Zum Hauptinhalt springen

Die Goldgräber von Essling

10 Min
In Essling wachsen Geldscheine auf Gemüseäckern. Leistbare Wohnung wird hier so schnell keine gebaut.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Getty Images

ÖVP-nahe, gemeinnützige Bauträger:innen kaufen in Essling teure Felder, auf denen sie nicht bauen dürfen. Investoren verdienen Millionen damit. Sie profitieren genauso wie ÖVP-nahe Banken. Recherche eines erstaunlichen Geschäfts.


Es war schnelles Geld. Es waren leicht verdiente Millionen. Die Investoren kauften den Bauern ihre Felder billig ab – und verkauften sie teuer weiter. Auf Abnehmer:innen mussten sie nicht lang warten. ÖVP-nahe, gemeinnützige Bauträger:innen griffen bereitwillig zu. Sie zahlten horrende Preise für Äcker, auf denen sie nicht bauen dürfen. Ein Glück für ÖVP-nahe Banken. Denn auch die Hypo Niederösterreich und die Erste Bank Sparkassen AG verdienten gut mit dem Deal.

Sag uns bitte, wer du bist:

Es ist die Geschichte eines bemerkenswerten Geschäfts. Ihre Akteure sind gerissene Spekulanten, verärgerte Landwirt:innen, gewiefte Manager, die in Banken und Genossenschaften gleichzeitig sitzen. Die Geschichte erzählt, was passiert, wenn die Finanzwirtschaft bei gemeinnützigen Bauträger:innen mitmischt. Um günstige Wohnungen geht es in der Geschichte nicht. Es ist eine Geschichte des Geldes. Die WZ hat sie gemeinsam mit dem Falter recherchiert. Sie spielt am nordöstlichen Rand von Wien.

Auf den Wiesen und Äckern liegt Raureif. Am Horizont drehen sich lautlos die Kräne der Seestadt Aspern. Hier, in der Ambrosigasse im Gartenbaugebiet Essling in der Donaustadt, ist es still. Leere Gewächshäuser stehen neben geschlossenen Betrieben. Die kleinen Gemüsegärtnereien haben vor Jahren zugesperrt. Sie konnten mit der billigen Konkurrenz nicht mithalten. Sie fanden keine Abnehmer mehr für ihre Tomaten, Paprika, Gurken.

Die Spekulanten kommen

Das lockte eine kleine Gruppe von Spekulanten – Anwälte, Manager, ehemalige Fußballprofis. Ein Netzwerk an Firmen verbindet sie miteinander. Für die Immobilien-Deals in Essling haben sie neue Unternehmen gegründet – die Ambrosi22 Immobilien GmbH, die A14 Immobilien 2022 GmbH, die Asparagus22 Immobilien GmbH. Thomas Gabriel ist Geschäftsführer der ersten beiden Firmen. Gabriel ist ein erfolgreicher Mann. Er sitzt in vielen Immobilien-Firmen, hat einen Wohnsitz in Dubai und eine Rolex am Handgelenk.

Vergangenen Winter fuhr Gabriel in der Ambrosigasse vor, mit dickem Auto und teurem Anzug – und einem Angebot. „Zweimal habe ich Spekulanten weggeschickt“, sagt eine pensionierte Gemüsebäuerin, die hier nicht genannt werden will. Beim dritten Mal willigte sie ein. Ihre Söhne – denen sie die Grundstücke des einstigen Familienbetriebs geschenkt hatte – führten die Verhandlungen. Am 17. November 2022 unterfertigten sie den Kaufvertrag. 2,725 Millionen Euro bekamen sie für 1,2 Hektar Land – 214 Euro pro Quadratmeter. „Keinen Euro mehr wollte Gabriel zahlen“, sagt die Frau heute. So viel sei das Feld gar nicht wert, soll ihr Gabriel gesagt haben.

Der Preis verdoppelt sich

Nur drei Wochen später war es beinahe das Doppelte wert. Denn am 12. Dezember 2022 verkaufte die Ambrosi22 den Acker schon wieder. Sie bekam 5,218.166 Euro dafür, 410 Euro pro Quadratmeter. „Ich will darüber gar nicht nachdenken“, sagt die Pensionistin. „Sonst bekomme ich einen Herzinfarkt.“

Ich will darüber gar nicht nachdenken, sonst bekomme ich einen Herzinfarkt.
Pensionierte Gemüsebäuerin

Das Feld ist kein Einzelfall, das Vorgehen hat Methode. Gabriel läutete bei vielen Nachbar:innen. Die Spekulanten erwarben systematisch Agrarflächen in der Ambrosigasse. Nach wenigen Wochen verkauften sie sie teurer weiter. Sie hatten ohne große Leistung das große Geld verdient – 18,5 Millionen Euro. Mit WZ und Falter wollten die Investoren nicht sprechen.

