Der 17. März ist der letzte Tag der russischen Präsidentschaftswahlen. Wladimir Putin steht schon im Vorfeld als Sieger fest. Vom einstigen demokratisch gesinnten Politiker ist nichts mehr übrig.
Einen russischen Staatschef wie Wladimir Putin hatte die Welt noch nicht gekannt.
- Für dich interessant: Südostwall: Gräben sind verschüttet, die Erinnerung nicht
Altersabhängig hatte man eventuell noch Nikita Chruschtschow in Erinnerung, der, raffiniert bauernschlau, schon einmal mit dem Schuh auf den Tisch schlug, um sich bei den UN Gehör zu verschaffen. Dann war da der versteinerte Leonid Breschnew, lebendiges Symbol für die Stagnation in der Sowjetunion. Selbst dem hochintelligenten und redegewandten Michail Gorbatschow haftete ein Geruch nach Schwarzerde und Traktorentreibstoff an. Und Boris Jelzin mit seinen Alkoholexzessen und seinem schwankenden Temperament zwischen Willenlosigkeit und brutalem Durchsetzungsvermögen war überhaupt fleischgewordenes Russ:innenklischee.
Und dann, 1999, Wladimir Wladimirowitsch Putin, vorerst von Boris Jelzin eingesetzter Ministerpräsident: Wirklich jung war der am 7. Oktober 1952 in Leningrad Geborene mit 47 Jahren zwar nicht. Aber die Ausstrahlung hatte der mittelgroße, drahtige Mann: dynamisch, elegant, witzig. Putin hatte das Betragen eines internationalen Filmstars, eines Spitzendirigenten. In Wahrheit stammt er aus einer Arbeiter:innenfamilie, war Agent des KGB und als solcher in der DDR stationiert gewesen.
Bezaubernder Ex-Spion
Sein Charme mag antrainiert sein, jedenfalls bezaubert er den Westen. Im Gespräch wechselt Putin mühelos vom Smalltalk in komplexe philosophische Überlegungen, kennt sich aus in Literatur und klassischer Musik, setzt sich ans Klavier und auf Pferde. Mit seinen Reden begeistert er die Massen, Gesprächspartner:innen mit seiner Fähigkeit zuzuhören. Er hat die besondere Begabung, seinem Gegenüber das Gefühl zu geben, in diesem Moment die wichtigste Person im Raum zu sein.
Nachdem Putin im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählt worden war, erklärte er, die enge Zusammenarbeit von Europa und Russland sei für beide Seiten notwendig. Sogar eine Annäherung, wenn nicht gar einen Beitritt Russlands zur NATO stellte Putin in Aussicht. Der Deutsche Bundestag öffnete ihm 2001 seine Tore, und der russische Staatschef hielt seine Rede in einem so geschliffenen Deutsch, dass Muttersprachler:innen neidisch wurden. Der ganze Westen verfiel ihm. Staatschefs und Prominente buhlten um seine Anwesenheit. Jede:r wollte ihn kennenlernen.
Und man sollte ihn kennenlernen, diesen Wladimir Wladimirowitsch Putin. Und wie man ihn kennenlernen sollte.
Die Kehrseite der Medaille
Doch das ist die Kehrseite der Medaille, die vorerst verdeckt lag.
Gewiss hätte man es – vielleicht nicht wissen, aber ahnen hätte man es können. Schon 2003, noch auf dem Höhepunkt der allgemeinen Putin-Euphorie, veröffentlichte die russische Journalistin Jelena Wiktorowna Tregubowa ihr Buch „Baiki kremljowskowo diggera“ (Geschichten vom Kreml-Ausgräber) und setzte im Jahr darauf mit „Proschtschanie kremljowskowo diggera“ (Der Abschied des Kreml-Ausgräbers) fort. Auf Deutsch erschien eine Zusammenfassung beider Bücher unter dem Titel „Die Mutanten des Kreml“ im Jahr 2006.
Tregubowa zeigt darin Putin als grandiosen Manipulator, als einen Meister der Täuschung und der Verführung. Sie schildert eine groteske Szene, in der das Volk zu Ostern auf die Öffnung der Kirchentore wartet – und als sie aufgehen, steht dort nicht etwa der Geistliche, sondern Putin: Der Staatschef, der sich zum Messias, oder zumindest zu dessen Stellvertreter, aufschwingt.
