Bilder zum Thema Brauchtum in Schulen vergangenen Dezember auf ihren Social-Media-Kanälen verbreitet hat.

Gegen solche „verblendete Pädagoginnen“ will die FPÖ künftig als Regierungspartei durchgreifen – wenn sie sich an ihre Vorhaben aus dem Wahlprogramm hält, mit dem sie zur Nationalratswahl vergangenen September angetreten ist. Darin wurde unter anderem eine Meldestelle angekündigt, bei der Eltern, aber auch Schüler:innen ideologisierende Lehrkräfte melden könnten, die „notfalls Konsequenzen“ zu erwarten haben. Dass die ÖVP diesem Vorhaben zustimmen wird, ist jedoch unwahrscheinlich: Denn bereits 2017 wurde eine solche Meldestelle in Oberösterreich von FPÖ-Landesvize Manfred Haimbuchner eingerichtet. Von der christlich-sozial gefärbten Lehrer:innengewerkschaft und der ÖVP unter Landeshauptmann Thomas Stelzer wurde sie stark kritisiert und kurz nach der Einführung wieder abgeschafft. Auch jetzt erntet die geplante Meldestelle aus dem Wahlprogramm massive Kritik aus der Bildungspraxis, Lehrkräfte befürchten öffentliche Denunziation. Ob umsetzbar oder nicht, die Meldestelle steht für eine der Hauptforderungen der FPÖ: ideologiefreie Bildung für sämtliche Einrichtungen, von Kindergarten bis Hochschule. Aber was versteht die FPÖ unter Ideologien?

Die schlechte und die gute Ideologie

Laut Wahlprogramm richte sich die Meldestelle gegen politische Beeinflussung, die vor allem in Richtung des linken Mainstream gehe. Denn Lehrkräfte würden vermehrt Schüler:innen mit linker Politik beeinflussen, auch Unis müssten „aus den Fängen dieses Linksextremismus“ befreit werden. Als „Ideologie“ wird so auch zum Beispiel Bildung zum Thema diverse Sexualität und Geschlecht bezeichnet, die zu „Genderwahnsinn und Wokismus“ führe. Mit dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird Bildungseinrichtungen und Lehrbüchern, die über diverse Geschlechtsidentitäten aufklären, „Transgender-Propaganda“ vorgeworfen. Sicherheit und Schutz der Kinder werden hier als Motive vorgeschoben – und zwar vor Verunsicherung. Denn laut FPÖ-Programm gibt es lediglich zwei Geschlechter. Die ÖVP hingegen lehnt laut Wahlprogramm die Bevormundung in Geschlechter- und Identitätsfragen ab. Gleichzeitig dürfe Gender-Ideologie nicht „zum Maß aller Dinge“ werden, weil das Familien schwächen würde. Außerdem dürfe Gendern nicht prüfungsrelevant oder in wissenschaftlichen Arbeiten verpflichtet sein – Reformen zugunsten gendersensibler Sprache sind also von Blau-Schwarz nicht zu erwarten.

Allem Anschein nach sollte, wenn es nach der FPÖ geht, die Entpolitisierung von Schulen jedoch nicht für rechte Politik gelten; das zeigte die Reaktion der FPÖ auf einen Vorfall nur wenige Tage vor der Nationalratswahl. An einer niederösterreichischen Schule wurden zwei Schüler von drei Lehrkräften aufgefordert, selbstgebastelte blaue Trikots mit der Aufschrift „Kickl auf die 1“ auszuziehen. Die FPÖ Niederösterreich reagierte prompt: „Es muss endlich Schluss sein mit der Politisierung in Schulen. Unsere Kinder dürfen nicht von Wokeness-Lehrern genötigt werden!“, hieß es in einem Facebook-Post zur Causa.

