PodcastTrotz steigender Ärzt:innenzahlen bleibt die Versorgung in vielen Bereichen angespannt.
In den vergangenen Wochen hatte ich etwas mehr mit Ärzt:innen zu tun, als mir lieb ist. Und wie der Zufall es so will, wird die Situation im Gesundheitswesen – Wartezeiten, Privatmedizin, wenig Zeit für die Behandlung, du kennst das ja sicher – gerade auch Thema in der Politik.
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Vor ein paar Tagen hat sich Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) in einem APA-Interview mit der Idee zu Wort gemeldet, dass Medizin-Absolventinnen und -Absolventen im Gegenzug für die kostenlose Ausbildung "einen solidarischen Beitrag für die Gemeinschaft" leisten. Vizekanzler und Parteichef Andreas Babler hat das dann etwas konkretisiert: Wer sich „für einige Jahre" zur Arbeit als Kassenarzt oder -ärztin verpflichte, solle bei der Bewerbung um einen Studienplatz vorgereiht werden.
Eine interessante Idee, die auf jede Menge unions- und grundrechtlicher Hindernisse stoßen könnte – nicht zuletzt, da es ohnehin schon eine „Österreicher:innen-Quote“ bei heimischen Medizinstudien gibt. Außerdem zeigen sich ÖVP und Neos eher mäßig begeistert, im Regierungsprogramm paktiert ist dieses Austromed-Praktikum jedenfalls nicht.
Was ich mich anlässlich dieser Debatte ja gefragt habe: Ist das Problem wirklich, dass wir zu wenige praktizierende Mediziner:innen haben? Nun – schauen wir einmal, wie das in Ärzt:innen pro Kopf im Vergleich mit den anderen Industriestaaten steht:
Wir sehen: Unter den westlichen Industriestaaten gibt es grundsätzlich kein Land, in dem der Anteil der praktizierenden Ärzt:innen an der Bevölkerung so groß ist wie in unserem.
Jetzt ist die bloße Zahl der Mediziner:innen für sich noch nicht total aussagekräftig, weil da auch eine ganze Menge weiterer Faktoren hineinspielen – zum Beispiel die Arbeitsbedingungen (wie viele Stunden arbeiten Ärzt:innen in einem Land gegenüber dem nächsten, wie viel Verwaltungsarbeit müssen sie machen, wie sind sie nach Spezialgebieten aufgeteilt, usw.
Demographie
Und natürlich spielt – erraten! – auch die Demographie eine Rolle. Ein relativ „junges“ Land wie Mexiko (Medianalter 30,6 Jahre) braucht abseits anderer Faktoren schlicht weniger Ärzt:innen als ein vergleichsweise gealtertes Land (wie Österreich mit 44,8 Jahren).
Aber abseits solcher struktureller Fragen ist die Entwicklung durchaus interessant:
Die Zahl der Ärzt:innen in Österreich ist in den vergangenen Jahren sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Bevölkerung stark gestiegen. Wie die neue Bestandsaufnahme der Statistik Austria belegt, die diese Woche veröffentlicht wurde, waren Ende 2024 rund 52.000 Ärzt:innen in Österreich tätig – das entspricht rund 565 pro 100.000 Einwohner:innen.
Allgemeinmedizin sinkt
Wie die Statistik jedoch auch zeigt: Diese Entwicklung ist nicht in allen Spezialisierungen gleich verteilt. Die Zahl der Allgemeinmediziner:innen zum Beispiel sinkt seit ihrem Höchststand von 2018 – 169 pro 100.000 Einwohner:innen – wieder und liegt jetzt „nur“ mehr bei 141.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Das hat aber logischerweise damit zu tun, dass die Zahl der Fachärzt:innen gestiegen ist – auf 320 pro 100.000 Einwohner:innen, ein historischer Höchststand. Die entsprechenden Zahlen findest Du bei der Statistik Austria unter „Einrichtungen und Personal im Gesundheitswesen“.
Was heißt das alles für unsere Personal- und Pflichtdebatte? Nun, ich würde angesichts der Zahlen sagen: Österreich hat nicht das größte Problem darin, Ärzt:innen dazu zu bringen, nach ihrer Ausbildung hier im Land zu arbeiten. Das heißt nicht, dass eine solche Verpflichtung nicht punktuell durchaus hilfreich sein kann – etwa, wenn es darum geht, unbeliebte Landärzt:innenstellen zu besetzen.
Aber die große demographische Herausforderung – eine ältere Bevölkerung ist tendenziell nun einmal auch eine krankere – wird sich damit eher nicht lösen lassen; da wird es um organisatorische Anpassungen gehen müssen ein smartes Leitsystem zum Beispiel, sodass Ärzt:innen „produktiver“ werden und mehr Zeit mit Patient:innen verbringen können.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
- Kleine Zeitung: Warum Bablers „Solidarbeitrag“ rechtlich riskant ist
- Statistik Austria: Einrichtungen und Personal im Gesundheitswesen
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