Putin macht alles wieder gut
Tregubowas Bücher werden im Westen kaum wahrgenommen. Wer sie dennoch liest, glaubt an eine persönliche Aversion der Autorin. Zu heftig scheint ihre Hasstirade, zu groß ihre Sympathie für Jelzin und die postkommunistischen Oligarchen, die Putin in die Schranken weist und demütigt: Jede:r in Russland kennt das Video, wie Putin den Oligarchen Oleg Deripaska zwingt, eine Fabrik, die er schließen wollte, weiterzubetreiben, damit die Menschen ihre Arbeitsplätze behalten. Zu guter Letzt bietet Putin Deripaska eine Füllfeder an, um den ungeliebten Vertrag zu unterzeichnen – und verlangt sie unmittelbar darauf zurück, womit er signalisiert, er habe den Oligarchen als einen Menschen durchschaut, der in seiner Gier nimmt, was er bekommen kann.
Der Westen verzeiht Putin sogar den zweiten Tschetschenienkrieg, den der russische Präsident gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit beginnt. Tschetschenien ist weit weg von Mitteleuropa und obendrein nicht ganz geheuer: Da gab es doch Terror tschetschenischer Freischärler, mitten in Moskau sprengten sie ein Wohnhaus. Wenn die USA Krieg gegen den Terror führen können – weshalb soll sich Russland der guten Sache nicht anschließen?
Dass der Terrorakt auf Befehl Putins aus innenpolitischen Gründen erfolgt sein könnte, da er sich als vorerst nur von Jelzin eingesetzter Ministerpräsident im Jahr 2000 der Wahl zum Präsidenten stellen musste und die Kommunisten als starke Gegner hatte, gilt, je nach Distanz zu Putin, als möglich bis wahrscheinlich.
Das Bild verdüstert sich
Doch es war der Fall Anna Politkowskaja, der im Westen ein erstes Nachdenken über das System Putin verursachte. Was die Journalistin aus dem zweiten Tschetschenienkrieg berichtete, stand in kontinuierlichem Widerspruch zu den offiziellen Darstellungen: Sie schilderte einen schmutzigen Krieg, in dem die russische Armee raubte, folterte und mordete. Ihre Reportagen belasteten den Putin-loyalen tschetschenischen Politiker Ramsan Kadyrow ebenso wie, mehr oder weniger direkt, Putin selbst. 2004 überlebte sie knapp einen Giftanschlag. Am 7. Oktober 2006 wurde sie im Aufzug ihres Wohnhauses getötet.
Der 7. Oktober ist Putins Geburtstag.
Die russischen Untersuchungsbehörden ließen ohne Namensnennung durchblicken, dass der im Ausland lebende Oligarch Boris Beresowski der Auftraggeber des Mordes gewesen sei. Im Westen stand fest, dass Putin zumindest den Boden für das Attentat bereitet hatte.
Zunehmend befremdliche Entscheidungen
Überhaupt scheint um die Zeit der nächsten Präsidentschaftswahl (2004) oder knapp nachher etwas in Putin vorgegangen zu sein, das zu immer befremdlicheren Entscheidungen führte. Die Wahl lief zwar, westlichen Beobachtern zufolge, demokratisch ab. Doch noch im gleichen Jahr sicherte sich Putin einen beträchtlichen Machtzuwachs, indem er das Vorschlagsrecht für die bisher frei gewählten Gouverneure auf das Amt des Präsidenten und damit auf sich selbst übertrug.
Ob Putin zu dieser Zeit den Ideen des nationalistischen Philosophen Alexander Geljewitsch Dugin verfiel oder von sich aus die gleichen Schlüsse zog, ist umstritten. Tatsache ist, dass Dugins Thesen von einem großrussischen Reich unter den moralischen Regeln der orthodoxen Kirche in immer weiteren Kreisen der russischen Eliten Fuß fassten und fassen. Groß-Russland bedeutet Russland in den Grenzen des Zarenreichs oder gar in denen der Sowjetunion. In beiden Auslegungen ist die Ukraine Teil Russlands.
