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Es soll Angreifende schlumpfblau färben und tagelang an der Haut haften: In den Niederlanden boomt seit dem Mord an einer Jugendlichen das Schlumpf-Spray. Doch wäre es in Österreich überhaupt nutzbar?
Vor etwas mehr als zwei Monaten wurde am Stadtrand von Amsterdam eine Jugendliche ermordet. Die 17-Jährige war nachts mit dem E-Bike auf dem Heimweg. Nur 16 Kilometer trennten sie von ihrem zu Hause, einem Vorort der niederländischen Hauptstadt. Der Täter, mutmaßlich ein 22-jähriger Mann, überraschte sie, riss sie vom Rad, erstach sie mit einem Messer. Das Mädchen setzte wohl noch einen Notruf ab. Als die Polizei eintraf, war sie bereits tot.
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Selbstverteidigung mit Lebensmittelfarbe
Die Bestürzung in der Bevölkerung ist groß. Diskussionen kommen auf. Hätte sich die 17-Jährige wehren können, wenn sie ein passendes Mittel zur Verteidigung dabeigehabt hätte? Ein Pfefferspray etwa? Doch das ist in den Niederlanden, im Gegensatz zu Österreich, verboten. Stattdessen boomt seit dem Mord Ende August ein Spray, das eine legale Alternative zum Pfefferspray sein soll: Es sprüht Angreifenden nicht etwa einen Reizstoff ins Gesicht, sondern Lebensmittelfarbe. Genauer gesagt eine blaue, besonders hartnäckige Lebensmittelfarbe.
Mit dem Schlumpf-Spray sollen sich Menschen in Bedrohungssituationen legal verteidigen können. Es soll Angreifenden die Sicht vernebeln und Opfern so Zeit zur Flucht verschaffen. Gleichzeitig, und das ist der ausschlaggebende Punkt, soll die Farbe mehrere Tage an der Haut haften. So soll die Polizei Täter:innen leichter identifizieren können. Aber ist das Spray in Österreich überhaupt nutzbar? Die rechtliche Situation ist unklar. Und das vor allem aufgrund einer Eigenschaft: der Farbmarkierung.
In den Niederlanden zeitweise ausverkauft
In Online-Shops war das Spray niederländischen Medienberichten zufolge zuletzt ausverkauft. Jetzt lassen sich wieder vereinzelte Angebote finden. Eine 40 Milliliter Dose kostet zwischen 11 und 18 Euro. „Schlumpf deinen Angreifer“, „fühle dich sicherer“ oder „unverkennbar markiert“: Mit diesen Slogans werben die Shops. Sie betonen: Im Gegensatz zu Pfefferspray und Tränengas sei das SmurfSpray „nach EU-Recht erlaubt“. Allerdings nur in „echten Notsituationen“. Was heißt das für Österreich?
Kurt Schmoller ist Professor für Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Universität Salzburg. Er sagt: In Notwehrsituationen dürfe man erst einmal jedes verfügbare Verteidigungsmittel einsetzen. Nur, betont er: „Wenn mehrere Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen, muss man das mildeste wählen.“ Schmoller sieht unter dem Aspekt der Notwehr keine Probleme. „Wenn die Abwehr eines Angriffs mit keinem milderen Mittel als dem Einsatz eines ‚Schlumpf-Sprays‘ möglich ist, besteht kein Zweifel, dass davon Gebrauch gemacht werden darf.“
Täter:in mit Farbe ansprühen: Ist das Körperverletzung?
Was hingegen kritisch gesehen werden könnte, ist die Farbmarkierung. Problematisch wird es nämlich dann, wenn das Opfer die Angreifenden nach Ende des Angriffs mit der blauen Farbe besprüht – um sie zu markieren. Denn dann sei die Notwehrsituation bereits beendet. Schmoller erklärt, dass Privatpersonen Ermittlungsmaßnahmen nicht eigenmächtig vornehmen dürfen. Das sei eine Aufgabe des Staates und nicht der Opfer. Jedoch ist das genau der Punkt, mit dem die Shops werben: Täter:innen für mehrere Tage zu markieren und so der Polizei die Ermittlungsarbeit zu erleichtern.
Zur Verdeutlichung nennt der Strafrechtler ein einfaches Beispiel: „Wenn Sie jemand geschlagen hat, dürfen Sie ihrem Angreifer nach Abschluss des Angriffs auch keinen Fußtritt mehr verabreichen.“ In so einem Fall würde der Verdacht einer Körperverletzung im Raum stehen. „Bei unsicherer Beweislage ist die Situation für den Benutzer des ‚Schlumpf-Sprays‘ jedenfalls unangenehm“, resümiert Schmoller.
Was, wenn die falsche Person angesprüht wird?
Er sieht eine weitere Gefahr – die eines Missbrauchs: Unschuldige könnten mit der Farbe markiert werden, um ins Visier von Ermittler:innen zu geraten. Zum Beispiel, wenn sie Zielscheibe einer Racheaktion sind. Ist das der Fall, wäre der Einsatz des Sprays laut Schmoller neben einer Körperverletzung auch als Verleumdung strafbar.
Insgesamt betrachtet, so bewertet es der Experte, ist das Schlumpf-Spray aber als Verteidigungsmittel zulässig. Derweil liegen an dem Ort, an dem das Mädchen in den Niederlanden gefunden wurde, noch immer Blumen. Familie, Freund:innen und Bekannte haben Bilder abgestellt und Kerzen für sie angezündet.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
Kurt Schmoller ist Professor für Strafrecht und Strafverfahrensrecht an der Universität Salzburg sowie Mitglied im Beirat für den ministeriellen Weisungsbereich. Schmoller ist zudem Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste.
Daten und Fakten
- Pfefferspray gilt in den Niederlanden als wehrlosmachendes Gas und ist eine verbotene Waffe im Sinne des niederländischen Waffengesetzes. Das heißt: Auch das Mitführen und der Gebrauch sind verboten und werden mit hohen Geldbußen oder Freiheitsstrafe geahndet.
- In Österreich ist das anders. Hier gilt das Pfefferspray als Waffe im Sinne des Waffengesetzes. Der Besitz und das Mitführen ist Menschen unter 18 Jahren verboten. Erwachsene dürfen es ausschließlich in einer Notwehrsituation einsetzen.
Quellen
- Auswärtiges Amt: Königreich der Niederlande: Reise- und Sicherheitshinweise
- Handelskontor Fieberg GmbH (Shop): Farb-Gel Spray 40 ml mit Flip-Top Kappe
- HexGuard (Shop): Original SmurfSpray
- oesterreich.gv.at: Pfefferspray
- Tagesspiegel: Mord an 17-Jähriger erschüttert die Niederlande
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