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Warum man sich von Brot und Spielen nicht blenden lassen sollte.
Late to the party, aber: Jeff Bezos und die Hochzeit. DIE Hochzeit. Es war wie ein Autounfall, bei dem man nicht wegsehen konnte. Diese Ansammlung an US-Oligarchie mitten in Venedig – einerseits verleitete die Zurschaustellung von Reichtum zum Hinschauen, und man empfand vielleicht ein kleines bisschen Neid, andererseits freute man sich dann doch, wenn man an den Outfits und dem Auftreten der Prominenten sah, dass man Stil halt doch nicht kaufen kann.
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Greenpeace setzte eine ihrer bekannten Aktionen – mitten am Markusplatz wurde ein Banner ausgerollt, das direkt Bezos zum Zahlen von Steuern aufforderte und indirekt an diverse Regierungen Europas gerichtet war, Vermögenssteuern einzuführen. Die Kritik an der Protz-Hochzeit war auch jenseits der Steuerforderung vielfältig: An erster Stelle stand die demonstrative Inszenierung von Milliardenluxus.
Manche kritisierten, dass Bezos in Zeiten von Inflation und Kriegen nicht einfach so feiern darf. Natürlich darf er, niemand kann es ihm verbieten. Aber es zeigt, wie entkoppelt von den Lebensrealitäten der meisten Menschen Jeff Bezos lebt. Ein bisschen Marie-Antoinette-Style konnte man der ganzen Situation nicht absprechen. Sie wurde dafür berühmt, dass ihr nachgesagt wird, auf den Hinweis, dass das Volk hungert und kein Brot hat, mit ‚Dann sollen sie doch Kuchen essen‘ reagiert zu haben.
Politik, Wirtschaft, Medien – alle waren da
Neben Schauspieler:innen und den Kardashians (deren gesamtes Businessmodell ganz allgemein darauf beruht, anderen ihren Reichtum vorzuleben) waren auch Menschen aus Politik und Medien anwesend. Obwohl Trump sich gerade mit seinem Superbuddy Elon Musk einen Rosenkrieg liefert, kam er trotz Einladung nicht zur Bezos-Hochzeit. Schade eigentlich, Bezos hat sich sicher gedacht, ui super, da ist jetzt ein Platz freigeworden im Weißen Haus. König Hussein und Königin Rania von Jordanien waren da – während die gesamte Region rund um ihr Land ein einziger Kriegsherd ist. Fand früher eine enge Verflechtung von Medien, Politik und Wirtschaft eher hinter den Kulissen statt, wird sie inzwischen recht ungeniert gezeigt. Schaut her, wir sind die, die euch regieren. Wir sind die neue und alte Monarchie.
Auch Mister Super-Klimaaktivist Leonardo DiCaprio war Gast – und versteckte als Einziger konsequent sein Gesicht vor den Fotograf:innen. Kein Wunder: Seit Jahrzehnten ist DiCaprio bekannt für sein Engagement für die Umwelt und gegen den Klimawandel. Dann kommt er nach Venedig geflogen, um mit einem Paar zu feiern, deren Zugang zu dem Thema gelinde gesagt durchwachsen ist.
11 Minuten Umweltzerstörung
Braut Lauren Sanchez, eine TV-Moderatorin und Pilotin, besitzt eine Filmfirma für Luftaufnahmen, und hat sich zum Jungesellinnen-Abschied einen kurzen Ausflug ins All gegönnt, gemeinsam mit Katy Perry, Gayle King und einigen anderen. Jede Person in der Weltraum-Rakete verbrauchte in ELF MINUTEN Schätzungen zufolge etwa 15 Millionen Tonnen CO2. Zum Vergleich: Ich habe mir mit meinem Mobilitätsmix, meiner Heizart, meinem Konsum und meiner Ernährung meinen CO2-Verbrauch ehrlich, aber grob ausgerechnet – er liegt bei unter fünf Tonnen … PRO JAHR.
