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Dicke Luft im Büro

5 Min
Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Qualität der Luft in Innenräumen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Pexels, Getty und Adobe Stock

Im Winter zu trocken, im Sommer zu heiß – so wichtig ein gutes Raumklima ist, so schwierig ist es zu erreichen.


Bevor sich Verena in der Früh auf den Weg ins Büro macht, nimmt sie ein Antiallergikum. Ohne das Medikament würde sie den Tag vor lauter Niesen, Augentränen und Jucken in Ohren und Gaumen kaum durchstehen. Den Grund dafür kennt sie nur zu gut: Es sind die Teppichböden, die überall ausgelegt sind und ihre Staubmilbenallergie auslösen. Im Winter ist es besonders schlimm. Denn da ist die Büroluft durch das Einheizen besonders trocken. Das tötet zwar die Milben, die es zwar warm, aber feucht brauchen, doch zugleich sammelt sich besonders viel Kot an, der Verenas Allergie auslöst.

Dazu kommt: Je trockener die Luft ist, desto länger bleiben Keime darin hängen. Das ist einer der Gründe, warum wir uns in der kalten Jahreszeit in Innenräumen so leicht anstecken. „Je mehr Feuchtigkeit hingegen in der Luft enthalten ist, desto eher werden die infektiösen Partikel von den Wassermolekülen gebunden und sinken mit ihnen zu Boden“, erklärt der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. Nicht nur er fordert, dem Raumklima am Arbeitsplatz mehr Beachtung zu schenken, weil es in vielerlei Hinsicht die Gesundheit der Beschäftigten mitbeeinflusst. Neben gereizten Atemwegen und Augen können auch Kopfschmerzen oder Müdigkeit durch schlechte Innenraumluft ausgelöst werden.

Die meisten Probleme entstehen letztlich durch simple Dinge.
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter

„Die meisten Probleme entstehen letztlich durch simple Dinge“, meint Hutter: „Zu hohe oder zu niedrige Temperatur, zu trockene oder zu überheizte Raumluft. Und manchmal gibt es auch ungünstige Zugluftsituationen. Luftfeuchte, Temperatur und Luftbewegung in einen optimalen Bereich zu bekommen, ist oft schwieriger als es sich manche vorstellen.“ Das gilt aber nicht nur für kalte Wintertage, sondern sogar noch mehr für Sommerhitze, gerade in Büros mit Klimaanlage. Denn was den einen nicht kühl genug ist, lässt andere bereits frösteln. Dabei ist eine richtig eingestellte und professionell gereinigte Klimaanlage, die für eine entsprechende Luftfeuchtigkeit sorgt, „zwar ökologisch nicht unbedingt zu empfehlen, aber von der Raumluftqualität eigentlich das Beste“, ist der Raumluftsachverständige Peter Tappler überzeugt. Falsch eingestellt kann sie allerdings mehr schaden als nützen.

Luftfeuchtigkeit unter 20 Prozent

Aber zurück zur trockenen Raumluft im Winter. Wie weit verbreitet diese Problematik ist, will die Plattform „MeineRaumluft.at“ aufzeigen. Sie hat in Kooperation mit dem Institut für Ökologie, Technik und Innovation (OETI) von April bis Juni 2024 in insgesamt 100 Büros im Osten Österreichs die Raumluft gemessen und dabei unter anderem festgestellt, dass diese in jedem vierten Zimmer zu trocken war – und das wohlgemerkt nicht im Winter. Messungen der Umweltberatung sind zum gleichen Ergebnis gekommen.

Oft wird zu wenig gelüftet, und wenn, dann falsch.
Peter Tappler, Raumluftsachverständiger

Tappler überrascht das nicht: „Oft wird zu wenig gelüftet, und wenn, dann falsch.“ Zwar sind immer mehr Bürogebäude mit automatischen Lüftungsanlagen ausgestattet, doch auch diese sind nicht immer richtig eingestellt und bringen dann in der kalten Jahreszeit erst recht zu trockene Luft in die Räume. „Und weil in Büros nicht geduscht oder gekocht wird, wie es in Wohnräumen der Fall ist, gibt es weniger Feuchtigkeitsquellen“, erklärt der Sachverständige. „Da sinkt die Luftfeuchtigkeit manchmal sogar unter 20 Prozent.“ Also weit weg von den 40 bis 60 Prozent, die als ideal gelten.

Dazu kommt, dass moderne Büros oft außen Beton und innen dünne Gipskartonwände haben, durch die die Feuchtigkeit leicht aus dem Raum entweichen kann. Hier sind alte Gebäude im Vorteil, denn „eine mehrere Zentimeter dicke Kalkputzschicht, idealerweise auf Ziegel, nimmt zwar die Feuchtigkeit aus dem Raum auf, gibt sie aber nach und nach wieder ab“, erläutert Hutter. „Eine verspachtelte Betonwand ist da hingegen nicht so optimal von der Pufferwirkung her.“

Lüftung mit Bedarfsregelung – und Zimmerpflanzen

Wie aber bekommt man nun mehr Feuchtigkeit in den Raum? Eine technische Lösung besteht in einem Lüftungssystem mit Feuchterückgewinnung und Bedarfsregelung, sprich: Es wird nur dann frische Luft zugeführt, wenn der CO2-Wert ein bestimmtes Level erreicht. Moderne Anlagen verfügen über diese Funktionen. Ein Nachrüsten älterer Lüftungsanlagen ist allerdings aufwendig und teuer. Zumindest für Österreichs Schulen fordern aber Hutter und Tappler seit mittlerweile 15 Jahren entsprechende mechanische Lüftungsanlagen, „dann würden wir uns viel Ärger ersparen.“

Auch Zimmerpflanzen verbessern das Raumklima. Abhängig von den Gießintervallen können sie die Luftfeuchtigkeit um bis zu fünf Prozent erhöhen. Dabei gilt: Je mehr Pflanzen und je größer die Blätter, desto größer die Sauerstoff- und Befeuchtungsleistung. Gut geeignet sind zum Beispiel Zimmerlinde, Nestfarn, Zyperngras, Ficus, Kolbenfaden oder Aralie.