Die Gemeinnützigen greifen zu

Käufer:innen waren die Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft, das Österreichische Siedlungswerk und seine Tochter, die Wohnbauvereinigung GFW Gemeinnützige GmbH – allesamt gemeinnützige, traditionell der ÖVP nahestehende Bauträger:innen. Sie kauften den Spekulanten in fünf Tranchen elf Hektar Land ab. Zwei Gründe gingen an das Siedlungswerk, zwei an die Schönere Zukunft, eines an die GFW. Das kleinste kostete 5,5 Millionen, das größte 16 Millionen Euro.

Insgesamt gaben sie 47,2 Millionen Euro für Felder aus, die sie wenige Wochen zuvor, ganz ohne Zwischenhändler, viel günstiger hätten haben können. „Weder wurden uns die Grundstücke von den Vorbesitzer:innen angeboten, noch sind sie uns bekannt“, heißt es dazu von der Schöneren Zukunft, die einzige der Bauträger:innen, die unsere Anfrage beantwortet. Ein Blitzgeschäft in Millionenhöhe. Wenige Wochen, um die Gründe zu prüfen, Kredite zu beschaffen, Verträge aufzusetzen. Nun sitzen sie auf teuren Feldern, auf denen sie Kartoffeln und Rüben pflanzen können. Häuser dürfen sie hier keine bauen.

Die nutzlosen Felder

Die Gründe im Gartenbaugebiet Essling sind geschützt. Ihre fruchtbaren Böden sind für die Landwirtschaft reserviert. Im Agrarstrukturellen Entwicklungsplan der Stadt Wien haben sie einen fetten schwarzen Rand. Sie sind als landwirtschaftliches Vorranggebiet der Kategorie 1 ausgewiesen, dem höchsten Schutzstatus für Agrarflächen. Die MA 21 (Stadtteilplanung und Flächennutzung) bestätigt das gegenüber WZ und Falter. „Es läuft kein Widmungsverfahren und es sind auch keine Änderungen vorgesehen“, heißt es aus der Magistratsabteilung. „Mit einer baldigen Umwidmung wird nicht gerechnet“, sagt selbst Stefan Haertl, einer von zwei Geschäftsführern der Schöneren Zukunft. Die Grundstücke sind für die Bauträger:innen für viele Jahre unbrauchbar.

Für Gemeinnützige erst recht. Die sollen für leistbaren Wohnraum sorgen. Ihre Bauprojekte werden mit Steuergeld gefördert, vorausgesetzt, sie erfüllen gewisse Kriterien. Der Grundstückspreis ist eines davon. „Kostet der Quadratmeter über 230 Euro, wird eine Förderung schwierig“, sagt ein ehemaliger Geschäftsführer eines gemeinnützigen Bauträgers, der hier nicht genannt werden will. Der weitaus höhere Preis der Felder in Essling macht ein rein gefördertes Wohnprojekt unwahrscheinlich. „Wenn Genossenschaften teuer kaufen, dann können sie nicht gefördert bauen“, sagt er. „Diese Felder hätte ich nicht gekauft.“

Die glücklichen Banken

Warum also kauften sie die teuren, nicht bebaubaren Gründe? „Die Grundstücke dienen als langfristige Grundstücksreserve“, heißt es aus der Schöneren Zukunft. Nach dem Bau der geplanten Stadtstraße, die die Flächen schneiden würde, erwarte man sich eine gute Anbindung an das Stadtzentrum.

Die Investition auf gut Glück ist vor allem ein Glück für die Banken. Sie machen mit Bauträger:innen, an denen sie auch beteiligt sind, Geld. Geld, das sich Gemeinnützige selbst nicht ausschütten dürfen.

Denn die sind dem Kostendeckungsprinzip verpflichtet. Sie dürfen den Mieter:innen und Käufer:innen der Wohnungen nur die Bau- und Grundstückskosten verrechnen. „Erzielen Gemeinnützige Überschüsse, etwa über beteiligte Subfirmen wie Hausverwaltungen, müssen die in Rücklagen gesteckt werden, mit denen sie neue leistbare Wohnungen bauen müssen“, sagt Roland Weinrauch, Jurist mit Schwerpunkt Bau- und Immobilienrecht. An die Rücklagen kommt also niemand heran.

