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Klein- und Mittelbetriebe sehen Nachhaltigkeit als Teil ihres Firmenerfolgs und wünschen sich Planungssicherheit. Doch genau die gibt ihnen die Politik nicht. Katharina Rogenhofer, Vorständin des KONTEXT Instituts für Klimafragen im Interview.
Viele junge Menschen sorgen sich um ihre Zukunft. Wie können sie Unternehmen und Politik zur Verantwortung ziehen?
Es ist von zentraler Bedeutung, die notwendigen politischen Rahmenbedingungen einzufordern. Es muss klar sein, dass das ein Anliegen aller Menschen ist. Fortschrittliche Unternehmen sollten sich Gehör verschaffen und sich verstärkt in ihren Interessenvertretungen einbringen und die Ökologisierung der Wirtschaft einfordern. Jeder kann eine Petition oder ein Volksbegehren unterschreiben, eine Bürgerinitiative gründen, sich im Büro austauschen oder zum Bürgermeister gehen und ihn fragen, was die eigene Gemeinde eigentlich für die Klimaneutralität 2040 macht.
Sie haben rund 2.000 österreichische kleine und mittlere Unternehmen zu ihrem Zugang zum Klimaschutz befragt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse dieser Umfrage?
Es ist spannend zu sehen, dass die große Mehrheit der österreichischen Unternehmen und hier vor allem Klein- und Mittelbetriebe ihre Verantwortung im Klimaschutz sehen. Sie sehen Klimaschutz sogar als Teil des langfristigen Unternehmenserfolgs. Die Mehrheit der Unternehmen sagt auch, dass sie für staatliche Eingriffe eine hohe Akzeptanz hätten, sogar wenn diese mit Einschränkungen verbunden wären. Negativ aufgefallen ist, dass die Politik in Klimafragen eine geringe Glaubwürdigkeit bei Unternehmern hat und wenig Vertrauen genießt.
Diese Stop-and-Go Politik erschüttert das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit.Katharina Rogenhofer, KONTEXT-Institut
Warum haben Unternehmen so wenig Vertrauen in die Politik?
Die Unternehmen leiden vor allem darunter, dass es keinen partei- bzw. wirtschaftspolitischen Konsens gibt. Sie nehmen wahr, dass die Umsetzung häufig an Interessen scheitert und können sich nicht darauf verlassen, dass bestimmte Maßnahmen langfristig umgesetzt werden. Betriebe können so nicht planen. Diese Stop-and-Go Politik erschüttert das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit.
Welche Möglichkeiten gibt es für Klein- und Mittelbetriebe, um nachhaltig zu sein?
Es gibt viele Möglichkeiten. Ähnlich wie bei Haushalten kann ich mir überlegen, welche Energie ich beziehe, wie ich mein Gebäude sanieren kann oder den Güterverkehr und die betriebliche Mobilität nachhaltiger gestalte. Wichtig dabei ist, dass die Firmen eine Beratung haben. Hier sehe ich Interessensvertretungen, wie Industriellenvereinigung oder Wirtschaftskammer, am Zug.
Welche politischen Schritte sind Ihrer Meinung nach notwendig, um Unternehmen mehr Planungssicherheit zu geben?
Die CO2-Steuer wird mit der neuen Regierung Gott sei Dank nicht angegriffen. Das ist gut so. Damit zahlen sich Investitionen in nachhaltige Technologien langfristig aus. Aber auch Förderungen erleichtern es Unternehmen zu investieren. Und es braucht auch einen gesetzlichen Rahmen mit klaren Vorgaben.
Die Auftragsbücher von Elektrikern waren voll. Die Förderungen waren wichtig.Katharina Rogenhofer
Welche Auswirkungen sehen Sie durch die kürzliche Entscheidung der Regierung, weniger Öko-Förderungen zu verteilen?
Die jetzige Bundesregierung hat viele dieser Kürzungen vom Sparplan übernommen, den FPÖ und ÖVP in ihren Koalitionsgesprächen verhandelt haben. 20 Prozent der Umweltförderungen sollen demnach gestrichen werden. Das ist insofern kontraproduktiv, weil zum Beispiel Installateure oder Elektriker mit einer Fortsetzung der Förderung für Heizungstausch gerechnet haben. Die Auftragsbücher von Elektrikern waren voll. Die Förderungen waren wichtig – gerade für die heimische Wertschöpfung. Die Menschen, die die Photovoltaikanlagen auf den Dächern platzieren und Heizungen tauschen, arbeiten in Klein- und Mittelbetrieben.
Der Installateur hat also keine Aufträge mehr, der Fördertopf für den Heizkesseltausch ist leer und das E-Auto ist nicht mehr steuerbegünstigt. Im Gegensatz dazu werden die Verbrenner-Autos für KMUs von der NoVA befreit. Das klingt nach sehr beliebigen Maßnahmen. Was sind die drei wichtigsten Punkte für Unternehmen, die eine Politik durchziehen müsste?
Der größte Punkt wird die Frage der Energie sein. Hier muss die Bundesregierung die Nutzung erneuerbarer Energien und die Elektrifizierung von Produktionsprozessen erleichtern und mit klaren Vorgaben unterstützen. Der zweite Punkt ist die Mobilität. Wenn ich einen Fuhrpark habe, viele Mitarbeiter im Außendienst, oder wenn ich mir einfach die Frage stelle, wie meine Mitarbeiter zur Arbeit kommen, dann brauche ich auch die Unterstützung des Staates. Noch immer wird dabei klimaschädliches Verhalten steuerlich begünstigt, etwa mit der Pendlerpauschale oder dem Dienstwagenprivileg. Unser Vorschlag wäre, ein betriebliches Mobilitätsbudget einzuführen, von dem alle profitieren können. Damit könnten Öffi-Ticket, E-Leihräder oder Carsharing unterstützt werden.
Österreich ist das Land der Pendler:innen. An der Pendlerpauschale wird nie gerüttelt. Wie könnte hier eine Lösung aussehen?
Unser Vorschlag wäre nicht die Abschaffung, sondern eine Reform. Derzeit werden alle mit pauschalen Geldbeträgen gefördert, egal, ob öffentliche Verkehrsmittel zumutbar sind oder nicht. Dazu kommt, dass sich diese Pauschale nach der Höhe des Gehalts richtet. Das heißt, der, der mehr verdient, bekommt auch mehr Geld. Das ist unlogisch. Unser Vorschlag ist, dass jene ein regionales Jahresticket bekommen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen können und nur jene Kilometergeld ausbezahlt bekommen, bei denen die Verwendung von Öffis unzumutbar ist.
Viele Unternehmen spüren einen großen Druck von Berichtspflichten.Katharina Rogenhofer, KONTEXT-Institut
Wie bewerten Sie den jüngsten EU-Plan vom Green Deal zum Clean Industrial Deal und den Abbau von Bürokratie? Wir haben ja jetzt sogar einen Staatssekretär für Deregulierung. Sind das gute oder schlechte Nachrichten für die Klimapolitik?
Der Clean Industrial Deal, das Programm der nächsten Kommissionsperiode, zeigt, wie sehr Europa derzeit mit der Wirtschaftskrise kämpft. Die Ausrichtung ist sinnvoll und gut, aber wirklich festgelegte Ziele fehlen. Besorgniserregend ist, was man unter Bürokratieabbau versteht. Ich kann den Wunsch nach Vereinfachung gut nachvollziehen. Viele Unternehmen spüren einen großen Druck von Berichtspflichten, Nachhaltigkeitsberichterstattung oder Taxonomie-Verordnung. Allerdings darf das nicht zur Folge haben, dass große Ziele in Frage gestellt werden.
Das Lieferkettengesetz war so ein großes Ziel, das nun diesem Bürokratie-Abbau zum Opfer fällt. Was bedeutet das für den Klimaschutz?
Ja, gerade das Aufweichen des Lieferkettengesetzes ist problematisch. Jetzt geht es nur noch darum, den unmittelbaren Zulieferer auszuweisen. Aber wir wissen, dass Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen viel früher in der Kette passieren. Es handelt sich dabei also nicht nur um eine Vereinfachung, sondern um eine Verwässerung von Berichtspflichten, die aber notwendig wären.
Klimaschutz und Wirtschaft bestehen aus vielen technischen Begriffen wie Taxonomie, Omnibus, CSRD – wir versuchen ja auch, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Welche Abkürzung wäre die wichtigste, die man hier erklären könnte?
Puh, da gibt es viele. Ich würde mich für CBAM und ETS entscheiden. CBAM heißt Carbon Border Adjustment Mechanism. Das hat mit der EU-Außengrenze zu tun und bedeutet Folgendes: Große europäische Industrien zahlen einen CO2-Preis. Dieser macht das Produkt teurer. In China muss man keine CO2-Steuer zahlen. Durch den CBAM muss aber bei der Einfuhr in die EU derselbe CO2-Preis gezahlt werden. Damit sind alle Marktteilnehmer auf gleicher Augenhöhe. Das brauchen wir, um Wettbewerbsvorteile für besonders effiziente Produktionsprozesse zu schaffen.
ETS ist der Emissions-Zertifikate-Handel. Alle energieintensiven Industrien bekommen Emissions-Zertifikate von der EU. Die Anzahl der Zertifikate wird sukzessive jedes Jahr verringert. Industrien, die mehr Emissionen ausgestoßen haben, als sie Zertifikate haben, müssen welche kaufen. Andersrum können Industrien, die sauberer agiert haben, als sie müssten, Zertifikate verkaufen. Unterm Strich werden alle Zertifikate immer weniger und damit teurer. Emissionsarmes Wirtschaften wird auf diese Weise belohnt und die Emissionen insgesamt gesenkt.
Was bedeutet Klimaneutralität 2040 konkret für Unternehmen und Konsument:innen?
Klimaneutralität bedeutet, dass wir nicht mehr CO2 ausstoßen dürfen, als wir wieder binden können, etwa in Böden oder Wäldern. Bis dahin müssen alle unsere Systeme, die Emissionen verursachen, umgestellt sein: Wir müssen Gebäude sanieren, Heizungen tauschen. Wir brauchen mehr erneuerbare Energien für sauberen Strom, mehr öffentlichen Verkehr, E-Autos und Schienen-Güterverkehr.
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Infos und Quellen
Genese
Die neue Regierung hat kein eigenes Klimaministerium mehr. Auch viele Öko-Förderungen werden gestrichen. Was bedeutet das für das Erreichen unserer Klimaziele? Wir haben bei Katharina Rogenhofer, Gründerin des Kontext-Instituts für Klimafragen, nachgefragt.
Gesprächspartnerin
Katharina Rogenhofer studierte Zoologie in Wien und „Biodiversity, Conservation and Management“ an der Universität Oxford. Danach arbeitete sie bei der Klimarahmenkonvention der UN. Von den aktivistischen Gruppen auf der Klimakonferenz in Katowice inspiriert, startete sie FridaysForFuture in Wien. Ab April 2019 war sie die Sprecherin des Klimavolksbegehrens, das knapp 400.000 Unterschriften sammelte und in einen erfolgreichen Antrag im österreichischen Parlament mündete. Im April 2021 veröffentlichte sie ihr erstes Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“. Anfang 2024 gründete sie gemeinsam mit Tina Deutsch und Florian Maringer das KONTEXT Institut für Klimafragen, das klimapolitische Einordnung bietet.
Daten und Fakten
Der Green Industrial Deal ist der neue Plan der EU, der den Übergang der Industrie zu sauberen Energien beschleunigen soll. Damit soll Europas Energiesicherheit erhöht und die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden. Ziel ist es, eine führende Rolle im globalen Wettbewerb der Zukunft einzunehmen.
Elektrizitätswirtschaftsgesetz: Hier ist Österreich säumig. Dabei geht es um den Netz- und Speicherausbau. Das Gesetz war zwar in Begutachtung, wurde aber nicht beschlossen.
Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz: Eine EU-Verordnung, die besagt, dass in den EU-Ländern alles, was mit Erneuerbaren Energien zu tun hat, beschleunigt zugelassen werden kann. Österreich hat die Grundlagen dieses Gesetzes noch nicht in nationales Gesetz umgesetzt.
Gaswirtschaftsgesetz: Die Möglichkeit der Gasnetzstilllegung müsste noch umgesetzt werden. Wenn viele Menschen aus Gas aussteigen, dann ist das Netz noch immer gleichgroß. Das würde bedeuten, dass die Netzkosten für Gas steigen. Hier fehlt noch eine Regelung.
Der nationale Klimaplan wird regelmäßig an die EU-Kommission geliefert. Die letzte Regierung hat diesen samt aller Förderungen eingeschickt. Wenn Förderungen gestrichen werden, ist es fraglich, ob die Klimaziele bis 2030 erreicht werden können.
Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist mit der vorigen Regierung gescheitert. In Österreich gibt es 1,4 Millionen Öl- und Gasheizungen. Diese sollten laut Gesetz bis 2040 gewechselt sein. Doch das steht derzeit nicht im Regierungsprogramm.
Klein- und Mittelbetriebe (KMUs) beschäftigen bis zu 500 Mitarbeiter:innen. 99,8 Prozent der Unternehmen in Österreich sind KMUs.