Georg Renner hat sich diese Woche die Entwicklungszusammenarbeit in den USA und Österreich angesehen und analysiert den Verlauf des heimischen Entwicklungshilfe-Budgets der letzten Jahre.
Ich bin zuletzt ein bisschen vorsichtig geworden, was Regierungsbildungen und -programme angeht. Derzeit schaut es ja so aus, als ob ÖVP, SPÖ und Neos kommende Woche gemeinsam eine Regierung bilden. Am Sonntag werden die Neos-Mitglieder darüber abstimmen, sich an dieser ersten Dreierkoalition auf Bundesebene zu beteiligen, dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit bei der Mitgliederversammlung – falls die das Okay gibt, könnten schon am Montag die neuen Regierungsmitglieder und Staatssekretär:innen ernannt werden.
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Ob diese Koalition mit allem, was personell und programmatisch bereits bekannt ist, tatsächlich so kommt: keine Ahnung. Wie die meisten Journalist:innen habe auch ich vor einem respektive zwei Monaten noch gesagt, es sei recht wahrscheinlich, dass demnächst eine blau-schwarze bzw. die erste schwarz-rot-pinke Koalition kommt. Es kam anders, also warten wir einfach einmal ab, was die Parteien ausbrüten, und reden wir über ihr sachpolitisches Programm in den nächsten Wochen, wenn es wirklich liegt und pickt.
Department of Government Efficiency
Schauen wir heute also lieber über die Grenzen Österreichs hinaus: In den USA kürzt Elon Musk, ein Multi-Milliardär, unter dem Titel „Department of Government Efficiency“ ja gerade im Auftrag von Präsident Donald Trump nach dem Rasenmäherprinzip die Budgets von US-Behörden zusammen.
Besonders im Fokus steht die amerikanische Entwicklungshilfeagentur USAID: Nicht nur Hunderte ihrer weltumspannenden Programme dürften komplett abgedreht werden, die Agentur soll demnächst komplett abgeschafft werden. Ob das dem Willen des US-Parlaments entspricht, ist dort noch Gegenstand intensiver Debatten – Musk twittert aber unter Applaus seiner Adorant:innen täglich angebliche Skandale, die er unter USAID-Programmen entdeckt haben will. Tatsächlichen Betrug mit Steuergeld hat er allerdings noch nicht aufgedeckt – wohl aber Projekte, die ihm und Trumps Republikaner:innen politisch nicht genehm sind.
Warum das für viele Menschen in den ärmeren Teilen der Welt Auswirkungen haben wird, zeigt diese Statistik der Industriestaaten-Organisation OECD (bzw ihrer Unter-Organisation DAC, des Development Assistance Committee):
Wir sehen: Der Entwicklungshilfe-Beitrag (oder: Entwicklungszusammenarbeit-Beitrag, wie es in Österreich schon seit längerem heißt) der USA war 2023 mit fast 65 Milliarden Dollar ungeschlagen im Westen. Deutschland kommt auf rund 38, die EU verteilte zentral rund 27 Milliarden, aber der US-Beitrag ist in absoluten Zahlen einfach massiv. Und Österreich war mit unter zwei Milliarden Euro unter ferner liefen unterwegs.
Entwicklungshilfe-Ziel international
Relativ schaut die Geschichte freilich schon etwas anders aus:
Wenn man sich die Entwicklungshilfe-Budgets im Verhältnis zum Wohlstand eines Landes – die OECD misst das in Prozent des Bruttonationaleinkommens, der Einkommen aller Inländer:innen – anschaut, führen Deutschland, Luxemburg und die skandinavischen Staaten die Statistik an. Österreich liegt mit 0,38 Prozent zwar deutlich unter dem DAC-Ziel von 0,7 Prozent, aber über dem Schnitt sowie deutlich vor den USA mit 0,24 Prozent.
Das kann man politisch und menschlich gut finden – es hilft nur den betroffenen Staaten wenig, wenn zwar relativ wenig, in absoluten Zahlen aber viel an Hilfsgeldern wegfällt.