Immer wieder Asylpolitik

Hinter den Forderungen nach Brauchtum und Tradition steht außerdem auch im Bildungsbereich das Kernthema der FPÖ: Migration. Dieses prägte die FPÖ-Pressekonferenz zum Thema Bildung im Juni letzten Jahres: So bekam FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer mehr Redezeit als FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl. Davon verwendete Amesbauer mehr als die Hälfte für allgemeine Asylpolitik, unabhängig von Bildungsthemen. Der Fokus auf Migration spiegelt sich im Wahlprogramm wider – auch wenn es nicht bei allen Punkten auf den ersten Blick ersichtlich ist. Hinter der Forderung „Respekt statt Mobbing“ steht beispielsweise die Behauptung, dass vor allem Schüler:innen mit Migrationshintergrund ein massives Autoritätsproblem mit Lehrkräften hätten.

Die „christlich-abendländische Kultur“ dürfe außerdem im Klassenzimmer nicht versteckt werden. „DAS KREUZ BLEIBT IM KLASSENZIMMER“ lautet eine der Forderungen. Gleichzeitig seien Koranschulen als „parallelgesellschaftliche Bildungseinrichtungen“ generell zu verbieten. Und eine der prominentesten Forderungen im Bildungsbereich: ein Deutschnachweis bereits vor Schuleintritt. Damit solle dem „Familiennachzug“ aus Ländern wie Syrien und Afghanistan entgegengewirkt werden. Mit sämtlichen dieser Punkte stimmt die ÖVP in ihrem Wahlprogramm überein: Auch sie steht für den Erhalt von christlichen Brauchtümern und den Kreuzen in der Schule ein, auch sie fordert eine Sprachstandsfeststellung vor Schulantritt und auch sie bezeichnet Migration als „massive Herausforderung“ für Schulen. Von Verboten von Islamschulen ist im schwarzen Programm nicht die Rede; sehr wohl aber davon, dass islamische Religionspädagog:innen die deutsche Sprache beherrschen und „europäischen Islam“ vermitteln sollten.

Blaue Ideenschmiede versus Realpolitik

Bei allen Verboten, Einführungen und Änderungen, die die FPÖ noch vor der Wahl angekündigt hat – wie wahrscheinlich ist es, dass sie diese als Regierungspartei auch in Gesetzen festmachen kann? Grundsätzlich wesentlich einfacher als noch in der ersten schwarz-blauen Koalition unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Damals mussten nämlich noch sämtliche Gesetze zu Schulfragen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Mit einer Reform 2005 fiel diese Regelung, nun reicht eine einfache Mehrheit für die meisten Gesetze.

Nicht so jedoch zum Beispiel für Angelegenheiten, die das Verhältnis zwischen Schulen und Kirchen betreffen; diese erfordern weiterhin zwei Drittel der Stimmen im Nationalrat. Entscheidungen, die ihr Plakatthema Christentum versus Islam im Klassenraum betreffen, kann die FPÖ also nicht so einfach durchbringen. Diese Hürde betrifft auch die kontroverse Idee der FPÖ, die neunjährige Schulpflicht durch „Bildungsziele“ zu ersetzen, was den Ausbau von Heimunterricht begünstigen könnte; denn auch die Schulpflicht ist nach wie vor verfassungsrechtlich abgesichert. Aber auch Gesetze, für die die einfache Mehrheit reicht, wird die FPÖ bei 57 von 183 Mandaten mit Forderungen wie der Meldestelle für Lehrkräfte nicht durchbringen können, wenn ihr Koalitionspartner ihr nicht den Rücken stärkt. Anders sieht es bei Themen aus, die auch die ÖVP befürwortet, wie eben die „Sprachstandsfeststellung aller 3-jährigen Kinder in Wien“.

Aber wird es auch dazu kommen? Sämtliche Bildungsexpert:innen, die die WZ kontaktiert hat, entschieden sich dagegen, die Vorhaben der FPÖ näher einordnen zu wollen beziehungsweise wollten nicht namentlich genannt werden; zum einen, weil sie bezweifeln, dass die Punkte realpolitisch umsetzbar sind, zum anderen, weil sie Forderungen wie die nach einer Meldestelle für Lehrpersonen als surreal beziehungsweise nicht diskussionswürdig erachten. Außerdem müsse man erst abwarten, welche Punkte es tatsächlich in die Koalitionsverhandlungen schaffen. Die ersten werden nun nach und nach vorgestellt. Darunter: Die Bildungskarenz sollte abgeschafft werden. FPÖ-Abgeordneter Arnold Schiefer erklärte sie bereits in einer Fragerunde am Montag zu einem Luxus, den man sich in guten Zeiten leisten könne. Aber welche Reformen im Bildungsbereich werden noch folgen? Und welche stammen aus der blauen Ideenschmiede? Es bleibt abzuwarten, was davon tatsächlich den Weg in eine Plenarsitzung des Nationalrats beziehungsweise ins Bundesgesetzblatt findet – wenn überhaupt.