Jeff Bezos ist der Gründer von Amazon, dem größten Logistik- und Technikkonzern der Welt, der pro Jahr so viel CO2 emittiert wie ganz Österreich, nämlich etwas über 70 Millionen Tonnen. Besonders die individuellen Transportwege knallen rein – klar ist es nicht rasend umweltschonend, wenn dir der neueste Stanley-Cup in einer Farbe, die du noch nicht hattest, vor die Tür geliefert wird. Doch was in meinen Augen viel schlimmer ist: Amazon gewöhnt uns an diese Form des Konsums. Bequem, schnell, vom Sofa aus. Das hat massivste Auswirkungen auf die Volkswirtschaften und den stationären Einzelhandel der Länder, in denen Amazon aktiv ist. Von den miesen Arbeitsbedingungen und der schlechten Bezahlung bei Amazon fang ich lieber mal gar nicht an.
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Aber wenn wir schon bei der Umwelt sind, war der Ort der Hochzeit ja auch nochmal sehr bezeichnend. Venedig ist von der Klimakatastrophe massiv gefährdet: Bereits ein kleiner Anstieg des Meeresspiegels bedroht die Häuser in der Lagunenstadt, die gleichzeitig durch das Nachgeben des Sediments langsam absinken. Außerdem wurden die berühmten acque alte – Hochwasser – durch die häufigeren Extremwetterereignisse in den letzten Jahren immer dramatischer und höher. Egal – als einer der reichsten Männer der Welt spendet man halt schnell mal ein paar Millionen an die Stadt, wird schon passen.
Bezos kauft sich raus – weil er kann
Genau dieses Sich-Rauskaufen ist eine Grundkonstante bei Bezos. Er positioniert sich – und das ist kein Scherz – als Klimaschützer. Mit seinem Bezos Earth Fund investierte er bisher gute 10 Milliarden US-Dollar in Klimaprojekte wie etwa den Naturschutz oder die Transformation von Lebensmittelsystemen. Klingt nach viel. Ist für ihn aber null schmerzhaft. Sein Gesamtvermögen, das er mit den umweltschädlichen Praktiken von Amazon erwirtschaftet hat, beläuft sich auf 240 Milliarden US-Dollar. Und Spenden an selbstgegründete Stiftungen sind in den USA steuerlich absetzbar.
Und wir, wir sitzen da, schauen dem zu, denken uns: „Na, dieses Brautkleid von der Sanchez ist jetzt kein Showstopper“, klicken uns durch die Bilder, lachen über DiCaprio mit Schirmkappe im Gesicht, aber: Können wir was tun? Müssen wir dem einfach nur zuschauen, weil es die Königskrönung des 21. Jahrhunderts ist?
Traurige Wahrheit: Wir können nicht viel machen. Es fühlt sich an, als wären wir diesem Zynismus ausgeliefert. Geld regiert die Welt, und Bezos hat das sehr genau verstanden. Aber wir können zumindest im Kleinen, so hin und wieder, bei manchen Dingen überlegen, ob wir die wirklich vom Sofa aus auf Amazon bestellen müssen. Ja, manchmal geht es nicht anders, aber Bücher, Kleidung oder Küchengeräte – das geht immer auch im stationären Handel.
Und viel wichtiger: Wir sollten uns nicht durch das BlingBling der Promis blenden lassen. Reichtum ist nix, was Bewunderung verdient. Wer mit dem Privatjet anreisen und damit Unmengen an CO2 in die Atmosphäre blasen kann, wer schnell mal für 11 Minuten ins All fliegen kann, weil ein Mädelswochenende auf Malle unter dem eigenen Niveau ist – der sollte kräftiger zur Kasse gebeten werden und nicht nur freiwillig ablegen. Greenpeace hat schon recht: Wenn man Venedig für seine Hochzeit mieten kann, kann man auch Steuern zahlen.
Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
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Infos und Quellen
Quellen
- greenpeace.de: Jeff Bezos in Venedig - Hochzeit auf Kosten von Menschen und Klima
- theguardian.com: The Bezos wedding was a study in disingenuous billionaire behavior
- nytimes.com: At Bezos’ Venetian Wedding: Buzz, Bling and Backlash
- thedailybeast.com: Jeff Bezos Tried to Kiss Up to Trump With Venice Wedding Invite
- handelsblatt.com: 15-Millionen-Hochzeit versetzt Venedig in Aufruhr
- spiegel.de: Feiern bis zum Untergang
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