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Die Pandemie hatte was Gutes

4 Min
Nunu Kaller schreibt zweimal im Monat eine Kolumne für die WZ.
© Illustration: WZ

Erinnert euch an die Zeit, als wir uns daran erinnerten, was wir eigentlich wollen.


    • Während der Pandemie stieg das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und alternative Anbieter verzeichneten hohe Umsätze.
    • Mit der Inflation und steigenden Preisen kehrten viele zu günstigeren, konventionellen Angeboten zurück.
    • Trotz vorhandener Alternativen dominiert wieder das alte Konsumverhalten, nachhaltige Optionen werden kaum genutzt.
    • Alternative Lebensmittelanbieter steigerten während der Pandemie massiv ihre Umsätze
    • 2025 bleibt Österreich eines der wenigen EU-Länder mit Rezession
    • In Wien wurden in einem Monat 172 Fälle falscher Preisauszeichnung entdeckt
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Könnt ihr euch noch an die Pandemie erinnern? Wie ihr damals Lebensmittel gekauft habt? Wie ihr nachgedacht habt, was wichtig ist, was ihr braucht und was nicht? Wo ist das hingekommen?

In den Lockdowns waren die Lebensmittelläden immer geöffnet. Doch viele begannen darüber nachzudenken, was sie da eigentlich so jeden Tag essen. Viele hatten plötzlich mehr Zeit, um zu kochen. Man merkte, dass man mehr Geld hatte, weil man nicht mehr ins Restaurant gehen konnte.

Viele überdachten also ihre Prioritäten – mit dem Ergebnis, dass alternative Lebensmittelversorger hohen Zulauf hatten. Der Bauernmarkt, bei dem man online bestellen konnte. Der Anbieter, der bei diversen Hofläden einkaufte, und bei dem man einmal die Woche abholen konnte. Bio-Kistl-Anbieter. Sie alle konnten ihre Umsätze massiv steigern.

Mode

Gleiches galt für die Mode. Die Fast-Fashion-Riesen erlitten heftige Verluste, kleine Labels mit fairer, nachhaltiger Mode feierten Erfolge wie nie zuvor. Von Bio-Stoff-Vertrieben bis hin zu kleinen fairen Labels: Alle verzeichneten sie Rekordjahre. Ich hatte damals großen Spaß, mir die Online-Shops von Fast-Fashion-Anbietern anzusehen – die Jogginghosen und Leggings waren die einzigen Produkte, die immer wieder teilweise oder ganz ausverkauft waren. Wir merkten, wir brauchten nicht so viel – und das, was wir brauchten, sollte bitte gute Qualität haben.

Die Inflation löschte die guten Gedanken wieder aus

Die Pandemie ist vorbei, die Energiekrise (was für ein Unwort, übrigens) kam. Und mit ihr kam die Inflation. Plötzlich wurde alles teurer – Lebensmittel, Kleidung, Energie. Und das Bewusstsein, das sich viele während der Pandemie aufgebaut hatten, wich langsam der Sorge ums Geld. Was nützt einem der gute Vorsatz, regional einzukaufen, wenn das Supermarkt-Angebot billiger ist? Was hilft die Fair-Fashion-Hose, wenn man für den Preis drei im Sale bekommt?

Ich verstehe diese Gedanken. Auch mein Jahr 2023 war ein finanzielles Desaster, mir ging es wie vielen. Da war neue Kleidung dann wirklich nicht drin. Und Österreich ist eines der wenigen EU-Länder, die sich 2025 immer noch mit einer Rezession herumschlagen, das Wachstum ist zu gering, die Konkurse immer noch zu viele. Wir spüren es alle am Konto.

Das alte Normal wurde wieder das neue Normal

Und so drehte sich das Rad wieder rückwärts. Der wöchentliche Marktbesuch wich dem schnellen Besuch beim Billa ums Eck, das Bio-Kistl wurde abbestellt, weil’s „eh zu viel“ war, und der fixe Termin, an dem man die Hofladen-Produkte abholen konnte, fiel dem Zeitdruck zum Opfer. Das neue Normal war erstaunlich schnell das alte Normal.

Bei der Kleidung kann ich es leider verstehen. Wir haben alle genug im Kleiderschrank, und darauf lässt sich zugunsten des Sparens gut verzichten. Und es stimmt ja auch, was Vivienne Westwood mal sagte: Kauft weniger, sucht’s gut aus, schaut’s, dass es lang hält. Aber Lebensmittel?

Sich anders zu ernähren, sich keinen Konzernmist in den Mund zu schieben, ein anderes Wirtschaftssystem dabei unterstützen, das ist doch viel mehr als nur ein kurzer Gedanke, weil grad Zeit da ist. Das ist eine Entscheidung für gesünderes Essen und – in Österreich – gegen die Marktkonzentration von nur drei Supermarktketten. Und eine Entscheidung gegen die Art, wie die Supermarktketten agieren. In nur einem Monat hat das Marktamt in Wien 172 Fälle falscher Grundpreise, unrichtiger Mengenangaben oder fehlender Kennzeichnung gefunden.

Wir wissen es doch besser!

All die tollen Alternativen, die es hierzulande bereits gibt, Food-Coops, Online-Bauernläden, Mitmach-Supermärkte, sie alle kämpfen darum, gesehen zu werden. Sie arbeiten auf Augenhöhe mit den Produzent:innen zusammen und zahlen ihnen einen angemessenen Einkaufspreis. Sie bieten Nahrungsmittel an, die teilweise günstiger sind als im Supermarkt. Sich supermarktfrei zu ernähren ist nicht teurer und bietet die gleiche Convenience. Man muss es nur wollen. Aber: Diese Anbieter haben keine Chance gegen die Werbemacht der Supermärkte. Und ich frag mich: Warum hat es dann in der Pandemie so gut geklappt?

Wir wissen es ja eigentlich besser. Wir wissen, dass nachhaltiger Konsum nicht nur ethisch richtig ist, sondern langfristig auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll wäre. Aber der Mensch vergisst schnell. Vielleicht zu schnell.

Und so stehen wir jetzt wieder da, wo wir vor der Pandemie waren: mit vollen Einkaufswägen voller Produkten aus Massenerzeugung, überquellenden Kleiderschränken voller Fast Fashion, leeren Konten. Statt guter Lebensmittel kaufen wir schlechte Kleidung. Schade eigentlich. Denn wir hatten schon einmal angefangen, es besser zu machen.

Nunu Kaller schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Nachhaltigkeit. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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