Abgrenzung zum Westen
Jedenfalls beklagte Putin in einer Rede im Jahr 2005 den Zerfall der Sowjetunion. In seiner Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2007 grenzte er, der einst so offen auf Europa zugegangen war, sich scharf vom Westen ab. Für ihn strebten die USA jetzt, ganz wie in der Vergangenheit des Kalten Kriegs, nach einer „monopolaren Weltherrschaft“ und die NATO missachte seiner Auffassung nach russische Sicherheitsinteressen.
Die Feststellung über die NATO mochte sogar bis zu einem gewissen Grad stimmen, doch ab diesem Moment gebärdete sich Putin als der Erlöser eines missachteten und gedemütigten Russland, dem allein er den Glanz vergangener Zeiten zurückgeben könne.
Nun verfängt solch eine Argumentation durchaus in der ohnedies selbstreflexiven russischen Gesellschaft.
Dem Westen blieb unterdessen nur, den Umbau Russlands in das Reich Putins zu beobachten. Nicht nur, weil Putin durch innenpolitische Winkelzüge über alle gesetzlichen Amtsdauern hinaus an der Macht blieb, sondern auch, weil diese Macht tatsächlich auf seine Person konzentriert ist, ganz, wie es die Zaren und später nur noch Josef Stalin praktiziert hatten. Hand in Hand damit geht das Wiedererwachen des Personenkults der Zaren- und Stalin-Zeit.
Der Diktator
Mittlerweile agiert Putin als Diktator. Die Reaktionen des Auslands kümmern ihn nicht mehr. Gezielt lässt er durch seine Netzwerke ultrarechte Kräfte im Westen unterstützen, um die demokratischen Ordnungen zu destabilisieren. Dass ihn der Westen isoliert, ist ihm gleichgültig. Er weiß, dass die Welt um Russland nicht herumkommt. Ebenso weiß er, dass niemand, der halbwegs vernunftbegabt ist, einen Krieg mit Russland riskieren wird, der ein Weltvernichtungskrieg wäre. Prominente Gegner:innen lässt er aus dem Weg räumen, oder sie werden von seiner Umgebung mit seiner Billigung in vorauseilendem Gehorsam eliminiert. Die russische Demokratie ist zur Farce geworden, sie ist eine Kulisse gleich einem Potemkin‘schen Dorf, das flüchtige Beobachter:innen täuschen soll. Präsidentschaftswahlen dienen nicht mehr der demokratischen Entscheidungsfindung, sondern der Selbstinszenierung Putins als Triumphator. Nicht einmal die Sanktionsserien in Folge seines Angriffs auf die Ukraine scheinen seine Überzeugung zu erschüttern, Russland zu neuer Größe zu führen. Allein, nur gestützt auf wenige Berater:innen, die seine Ideen teilen, trifft er zunehmend irrationale Entscheidungen, deren Realität ein Krieg ist, in dem nicht nur Ukrainer:innen sterben, sondern auch die Söhne russischer Eltern verheizt werden. Die Verwundeten und Gefallenen sind oft so jung, dass sie nicht einmal verstehen, für welchen Wahn sie in den Krieg ziehen mussten.
Am 17. März 2023 erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag einen Haftbefehl gegen Putin: Es bestehe der begründete Verdacht von Kriegsverbrechen im Krieg gegen die Ukraine und der Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland unter der Vorgesetztenverantwortlichkeit von Putin.
Am 17. März 2024 wird Wladimir Wladimirowitsch Putin als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervorgehen.
Wer glaubt, das Datum sei ein Zufall, ahnt nicht, welchen Wert die russische Gesellschaft und vor allem russische Machthaber Symbolen beimessen.
Bessere Nachrichten gibt's in unserem Newsletter:
Na gut
Der Newsletter mit den guten Nachrichten: Kleine Geschichten über Fortschritte und Erfolg.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Der zuerst proeuropäisch agierende Wladimir Putin entwickelte sich zum rücksichtslosen Diktator. WZ-Redakteur Edwin Baumgartner versucht ein Porträt des russischen Präsidenten zu entwerfen, das über den aktuellen Anlass der Präsidentschaftswahlen am 17. März 2024 hinausreicht.