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Infos und Quellen

Genese

Welche Forderungen der bevorstehenden Koalition sind tatsächlich realistisch durchsetzbar? Diese Frage hat sich die WZ-Redaktion gestellt und Themenbereiche verteilt.

Daten und Fakten

  • Bei der Nationalratswahl 2024 ging die FPÖ als eindeutiger Sieger hervor: Mit einem Plus von 12,67 Prozent im Vergleich zur vorherigen Wahl erreichten die Freiheitlichen 28,85 Prozent aller abgegebenen Stimmen und lag damit über zwei Prozentpunkte vor der nächststärksten Partei, der ÖVP.

  • Seit 2021 hat Martin Polaschek das Amt des Bildungsministers inne. Damit ist nun Schluss; wie der ÖVP-Politiker Anfang Jänner erklärte, stehe er für Tätigkeiten in einer blau-schwarzen Regierung nicht zur Verfügung. Ob das Ministerium nun auch in Zukunft in schwarzer Hand bleiben wird oder eine neue blaue Spitze bekommt, ist noch unklar.

  • Etwa 1,2 Millionen Schüler:innen besuchen derzeit laut Statistik Austria eine von knapp 6.000 österreichischen Schulen. Knapp 400.000 Kinder besuchen in Österreich einen Kindergarten, fast gleich viele Studierende besuchen eine Hochschule. Sie alle sind von der Bildungspolitik der künftigen Regierung betroffen.

  • Ab 1962 konnten Bildungsgesetze nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden; damit sei eine „gegenseitige Blockade“ möglich gewesen. Seit 2005 können etwa 95 Prozent aller Schulgesetze mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Damit erhoffte man sich einen „Schritt vorwärts“, durch den substanzielle Reformen im Bildungswesen möglich würden.

  • Für Schüler:innen mit Behinderungen wurde in letzten Jahren verstärkt die Möglichkeit forciert, anstatt Sonderschulen auch inklusive Regelschulen besuchen zu können. Laut dem Österreichischen Behindertenrat seien Sonderschulen zwar besser auf die Bedürfnisse von Schüler:innen mit Behinderungen eingestellt; dafür werde jedoch in Kauf genommen, dass diese Kinder in Sonderschulen segregiert und stigmatisiert aufwachsen und ihr Weg nach Abschluss oft in die Arbeitsunfähigkeit oder in Werkstätten führe. Das verstoße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die besagt, dass Menschen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen. Die FPÖ setzt sich dennoch für den Erhalt der Sonderschule ein, auf steirischer Landesebene wurde diese Position im Dezember 2024 im Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP verankert. Da Entscheidungen, was Bau, Instandhaltung und Ausstattung von Schulen betrifft, bei den Ländern liegen, könnte die FPÖ sich zum Beispiel in der steirischen Regierung durchaus gegen bauliche Maßnahmen zur Barrierefreiheit von Regelschulen einsetzen. 2015 wurde außerdem die gesonderte Ausbildung für Sonderpädagogik abgeschafft und eine verpflichtende Inklusionsgrundausbildung für alle Pädagog:innen eingeführt. „Von Anfang an war uns klar, dass die von SPÖ und ÖVP initiierte Abschaffung der gesonderten Ausbildung im sonderpädagogischen Bereich ein großer Fehler ist“, heißt es in einer FPÖ-Aussendung. Deshalb habe man bereits 2017 die Wiedereinführung der sonderpädagogischen Ausbildung im Regierungsprogramm verankert.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien