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Wo die Luft in Wien am schlechtesten ist

5 Min
Feinstaub gibt es in Wien überall.
© Illustration: WZ

Auto-Abgase am Gürtel, Feinstaub am Praterstern: Wie steht es um die Luftqualität in Wien? Eine Datenanalyse der WZ zeigt, wie gut die Luft in eurer Nachbarschaft ist.


Es ist hektisch, laut und stickig. Auf drei Spuren fahren Autos, mittig teilen sich Straßen- und Badner Bahn die Schienen. Eine Betonwüste im Herzen der Stadt. Die Rede ist von der Wiedner Hauptstraße. Der Messsensor schlägt an: Hier ist die Feinstaubbelastung besonders hoch.

Feinstaub, das ist ein Sammelbegriff für kleine Partikel, die in der Luft schwirren. Die kleinsten Teilchen gelangen bis in die Lungenbläschen. In Wien wird die Feinstaubbelastung von der Umweltschutzabteilung MA 22 an insgesamt 17 Stationen über das Stadtgebiet verteilt gemessen. Doch es gibt nicht nur die offiziellen Messstellen. Auch Privatpersonen sammeln Daten über die Luftqualität. Messgeräte gibt es schon um 50 Euro im Internet. Sie werden außen ans Fenster montiert oder auf den Balkon gehängt. 120 solcher privaten Messstationen gibt es bereits. Die Messdaten sind frei verfügbar.

Die WZ hat diese Daten und jene der Stadt Wien analysiert und zeigt euch, wie belastet die Luft in eurer Nachbarschaft ist.

Welche Straße hat besonders schlechte Luft?

Anhand eines Messwertes Aussagen über eine ganze Straße zu treffen, ist schwierig. Denn Feinstaub verhält sich trickreich – bereits am Gehsteig schwirren erheblich weniger Teilchen herum als auf der Fahrbahn, erklärt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der Medizinischen Universität Wien und Experte für Luftschadstoffe. Was viele nicht wissen: Die höchste Konzentration an Feinstaub bleibt bei den Hauptverursacher:innen – den Autofahrer:innen. Die Luft zirkuliert im Auto und man fährt in der eigenen Abgassuppe.

Aber Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Unterschieden wird beim Durchmesser der Partikel – kleiner als 10 (PM10) und kleiner als 2,5 Mikrometer (PM2,5). Umso kleiner die Teilchen, umso gefährlicher sind sie. Und auch umso leichter. Das heißt, dass die vierfache Menge an PM2,5 die gleiche Masse an PM10 ergibt. Wenn die Messwerte also in Mikrogramm pro Kubikmeter definiert werden, sollte man das im Hinterkopf behalten. Es ist entscheidend, wie und wo gemessen wird.

Wo gemessen wird, weiß Silvio Heinze, Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Luftdaten.at und Klubobmann der Neubauer Grünen. Viele der privaten Sensoren hat er selbst installiert. Heinze sieht sein Projekt als Ergänzung zur Wiener Umweltschutzabteilung MA 22. Denn die Stadt misst nur an 17 Standorten Feinstaub und andere Luftschadstoffe.

Die Standortwahl hängt davon ab, ob die Daten über Luftschadstoffe auf vergleichbare Orte übertragbar sind. Die an der städtischen Messstelle an der Taborstraße ermittelten Werte lassen sich etwa auch auf andere Orte mit ähnlich hohem Verkehrsaufkommen übertragen. Anhand dieser Messdaten berechnet die MA 22 anschließend ein Modell für die ganze Stadt, mit dem sie flächendeckende Aussagen zur Belastung der Luftqualität in den Straßen trifft.

Doch für Silvio Heinze ist das zu wenig. Er möchte den Bewohner:innen Wiens die Feinstaubbelastung vor der eigenen Haustür zeigen. Er betont jedoch, dass es schwierig bleibt, mit nur einem einzelnen Messpunkt Aussagen über ganze Straßen zu treffen.

Verbrenner verpesten die Luft

Die gute Nachricht: Grundsätzlich geht die Schadstoffbelastung in Wien zunehmend zurück – auch wenn es 2021 wieder einen leichten Anstieg beim Feinstaub gab. Die schlechte Nachricht: Der Verkehr bleibt nach wie vor der größte Luftverschmutzer – gerade bei den sehr schädlichen Stickoxiden.

Stickoxide sind starke Reizgase, die vor allem bei Verbrennungsprozessen entstehen – in der Industrie und im Automotor.

In Großstädten mit einem hohen Verkehrsaufkommen ist die Belastung an Stickoxiden deshalb sehr hoch, sagt Hutter. Und Stickoxid ist schwerer als Luft, weshalb er sich vor allem in Tälern absetzt. Deshalb ist die Luft in Graz etwa schlechter als die Luft in Wien.

Gemessen werden Stickoxide in Wien ebenfalls von der MA 22. Dabei ist die Wiener Umweltschutzabteilung auch für die Einhaltung mehrerer Bundesgesetze verantwortlich – wie etwa dem Immissionsschutzgesetz (IG-L).

Heinz Tizek von der MA 22 erklärt, dass die vom IG-L gesetzten Grenzwerte auch in Wien in den vergangenen Jahren allesamt eingehalten wurden und die Belastung an Schadstoffen abnimmt. Für den Umweltmediziner Hutter reicht das aber nicht. Er verweist auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese befürwortet eine weitaus niedrigere Obergrenze als die aktuell geltenden EU-Gesetze vorschreiben. Auch wenn die Luft in Wien relativ sauber ist, der empfohlene Wert der WHO wird an allen Messstellen überschritten – in ganz Österreich.

Wenn der Wiener Wind weht

Wie sauber die Luft ist, hängt auch stark vom Wind ab. Wien gilt als vergleichsweise windige Stadt. Sogenannte Windschneisen sorgen für die relativ gute Luft innerhalb der Landeshauptstadt. Die Schneisen gehen, wie der Wind, von Nordwest nach Ost. Deshalb ist die Luft in der stark befahrenen Burggasse sauber – der Wind verbläst die Schadstoffe.

Ein Blick auf die Karte zeigt: Wo der Wind weniger bläst und das Verkehrsaufkommen groß ist, ist die Luft schlechter – etwa am Hietzinger Kai und an der Südosttangente.

Je geringer das Einkommen, desto schlechter die Luft

Der Wind bläst besonders in den Bezirken, die an den Wienerwald angrenzen. Auf den sanften Hügeln siedelten sich bereits früh in der Stadtgeschichte wohlhabende Menschen an – bis heute. Das zeigt auch ein Blick auf das durchschnittliche Nettoeinkommen der Wiener:innen. Das Durchschnittseinkommen in Währing und Döbling ist höher als in anderen Bezirken.

Atmen die wohlhabenderen Menschen also die bessere Luft? Die Statistik sagt ja. Die Luftqualität ist dort besser, wo das Durchschnittseinkommen höher ist. Die Karte zeigt auch, dass die Luft am vielbefahrenen Gürtel schlechter ist – das Durchschnittseinkommen ist hier niedriger als in vielen anderen Gegenden Wiens.

Zurück zur Wiedner Hauptstraße. Die Stadt hat bereits neue Pläne für die Straße – sie soll „klimafit“ werden. Eine groß angesetzte Umgestaltung soll noch bis Ende dieses Jahres abgeschlossen werden. Geplant sind unter anderem mehr Radwege und Grünflächen. Die Frage bleibt, ob sich dadurch auch der Autoverkehr nachhaltig reduziert. Denn nur so verringern sich Luftschadstoffe. Und man kann durchatmen.


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Infos und Quellen

Genese

Wien ist bekanntlich die lebenswerteste Stadt der Welt. Doch wie sieht es mit der Luftqualität aus? Maximilian Hatzl hat sich alle verfügbaren Daten zur Luftqualität geholt und ausgewertet.

Gesprächspartner:innen

  • Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der medizinischen Universität Wien

  • Heinz Tizek, Leiter der Datenauskunft der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22)

  • Silvio Heinze, Gründer von Luftdaten.at und Klubobmann der Neubauer Grünen

  • Andreas Mitterlehner, Statistik Austria

  • Inge Zechmann, Pressesprecherin Umweltbundesamt

  • Christian Gratzer, Pressesprecher VCÖ

  • Erwin Forster, Pressesprecher Straßenverwaltung und Straßenbau (MA 28)

Daten und Fakten

  • Woher stammen die Daten?

  • In diesem Artikel wurden die Daten der Luftschadstoffe, sowie die Brutto- und Nettoeinkommensdaten der Einwohner:innen Wiens verwendet.

  • Die Daten der Luftqualität stammen vom Citizen Science Projekt Aqicn.org. Aqicn.org ist eine Plattform, die die Daten samt Standort im Internet kostenlos zugänglich macht. Neben diesen Daten mappt die Website auch die Daten der Messpunkte der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22).

  • Für die Aufbereitung der Emissionen in Wien wurden die Daten des Umweltbundesamtes verwendet. Dort findet sich eine detaillierte Beschreibung der Luftschadstoffe.

  • Die Daten der Brutto- und Nettoeinkommen wurden von der Statistik Austria bereitgestellt.

  • Wie haben wir gerechnet?

  • Für die einzelnen Messpunkte wurde jeweils der Jahresdurchschnitt an Feinstaub (PM2,5) berechnet. Dabei wurde am Stichtag 23. Februar 2024 exakt ein Jahr zurückgerechnet – es blieben 365 Messwerte zu 365 Tagen. Für ein valides Ergebnis wurden Messstationen, die weniger als 75 Prozent der Tage einen Wert aufwiesen (also 274 Tage) und/oder weniger als 15 Tage pro Monat maßen, im Vorfeld herausgefiltert. Von den 124 Messstationen blieben am Ende 46 mit validen Daten übrig. Es folgte eine einfache Durchschnittsberechnung.

  • Für die Stickoxide wurden die Messstationen der MA 22 verwendet. Hierbei wurden ebenfalls die Daten von Aqicn.org verwendet. Die Einheit war in unseren Fällen der AQI (eng. Air Quality Index).

  • Für den Zusammenhang von Luftqualität und Einkommen der Bürger:innen in Wien wurde der Spearman’sche Rangkorrelationskoeffizient (Rho) verwendet. Dieser errechnet einen linearen Zusammenhang ordinaler Daten. Der Rangkorrelationskoeffizient Rho liegt immer zwischen -1 und 1. Unsere Berechnung ergab einen Wert von <-0,7. Hierbei wurde das Nettoeinkommen der Zählsprengel Wiens mit den Messwerten der sich dort befindlichen NOx Messstationen der MA 22 verglichen.

  • Ein Wert von −0,7 deutet auf einen ziemlich starken negativen Zusammenhang hin. Das bedeutet: Wenn der Wert der einen Variablen steigt, fällt der Wert der anderen Variablen tendenziell, und umgekehrt. In diesem Fall steigt der Wert des Nettoeinkommens, während der Wert der Luftverschmutzung (AQI) fällt. Dies impliziert jedoch keine Kausalität, sondern beschreibt lediglich die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen den Rängen der beiden Variablen.

  • Kann es einen Fehler in den Daten geben?

  • Fehler in Daten sind nie auszuschließen. Sie könnten beim Messen und beim Speichern auftreten. Beim Luftmessen muss beachtet werden, wo der Sensor platziert ist und ob dieser richtig geeicht wurde. Ein Sensor in einem Gebäude oder neben einem Rauchfang liefert beispielsweise ein verfälschtes Ergebnis.

  • Für diese Geschichte wurden über 120 Sensoren mit jeweils knapp 365 Datensätzen verglichen. Durch das Errechnen der einzelnen Jahresdurchschnitte wird versucht, gegebene Messfehler oder Fehler beim Speichern auszumerzen.

  • Was sind Luftschadstoffe?

  • Es gibt gasförmige Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid (NOx), Ozon (O3), Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2). Und es gibt partikelförmige Luftschadstoffe wie Feinstaub. Beides verringert die Luftqualität.

  • Zum Feinstaub zählen kleine Partikel, die in der Luft schwirren. Unterschieden wird zwischen PM10 – was Staubfraktionen mit einem Durchmesser von unter 10 µm bezeichnet - und PM2,5 für Staubfraktionen, bei welchen mindestens die Hälfte der Teilchen kleiner als 2,5 µm sind. Zusätzlich gibt es noch ultrafeine Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 0,1 µm.

  • PM2,5 gilt als besonders gefährlich, da diese Teile bis in die Lungenbläschen gelangen. Gemessen wird Feinstaub meist in Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³). Aber auch andere Skalierungen wie der AQI (engl. Air Quality Index) sind gängig.

  • Was sagt der AQI?

  • Der AQI (eng. Air Quality Index) ist eine weitverbreitete Skala, welche eine einfache Bestimmung der Luftverschmutzung bietet. Der AQI variiert von Land zu Land. In unserem Fall wurde der AQI der Website aqicn.org verwendet, welcher der US-EPA Norm von 2016 entspricht. Anhand der 6-stufigen Skala wird der Einfluss von Luftverschmutzung auf die Gesundheit beschrieben. Sie setzt sich wie folgt zusammen: SEHR GUT (0-50), GUT (50-100), MITTELMÄSSIG (101-150), AUSREICHEND (151-200), SCHLECHT (201-300), SEHR SCHLECHT (300-500). Wie aqicn.org die jeweiligen Messeinheiten in den AQI umrechnet, findet sich in diesem Dokument.

  • Wien ist im Durchschnitt mit einem Wert kleiner als 50 immer noch in der risikoärmsten Stufe. Ein Wert ab 100 gilt als ungesund. Über 300 wird es schwerwiegend gefährlich.

  • Gibt es noch andere Skalen?

  • Ja. In Österreich ist beispielsweise der Wiener Luftgüteindex ein gängiges Bewertungsschema. Dieser ist ebenfalls in sechs Stufen unterteilt. Luftverschmutzer wie Feinstaub und Stickoxide werden in Fachkreisen auf die Belastung in Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (µg/m³) in einem gewissen Zeitraum (tageweise, stündlich, halbstündlich, etc.) gemessen.

Quellen

Das Thema in anderen Medien