Entwicklung des EZA-Budgets in Österreich
Was uns nach Österreich bringt. Hierzulande steigt und fällt das Budget der Entwicklungszusammenarbeit (wie alle Budgets) mit den Prioritäten der Regierung(en):
Von 2015 auf 2016 zum Beispiel war ein gewisser Sebastian Kurz Außenminister, dem freundlich gesinnte Kräfte im Finanzministerium budgetär durchaus gewogen waren, was der damalige Kabinettschef im BMF mit den blumigen Worten „Kurz kann jetzt Geld sch…“ formulierte. Das EZA-Budget stieg von einer auf fast 1,5 Milliarden Euro. In den folgenden türkis-blauen Jahren war die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) offenbar kein Highlight – bis sie unter Türkis-Grün abermals deutlich erhöht wurde, zuletzt 2023 auf 1,8 Milliarden Euro.
Dabei fließt das Geld nicht nur über das Außenministerium; ein großer Teil der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit läuft nämlich über internationale Organisationen – die UNO, die EU-Institutionen, die Weltbankgruppe, und so weiter. Diese „multilaterale“ Entwicklungszusammenarbeit hat zuletzt einen großen Teil der gesamten Mittel ausgemacht, Details dazu gibt es im EZA-Bericht des Finanzministeriums.
Diskutiert wird aber regelmäßig über die „bilaterale“ Entwicklungszusammenarbeit, die im Außenministerium verwaltet wird. In welche konkreten Projekte das Geld – 2023 waren das 815 Millionen Euro – fließt, weist die zuständige Austrian Development Agency nicht nur in ihrem Geschäftsbericht und auf ihrer Website detailliert aus; es gibt auch ein umfangreiches Excel-Sheet, das alle EZA-Projekte seit 1999 dokumentiert. Ein Transparenzlevel, das man sich von anderen staatlichen Ausgaben nur wünschen würde.
Wie kommt man nun zu diesen Projekten? Nun, alles – angefangen von der Festlegung der Schwerpunktgebiete der österreichischen EZA – geht auf das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik zurück, das Außen- und Finanzminister:in der Bundesregierung regelmäßig vorlegen. Das Programm soll den Zielen der Republik dienen – repräsentiert durch die Schwerpunkte der Bundesregierung, weswegen wohl kein Zufall ist, dass im Programm 2022-24 nachhaltige Wirtschaft, Umwelt- und Klimaprojekte stark betont sind und ein anderer Fokus darauf liegt, Flucht und Migration durch Investitionen in Ursprungsländern bzw. entlang Migrationsrouten zu vermeiden.
Auch, wenn die Politik natürlich Schwerpunkte vorgibt: Ein beträchtlicher Anteil der Entwicklungszusammenarbeit basiert auf bestehenden Kontakten und Aktivitäten. Die meisten Projekte betreibt der Staat ja nicht selbst, sondern unterstützt private Initiativen, Vereine oder Unternehmen, die sowohl Expertise als auch Kontakte in die Zielländer haben; so hat sich die österreichische Entwicklungshilfe über Jahrzehnte Expertise im Bohren von Brunnen aufgebaut, weswegen solche Projekte in der Liste stark repräsentiert sind.
Ein neues Programm, das ab heuer bis 2027 gelten soll, gibt es aktuell noch nicht – das bleibt wohl der nächsten Bundesregierung überlassen. Die Vorbereitungen dafür sind dem Vernehmen nach aber schon weit gediehen; wer auch immer in der nächsten Regierung sitzt, könnte also recht schnell handeln.
Wenn es denn zum Regierungsprogramm passt. Wenn es einmal eines gibt.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten: Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 bis 2024
ADA: ADA Geschäftsbericht
Bundesministerium Finanzen: Entwicklungszusammenarbeit (PDF)
Financial Times: Donald Trump’s assault on aid sparks chaos in east Africa’s relief hub
New York Times: DOGE’s Only Public Ledger Is Riddled With Mistakes