Genese
In der Diskussion über den Nahostkonflikt ergab sich die Frage, ob es von Seiten von Kunst und/oder Wissenschaft gezielte Friedensinitiativen gegeben hat – oder gibt. Das führt gleichsam automatisch dazu, den Musiker Daniel Barenboim mit seinem Friedensprojekt, dem West-Eastern Divan Orchestra, vorzustellen.
Daten und Fakten
Das West-Eastern Divan Orchestra wurde 1999 vom Dirigenten und Pianisten Daniel Barenboim, dem Literaturwissenschaftler Edward Said und dem Kulturmanager Bernd Kauffmann gegründet. Es ist als Nahost-Friedensprojekt angelegt und besteht zu gleichen Teilen aus israelischen und arabischen Musikern und gastiert, teilweise mit seinen Kammermusikformationen, weltweit. Sein Name ist von Johann Wolfgang von Goethes Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“ abgeleitet, die sich ihrerseits von arabischer Dichtung, speziell den Gedichten des Hafis, inspiriert zeigt.
Den Ehrennamen Hafis, das bedeutet: der den Koran auswendig kann, bekam Mohammed Schemseddin (1315 oder 1325-1390) bereits als Kind. Das bekannteste Werk des persischen Dichters und Mystikers ist die Gedichtsammlung „Diwan“. Hafis gehörte dem Orden der Sufi an. Seine Gedichte handeln von Themen wie Liebe, Liebessehnsucht und -schmerz, fordern aber ebenso auf, das Leben zu genießen. Sie gelten als ein Höhepunkt arabischer Dichtkunst und wurden im deutschsprachigen Raum u.a. von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Rückert als Modelle für ihre eigene Dichtung verwendet.
Der Dirigent und Pianist Daniel Barenboim wurde 1942 in Buenos Aires (Argentinien) geboren. 1952 übersiedelte die Familie nach Europa und danach nach Israel. Barenboim debütierte als Pianist im Alter von 13 Jahren in London und galt nach weiteren erfolgreichen Auftritten als pianistisches Wunderkind. Auch als Dirigent ausgebildet, verstärkte er ab 1968 diese Facette seiner musikalischen Arbeit. 1975 übernahm er das Orchestre de Paris als Chefdirigent, von 1991 bis 2006 war er Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra, 1992 wurde er auf Lebenszeit zum Künstlerischen Leiter und Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden in Berlin; er legte das Amt im heurigen Jahr aus Gesundheitsgründen zurück. Von 1981 bis 1999 war er regelmäßig Dirigent der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele. In Israel sorgte Barenboim für Aufsehen mit seinen Plädoyers für eine israelisch-palästinensische Aussöhnung und einen eigenen palästinensischen Staat und für Empörung, als er „Vorspiel und Liebestod“ aus Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ aufführte. Der Antisemit Wagner gilt als einer der Wegbereiter des Nationalsozialismus und wird in Israel, ohne dass es eine Gesetzeslage dazu gäbe, nicht gespielt. Mitglieder der Knesset, des israelischen Parlaments, forderten daraufhin, Israel solle Barenboim zur künstlerischen Persona non grata erklären, was weitere Auftritte Barenboims in Israel unmöglich gemacht hätte. Der Antrag erhielt in der Abstimmung keine Mehrheit.
Edward William Said war ein US-amerikanischer Literaturtheoretiker palästinensischer Herkunft. Er wurde 1935 in Jerusalem, damals Völkerbundsmandatsgebiet Palästina, geboren und starb 2003 in New York City. Saids Mutter war die Tochter eines baptistischen Geistlichen, seine zweite Frau eine arabische Christin. Saids Buch „Orientalismus“ gilt als Grundlage für die Etablierung der Postkolonialen Studien als Forschungsrichtung. Im Buch „The Question of Palestine“ unternimmt Said den Versuch, den „Zionismus aus der Sicht seiner Opfer“ darzustellen. Kritiker werfen diesem Buch vor, es wolle den Staat Israel delegitimieren und betreibe eine Täter-Opfer-Umkehr.
Die BDS-Bewegung will den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren, um die Forderungen durchzusetzen, Israel müsse die „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ beenden, das „Grundrecht seiner arabisch-palästinensischen Bürger auf volle Gleichheit“ anerkennen und „das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf eine Rückkehr in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum gemäß UN-Resolution 194 schützen und fördern.“ BDS steht als Abkürzung für Boycott, Divestment and Sanctions ─ Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen. Die Antisemitismusforschung ordnet die Ziele der Kampagne gemeinhin als antizionistisch (gegen einen jüdischen Staat gerichtet) ein, mitunter als antisemitisch. Die Parlamente von Österreich, Deutschland und Tschechien haben die BDS-Kampagne als antisemitisch eingestuft.
Quellen
The Jerusalem Post: Daniel Barenboim would kill for a Nobel Peace Prize
Mena-Watch: Ein genialer Dirigent auf politischen Abwegen
The Jewish Chronicle: Israel boycotters block Barenboim's orchestra from Jerusalem concert
Tagesspiegel: Warum ich palästinensischer Staatsbürger geworden bin
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
Kleine Zeitung: Daniel Barenboim tritt als Generalmusikdirektor zurück
FAZ: Ständig in Gefahr
Süddeutsche Zeitung: Genialer Sturkopf
Domradio: „Musik ist eine Lebenseinstellung"