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Die neuen Österreicher:innen

4 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Fotocredit: Georg Renner

Georg Renner sieht sich an, wie sich die österreichische Bevölkerung in den vergangenen Jahren durch Zuwanderung verändert hat.


Zu den perfiden Folgen von Terroranschlägen gehört es, dass es kaum eine Art gibt, darauf öffentlich nicht zu reagieren. Attentate wie jenes in Villach, bei dem ein 23-jähriger Syrer am Samstag wahllos auf Menschen eingestochen, einen 14-Jährigen getötet und andere schwer verletzt hat, erzwingen praktisch Reaktionen aus der Politik – und genau das ist es ja, was Terrorist:innen erreichen wollen.

Ob das die ÖVP ist, die „anlasslose Massendurchsuchungen“ und mehr Rechte für die Polizei – etwa bei der Überwachung von Messenger-Nachrichten – fordert, die SPÖ, die sich zum Beispiel für eine Einschränkung des Familiennachzugs bei Asylberechtigten ausspricht, oder die FPÖ, die gleich einen kompletten „Asylstopp“ in den Raum stellt: Keiner kann sich der schrecklichen Tat von Villach entziehen.

Viele dieser Diskussionen und jener, die da noch kommen werden, drehen sich unvermeidlich um Fragen der Zuwanderung und Asylmigration nach Österreich. Ich würde an dieser Stelle gern einen Schritt zurück machen und ein paar Fakten dazu liefern, sodass du dir selbst ein Bild machen kannst.

Asyl, Migration und Integration waren hier übrigens schon sehr oft Thema – zum Beispiel, was die prekäre Situation im Bildungssystem angeht, wie gut (oder schlecht) Afghan:innen und Syrer:innen am Arbeitsmarkt angekommen sind oder wie kriminell Ausländer:innen in Österreich im Verhältnis zu Inländer:innen eigentlich sind. Zu letzterem Thema hätte ich heute aus dem Anlass von Villach gern ein Update gemacht, aber die Kriminalstatistik 2024 ist noch in Arbeit – ich liefere das hier nach, sobald ich an die Zahlen komme.

Gehen wir das grundsätzlicher an – dahingehend, wie sich die österreichische Bevölkerung in den vergangenen Jahren durch Zuwanderung verändert hat.

Wir sehen: In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil an Ausländer:innen an der österreichischen Bevölkerung um ein gutes Drittel gestiegen. Während die Zahl der Österreicher:innen in Österreich seit zehn Jahren ziemlich stabil bei 7,1 Millionen Menschen liegt (auch durch Einbürgerung von Zuwanderer:innen, aber dazu gleich mehr), ist die Zahl der Fremden im Land von 1,5 auf über zwei Millionen gestiegen – pro Jahr im Schnitt also um rund 50.000 Personen.

Und das liegt nicht zuletzt an den Rekordzahlen von Asylsuchenden, die in dieser Zeit nach Österreich gekommen sind:

Ich bitte, die etwas wirre Zeitachse zu entschuldigen: Weil mehrere Leser:innen Feedback gegeben haben, doch bitte weniger einzelne Datenpunkte in meinen Grafiken zu verwenden, wollte ich eigentlich nur (wie oben) einen Zweijahresrhythmus zeigen, aber das hätte eines der Rekordjahre 2015 oder 2022 außen vor gelassen – daher also diese Darstellung.

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Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.

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Es zeigt sich, dass nach dem Rekordjahr 2022 die Zahl der Asylanträge in der Republik deutlich zurückgegangen ist – noch immer doppelt so viele wie die „Baseline“ rund um die 12.000 pro Jahr, auf denen sich die Zahl um 2010 herum eingependelt hatte, aber wenig im Vergleich des Post-Migrationskrise-Jahrzehnts.

Details dazu gibt es in der Asylstatistik des Innenministeriums – aber was sich in diesen vergangenen zehn Jahren immer wieder gezeigt hat: Zwei Nationalitäten stechen bei der Zahl der Asylanträge heraus – Syrer:innen und Afghan:innen.

Renner
© Screenshot

Zusammen haben Menschen aus diesen beiden Ländern von Anfang 2015 bis Ende 2024 fast 218.000-mal in Österreich Asyl beantragt – besonders im Fall Syriens mit hoher Erfolgsquote. Für ihren Anteil an der Bevölkerung in Österreich hatte das diesen Effekt:

Anfang 2023 waren gerade einmal 4.200 in Syrien geborene Menschen in Österreich gemeldet – Anfang dieses Jahres waren es knapp unter 100.000. Mehr als die Hälfte dieses Zuwachses ist übrigens, besonders durch Familiennachzug, erst in den vergangenen vier Jahren passiert. Während die Zahl der Afghan:innen seit 2017 praktisch stagniert – nicht zuletzt auch, weil ihre Asylanträge vergleichsweise selten Erfolg haben –, ist jene der Syrer:innen zuletzt stark gewachsen.

Auch bei den Einbürgerungen sind diese beiden Nationen inzwischen kräftig vertreten:

Dass Israelis mit großem Abstand die am häufigsten eingebürgerte Nationalität darstellen, täuscht übrigens ein bisschen: Wie auch bei den USA geht es da vor allem um Nachfahren der Nazi-Opfer, die seit kurzem unabhängig von anderen Faktoren wie dem Wohnort ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben.

Nimmt man dagegen nur jene Menschen mit Wohnsitz im Inland heraus, die hier eingebürgert worden sind, liegen ehemalige Syrer:innen ganz an der Spitze:

Ob und wie das weitergeht, sollte sich Syrien unter seinen neuen Machthabern stabilisieren, wird auch für die österreichische Integrationspolitik eine entscheidende Rolle spielen.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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