Das Geld der Banken

Hier kommen die Banken ins Spiel. Die Hypo Niederösterreich und die Erste Bank Sparkassen AG finanzierten die Grundstücksgeschäfte in Essling. In den aktuellen Grundbuchauszügen sind sie als Pfandgläubigerinnen eingetragen. Sie haben den Gemeinnützigen Kredite gewährt, um die Gründe zu kaufen – und damit gut verdient.

Die Hypo Niederösterreich borgte der Schöneren Zukunft insgesamt 6,3 Millionen Euro. Die Erste Bank Sparkassen AG borgte der Schöneren Zukunft ebenfalls 6,3 Millionen Euro und dem Siedlungswerk 18,5 Millionen Euro. Wie viel sie mit den Krediten verdienen, wollen uns die Banken nicht sagen. Auch die Bauträger:innen schweigen.

Fest steht, das Geld bleibt in der Familie. Denn die Hypo Niederösterreich und die Erste Bank sind eng mit den Gemeinnützigen verwoben – über Beteiligungen und auf personeller Ebene.

Die Anteile der Banken

Beginnen wir mit der Schöneren Zukunft. Die Bauträgerin gehört zu 15 Prozent der HBV Beteiligungs-GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der Hypo Niederösterreich.

Die mächtige Bank ist im Besitz des schwarz-blau regierten Bundeslands. Es wickelt einen Großteil seiner Finanzgeschäfte über die Hypo ab, die Wohnbauförderung etwa. Die Bank ist fest in schwarzer Hand. Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik im Jahr 2017 war der heutige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Finanzlandesrat auf politischer Ebene für die Hypo zuständig, heute ist es Ludwig Schleritzko (ÖVP). Ihr Aufsichtsratsvorsitzender ist Günther Ofner, ehemaliger stellvertretender Direktor der Politischen Akademie der ÖVP.

Die Hypo ist nicht die einzige Bank mit Anteilen an der Schöneren Zukunft. Auch die Erste Bank Sparkassen AG besitzt über eine Tochter 15 Prozent der Bauträgerin. Die Erste Bank ist – wir erinnern uns – die zweite Kreditgeberin des Essling-Deals der Schöneren Zukunft. Hypo und Erste Bank teilen sich Kredite und Anteile schwesterlich – und setzten ihre Leute auf hohe Posten bei den Bauträger:innen.

Das Netzwerk der Banken

Die personellen Verbindungen sind zahlreich. Die Liste an Leuten mit Doppelfunktion ist lang. Da ist etwa Emanuel Obentraut. Er ist Geschäftsführer bei der Schöneren Zukunft und leitet die Abteilung Generalsekretariat und Beteiligungen bei der Hypo Niederösterreich. Die Schönere Zukunft sieht darin keinen Interessenskonflikt. „Darlehen, welche die Schönere Zukunft aufnimmt, werden ausgeschrieben und an den Bestbieter vergeben“, sagt der zweite Geschäftsführer Haertl. „Obentraut ist im Rahmen seiner Tätigkeit in der Hypo Niederösterreich nicht in die Kreditvergabe involviert.“

Obentrauts Kollege in der Bank ist Michael Swoboda. Als Abteilungsleiter ist er für die Finanzierung von Wohnbauten zuständig. Außerdem ist er Geschäftsführer der Hypo Gamma Immobilienerrichtungs- und Verwertungs-GmbH. In der Schöneren Zukunft sitzt Swoboda im Aufsichtsrat. Auch hier sieht Haertl keinen Interessenskonflikt. Die Hypo hätte keinen Einfluss auf die Bauträgerin.

Die Hypo ist nicht allein. Auch die Erste Bank hat Mitarbeiter in der Schöneren Zukunft installiert, Michael Priebsch etwa. Der Abteilungsleiter für großvolumigen Wohnbau bei der Erste Bank ist auch Aufsichtsrat bei der Schöneren Zukunft.

Die undurchsichtige Stiftung

Das Siedlungswerk gehört keiner der Banken. Es ist im Besitz der Ingeborg Meier Privatstiftung. 2018 saß sie auf einem Vermögen von knapp 3,7 Millionen Euro. 2022 hat der Vorstand des Siedlungswerks, laut Jahresabschluss, vorgeschlagen, 108.000 Euro an die Stiftung auszuschütten. Was mit dem Geld passiert, muss sie als Stiftung nicht offenlegen. Ihr Vorstand ist Herbert Fichta. Fichta tanzt auf vielen Hochzeiten. Er ist Aufsichtsrat bei den beiden Siedlungswerk-Töchtern Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft Kirchberg am Wagram und Immo 360 GmbH. Die Hypo Niederösterreich kennt er gut. Von 1999 bis 2012 war er ihr Aufsichtsratspräsident. Er gilt als enger Vertrauter von Sobotka.