Daten und Fakten
Wladimir Wladimirowitsch Putin wurde 1952 im damaligen Leningrad (heute St. Petersburg) als Sohn einer Arbeiter:innenfamilie geboren. Er absolvierte ein Jurastudium an der Universität Leningrad. Von 1975 bis 1990 war er Mitarbeiter des KBG, nach dem Absolvieren der KGB-Hochschule (1985) im Rang eines Offiziers. 1985 bis 1990 war er in dieser Funktion in der DDR stationiert. Nach seiner Rückkehr nach Russland engagierte sich Putin in der Kommunalpolitik und wurde Vizebürgermeister von St. Petersburg. 1996 wurde Putin stellvertretender Leiter der Kreml-Liegenschaftsverwaltung, 1997 holte ihn Boris Jelzin als stellvertretenden Kanzleileiter in seine unmittelbare Umgebung. 1998 wurde Putin zum stellvertretenden Chef der Präsidialverwaltung ernannt. Von 1998 bis 1999 war er Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB und ab 26. März 1999 zusätzlich Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation. Am 31. Dezember 1999 ernannte Jelzin Putin zum Ministerpräsidenten, erklärte seinen Rücktritt und übergab Putin die Regierungsgeschäfte. 2000 stellte sich Putin der Wahl zur Präsidentschaft, die er für sich entschied. Ebenso gewann er die Wiederwahl 2004. Beide Wahlen liefen internationalen Beobachter:innen zufolge demokratisch ab. Aufgrund der Wiederholungsregel, die nur zwei Präsidentschaften in Folge erlaubte, konnte Putin bei den Wahlen 2008 nicht erneut kandidieren. Die Wahl ging für seinen Vertrauten Dmitri Medwedew aus, der in der Folge dem Parlament (der Duma) Putin als Ministerpräsidenten vorschlug. Putin wurde mit 87,1 Prozent der Stimmen in das Amt gewählt, das er zuvor in seiner Amtszeit als Präsident machtpolitisch aufgewertet hatte. 2012 wurde Putin erneut zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt. Er verlängerte die Amtszeit von vier auf sechs Jahre. Auch die Wahlen des Jahres 2018 konnte Putin für sich entscheiden. In der Folge setzte er die Wiederholungsregel außer Kraft, was ihm ein erneutes Antreten im Jahr 2024 ermöglicht. Beobachtern zufolge entsprach keine der Wahlen der Jahre 2008, 2012 und 2018 internationalen demokratischen Standards.
Jelena Wiktorowna Tregubowa, 1973 geboren, ist eine russische Journalistin und Autorin. Sie wurde durch ihre Kritik an Wladimir Putin bekannt. Nachdem auf sie ein Sprengstoffattentat verübt worden war, dem die Polizei eine politische Motivation absprach, beantragte Tregubowa 2007 politisches Asyl in Großbritannien, das ihr im Jahr darauf zugestanden wurde. Sie bekommt Personenschutz von Scotland Yard und steht dem exilierten Oligarchen Boris Abramowitsch Beresowski nahe.
Anna Stepanowna Politkowskaja, 1958-2006, war eine russisch-amerikanische Reporterin und Menschenrechtsaktivistin. Ihre Eltern waren als Beamt:innen der Sowjetunion in den USA tätig. Anna Politkowskaja wurde in New York geboren und besaß dadurch neben der russischen auch die amerikanische Staatsangehörigkeit. Ein großer Teil ihrer Arbeit bestand aus Berichten vom Krieg in Tschetschenien, wobei sie das Leid der tschetschenischen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellte. Beim Moskauer Geiseldrama des Jahres 2002, bei dem tschetschenische Separatisten 850 Zuschauer:innen im Dubrowka-Musicaltheater in ihre Gewalt brachten, bot sie sich als Vermittlerin an und erreichte die Freilassung einiger Geiseln. 2004 überlebte sie einen Giftanschlag. 2006 wurde sie im Aufzug zu ihrer Wohnung erschossen. Im Dezember verurteilte ein Gericht in Moskau Dmitri Pawljutschenko wegen Beihilfe zum Mord an Anna Politkowskaja zu elf Jahren Straflager. 2014 verhängte ein Moskauer Stadtgericht langjährige Freiheitsstrafen über fünf mutmaßliche Täter. Nach aktueller russischer Darstellung wurde die Ermordung Anna Politkowskajas von der in Moskau tätigen tschetschenischen Mafia in Auftrag gegeben, während Anna Politkowskajas Familie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine Klage gegen Russland anstrengte: Der Vorwurf lautet, dass russische Geheimdienste den Mord an der Journalistin wegen ihrer Enthüllungen über den zweiten Tschetschenienkrieg in Auftrag gegeben haben.