Ein Cocktail aus Risikofaktoren

Die Luftfeuchtigkeit ist aber nur ein Faktor von vielen in Bezug auf das Raumklima. Deshalb hat „MeineRaumluft.at“ nicht nur Lufttemperatur und -feuchtigkeit, Luftwechselrate und CO2-Anteil gemessen, sondern auch die Feinstaubbelastung durch Drucker und Kopierer oder die Ausdünstungen von Teppichen, Möbeln, Wandfarben oder Putzmitteln. Plattformsprecher Peter Skala spricht von einem Cocktail, der die Belastung ausmacht: „Luftschadstoffe werden meist einzeln untersucht und bewertet, doch das greift zu kurz, weil sie häufig in Mischungen auftreten.“ So wie bei Verena zur trockenen Heizungsluft die Staubmilbenbelastung dazukommt.

Alle wissen es, aber es wird zu wenig getan.
Peter Skala, Sprecher der Plattform „MeineRaumluft.at“

Immerhin ein positives Ergebnis kann Skala aus der Untersuchung herauslesen: „Angenehm überrascht hat uns, dass die flüchtigen Schadstoffe nicht in dem Ausmaß gemessen wurden wie befürchtet.“ Die Materialien dürften also besser geworden sein. Trotzdem resümiert er: „Alle wissen, wie wichtig gute Raumluft am Arbeitsplatz ist. Aber es wird noch immer zu wenig dafür getan.“


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Infos und Quellen

Genese

WZ-Redakteur Mathias Ziegler ist auf die Studie der Plattform „MeineRaumluft.at“ zur Luftqualität in Büros in Ostösterreich aufmerksam geworden. In Hinblick darauf, dass es sich dabei um keine NGO handelt, sondern dass hier auch Hersteller von Luftbefeuchtungsgeräten mit im Boot sind, die mutmaßlich ein Verkaufsinteresse haben, holte er die Meinung von zwei unabhängigen Experten ein, die ihm im Grunde das Gleiche sagten.

Gesprächspartner:innen

  • Hans-Peter Hutter ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Medizinischen Universität Wien.

  • Peter Skala ist Sprecher der Plattform „MeineRaumluft.at“.

  • Peter Tappler ist gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Innenraumhygiene.

  • Verena arbeitet in einem Büro mit Teppichboden und leidet das ganze Jahr über an ihrer Staubmilbenallergie. Ihren vollen Namen wollte sie lieber nicht online lesen.

Daten und Fakten

Nach einem Aufwärtstrend durch die Corona-Pandemie ist in den vergangenen Jahren der Verkauf von Geräten zur Verbesserung der Raumluft wieder zurückgegangen. Als wesentlichste Faktoren für gute Raumluft nennt die Plattform „Meine Raumluft.at“ Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2. Letzteres ist laut dem Umwelthygieniker Hans-Peter Hutter ein Indikator für die Intensität der Nutzung eines Raumes und damit ein Parameter für den Luftwechsel.

Ist die Luft zu trocken, sind Augen und Atemwege gereizt, und der körpereigene Schutzmechanismus ist geschwächt. Flüchtige organische Verbindungen (Total Volatile Organic Compounds – TVOC) stammen unter anderem von Farben, Möbeln oder Reinigungsmitteln und können unspezifische Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme. Feinstaub im Büro entsteht zum Beispiel durch die Toner von Druckern und Kopiergeräten. Hier existieren für Innenräume keine Grenzwerte.

Bei der Messaktion der Plattform „MeineRaumluft.at“ haben vor allem mittlere und größere Unternehmen mitgemacht. Untersucht wurden Büroarbeitsräume mit vier bis acht Arbeitsplätzen und teilweise auch Seminarräume in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Gemessen wurde in der Früh, bevor Personen in die Räume kamen, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen. Die Untersuchungen wurden anonym durchgeführt, die Daten kumuliert verarbeitet. Einzig die jeweiligen Auftraggeber:innen – meistens Geschäftsführer:innen oder Abteilungsleiter:innen – bekamen die eigenen Messergebnisse mitgeteilt. „Was sie in weiterer Folge damit tun, bleibt ihnen selbst überlassen“, erklärt Plattformsprecher Peter Skala.

An der Technischen Universität Graz wird derzeit eine großangelegte Langzeitstudie zur Raumluft in Klassenzimmern ausgewertet. Unter dem Titel „impAQS – Improving Air Quality in Schools“ wurden 1.200 zufällig ausgewählte Schulklassen in 120 Schulen aus den neun Bundesländern ein ganzes Jahr lang untersucht. Die Studie soll zeigen, wie es um die Lüftungspraktiken an Österreichs Schulen bestellt ist, welche positiven Effekte eine CO2-Überwachung im Klassenraum tatsächlich hat, und wie sich das Übertragungsrisiko von Virusinfektion in der Luft reduzieren lässt. Detaillierte Ergebnisse sollen bald veröffentlicht werden.

Quellen

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