In der Siedlungsgesellschaft Kirchberg am Wagram – die dem Siedlungswerk bzw. der Ingeborg Meier Stiftung gehört – ist Johann Penz Aufsichtsrat. Genauso wie bei der Hypo. Penz war zehn Jahre lang ÖVP-Landtagspräsident von Niederösterreich.

Die Grafik zeigt die personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen gemeinnützigen Bauträger:innen und Banken.
Das Netzwerk der Banken und Bauträger:innen.
© WZ, F5 Media

Das Netzwerk ist eng. Es reicht tief in die ÖVP hinein. Die Banken haben sich in die Gemeinnützigen eingekauft. Ihre Führungskräfte haben Schreibtische in den Baubüros. Sie sind die Profiteure der Geschichte. Sie – und die Spekulanten – haben mit den Esslinger-Grundstücksdeals viel Geld verdient. Zum Geldverdienen sind Gemeinnützige eigentlich nicht da. Sie sind verpflichtet, sparsam, wirtschaftlich, zweckmäßig zu handeln.

Die fragwürdige Prüfung

Die Einhaltung dieser Tugenden überprüft der Revisionsverband, dem alle gemeinnützigen Bauvereinigungen angehören. Der Verband muss die Abschlüsse von Bauvereinigungen prüfen, deren Interessen er gleichzeitig vertritt. Der Rechnungshof verwies in einem Bericht von 2019 auf diese Doppelrolle. Den jährlichen Prüfbericht übermittelt der Verband an die entsprechenden Landesregierungen. In Wien ist die MA 50 (Wohnbauförderung) zuständig. Auch hier ortete der Rechnungshof Mängel. In Wien waren 2016 lediglich 1,5 Vollzeitstellen für die Prüfung von 53 gemeinnützigen Bauträger:innen mit einer Bilanzsumme von über 16 Milliarden Euro zuständig. Inzwischen prüfen – laut Auskunft der Behörde – sechs Personen.

Das Österreichische Siedlungswerk habe alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten, heißt es aus der MA 50 auf Anfrage. Ob die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit eingehalten wurden, könne erst im Rahmen der nächsten Prüfung durch den Revisionsverband überprüft werden. Dort darf man der WZ und dem Falter keine Auskunft geben. Er ist gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Für die Prüfung der Schöneren Zukunft ist die niederösterreichische Landesregierung verantwortlich. Der Jahresabschluss im Jahr 2022 hätte den gesetzlichen Vorschriften entsprochen, lässt uns die Behörde wissen. Von den Grundstückskäufen in Essling weiß man dort nichts. Sie seien der Aufsicht nicht bekannt. „Es werden Erhebungen durchgeführt werden“, heißt es.

Und so sprießen in Essling Geldscheine auf Gemüseäckern. Leistbare Wohnung wird hier so schnell keine einzige gebaut.


Update: Wir haben ursprünglich geschrieben, der Revisionsverband will WZ und Falter keine Auskunft geben. Das ist nicht korrekt. Er ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und darf keine Auskunft geben.


Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.


Infos und Quellen

Genese

Michael Ortner und Matthias Winterer haben sich wiederholt mit Umwidmungen befasst, die aus Äckern über Nacht teures Bauland machten. Ein Hinweis führte sie in den Nordosten Wiens, nach Essling. Dort wurden große Flächen von Immobilienfirmen aufgekauft und kurze Zeit teurer an gemeinnützige Bauträger:innen weiterverkauft. Bauland-Widmung? Fehlanzeige. Die Flächen liegen im Gartenbaugebiet Essling und sind für die Landwirtschaft reserviert. Hier darf nicht gebaut werden. Doch warum wechseln die Gründe innerhalb weniger Wochen zweimal den Besitzer? Warum schlagen gemeinnützige Bauträger:innen bei Grundstücken zu, auf denen sie nur Rüben und Erdäpfel anbauen dürfen? Und welche Rolle spielen ÖVP-nahe Banken? Wir haben die Geschichte gemeinsam mit dem Falter recherchiert.