Boris Abramowitsch Beresowski, 1946-2013, war ein russischer Oligarch und Politiker. Ursprünglich protegierte er Wladimir Putin. Als dieser jedoch nach seiner Wahl zum Präsidenten den Kampf gegen die Oligarch:innen aufnahm, emigrierte Beresowski nach Großbritannien, wo er Asyl bekam. Ab 2003 verwendete er den Namen Platon Elenin.
Oleg Wladimirowitsch Deripaska, 1968 geboren, ist ein russischer Oligarch. Er hat Basic Element, eine der größten russischen Industriegruppen, gegründet. Bis 2017 war er Präsident der En+ Gruppe und Gründer und Miteigentümer des russischen RUSAL-Konzerns, des zweitgrößten Aluminiumherstellers der Welt. Deripaska steht hinter zahlreichen karitativen und Tierschutz-Organisationen. Er ist ein Literaturliebhaber und finanziert Opern- und Ballettaufführungen. Trotz zeitweiliger Auseinandersetzungen gilt Deripaska aber als Teilhaber am System Putin und ist einer der wenigen Oligarch:innen, die es sich richten konnten.
Alexander Geljewitsch Dugin, 1962 geboren, ist ein russischer ultranationalistischer politischer Philosoph, Publizist, Universitätslehrer und Politiker. Von 1994 bis 1998 war er einer der Vorsitzenden der 2005 verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands. Von 2010 bis 2014 hatte er den Lehrstuhl für Soziologie der Internationalen Beziehungen an der Soziologischen Fakultät der Lomonossow-Universität Moskau inne. Dugin gilt als Ideengeber einer extremen Neuen Rechten in Russland, die sich auf das philosophische bzw. geopolitische Konzept Eurasien stützt. Dieses stammt aus der Zeit um 1920 und wurde von russischen Emigranten entwickelt. Dem Konzept zufolge besteht ein Gegensatz zwischen einem von Teilen Europas und Asiens gebildeten „Kontinent Eurasien“ und der römisch-germanisch geprägten westlichen Welt. Dugin spricht mit seinen durchargumentierten Konzepten eine intellektuell gebildete ultra-rechte Elite an. Wie stark sein Einfluss auf Wladimir Putin ist, ist umstritten, zumal Dugin die Besetzung der Krim kritisierte, da Putin dort die pro-russischen Separatisten zu wenig unterstütze. Der Überfall Russlands auf die Ukraine entspricht jedoch Dugins Konzept von Eurasien. Einem Bericht in der Zeitung Die Welt zufolge sagt er: „Ich machte einen Schritt nach vorn, und mir folgte die Armee“; im gleichen Bericht sagt er über den Krieg gegen die Ukraine: „Ich glaube, man muss töten, töten und töten. Ich sage das als Professor.“ Ebenfalls in diesem Bericht sagt er über Putin: „In der Sonnenphase handelt er gemäß der Logik der russischen Geschichte und Geopolitik. Das ist ein nationaler Putin, ein Patriot. In der Mondphase aber steht er unter westlichem Einfluss.“
Quellen
Peter Pomerantsev: Nichts ist wahr und alles ist möglich (dva)
Jelena Wiktorowna Tregubowa: Die Mutanten des Kreml – Mein Leben in Putins Reich, Tropen Verlag, 2006
Der Spiegel: So wurde Putin, wie er ist (Bezahlschranke)
Catherine Belton: Putins Netz. Wie sich der KGB Russland zurückholte und dann den Westen ins Auge fasste (HarperCollins)
Vladimir Esipov: Die russische Tragödie: Wie meine Heimat zum Feind der Freiheit wurde (Heyne)
Masha Gessen: Die Zukunft ist Geschichte: Wie Russland die Freiheit gewann und verlor (Suhrkamp)
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
Kleine Zeitung: Putins stärkste Waffe ist die Angst vor dem Atomkrieg
Der Standard: Putin: Ein Autokrat will die Welt neu ordnen
Der Spiegel: Schriftsteller Kaminer nennt Putin einen „typischen Garagenrentner“
Frankfurter Rundschau: Putin will wieder Präsident werden – Wahlkampf startet zum Jahresende
SRF: Putins Wahlkampfleiter wird als sein Nachfolger gehandelt