Gesprächspartner:innen

  • Landwirt:innen

  • Stefan Haertl, Geschäftsführung Gemeinnützige Wohn- und Siedlungsgesellschaft Schönere Zukunft

  • immo 360 Grad GmbH

  • Alois Feichtinger, Verbandsdirektor Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen – Revisionsverband

  • Florian Morgenbesser, Abteilungsleiter Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Familien und Generationen (F3) – Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen

  • Stephan Grundei, Sprecher Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál

  • Viktoria Neuber, Leitung MA 50, Wohnbauförderung und Aufsicht über gemeinnützige Bauvereinigungen

  • Andreas Baur, Sprecher MA 21B Stadtteilplanung und Flächenwidmung Wien

  • Karin Berger, Pressesprecherin Erste Group Bank AG

  • Florian Liehr, Pressesprecher Hypo NOE Landesbank für Wien und Niederösterreich

  • Roland Weinrauch, Jurist mit Schwerpunkt Immobilien- und Baurecht

  • Alfred Kollar, Obmann Vorstand Oberwarter Siedlungsgenossenschaft

  • Rudolf Kolbe, Aufsichtsrat VLW Vereinigte Linzer Wohnungsgenossenschaften gemeinnützige GmbH

Daten und Fakten

Die Wurzeln des gemeinnützigen Wohnbaus reichen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Die Wohnbedingungen in den rasant wachsenden Städten waren prekär. Gemeinnützige Genossenschaften wollten diesen Missstand bekämpfen – im Zusammenspiel mit staatlicher Unterstützung. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es vor allem darum, leistbaren Wohnraum für viele Menschen zu schaffen.

Gemeinnützige Bauvereinigungen sind privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen. Im Gegensatz zu gewinnorientierten Unternehmen ist ihr Hauptziel die Schaffung von kostengünstigem Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten. Die Mieten gemeinnütziger Wohnungen sind kostengedeckelt. Das heißt, die Bauvereinigung darf in der Regel nicht mehr, aber auch nicht weniger verlangen, als die Kosten des Bauvorhabens ausmachen. Das unterscheidet sie zentral von den Marktmieten.

Sie können als Genossenschaften, Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften agieren. Sie müssen dem Allgemeinwohl dienen und ihr Vermögen binden (WGG, §1, Abs. 2). Das – auch mit öffentlichen Mitteln aufgebrachte – und erwirtschaftete Kapital soll langfristig im Kreislauf erhalten bleiben und für Wohnbau eingesetzt werden.

Deshalb dürfen sie nur beschränkt Gewinn ausschütten. Ein Beispiel: Das Österreichische Siedlungswerk hatte 2022 laut Jahresabschluss einen Bilanzgewinn von rund 14,1 Millionen Euro. 108.581,28 Euro wurden an den wirtschaftlichen Eigentümer, die Ingeborg Meier Privatstiftung, ausgeschüttet. Der überwiegende Bilanzgewinn floss zurück in die Gewinnrücklagen.

Gemeinnützige Bauvereinigungen stehen unter staatlicher Aufsicht. Sie werden zudem vom Revisionsverband geprüft. Bauvereinigungen, die mehrheitlich im öffentlichen Eigentum sind, werden auch vom Rechnungshof geprüft. Laut Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz muss die Geschäftsführung und Verwaltung den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen (WGG, §23, Abs. 1). Gemeinnützige Bauvereinigungen genießen steuerrechtliche Vorteile. Sie sind von der Körperschaftssteuer (23 Prozent vom steuerpflichtigen Einkommen) befreit – sie bekommen also indirekt eine Förderung mit öffentlichen Mitteln. Sie erhalten außerdem Landesmittel aus der Wohnbauförderung.

Der Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen zählt 182 Mitglieder, darunter 97 Genossenschaften und 85 gemeinnützige Kapitalgesellschaften. Sie haben an der gesamten Wohnbauproduktion in Österreich einen Marktanteil von 25 Prozent. 2022 wurden von gemeinnützigen Bauvereinigungen insgesamt rund 16.850 Wohnungen fertiggestellt. Das Investitionsvolumen der Neubautätigkeit entspricht rund 3,7 Milliarden Euro (2022). Gemeinnützige verwalten rund eine Million Wohnungen. Der österreichische gemeinnützige Wohnbau gilt als Best-practice-Beispiel für leistbaren Wohnraum.

(Fast) alle Österreicher:innen zahlen (theoretisch) für den Wohnbau. Ein Prozent des Bruttolohns – je zur Hälfte Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wird als Wohnbauförderungsbeitrag einbehalten. Das Geld fließt an die Bundesländer, die die Kompetenz der Wohnbauförderung haben. 2022 wurden dadurch rund 1,3 Milliarden Euro eingenommen. Seit 2008 sind die Einnahmen nicht mehr zweckgebunden, die Länder haben sich aber verpflichtet, Wohnbauprogramme mit verbindlicher Bauleistung für zwei Jahre vorzulegen.

Quellen

Wir haben Grundbuch- und Firmenbuchauszüge, Kaufverträge, Pfand- und Stiftungsurkunden, Jahresabschlüsse und Prüfberichte gelesen.

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien