Geringe Erwerbsbeteiligung von Ukrainer:innen und extrem niedrige Werte arbeitender Frauen aus Afghanistan - wie steht es um die Erwerbsintegration von Migrant:innen in Österreich?
Österreich diskutiert gerade wieder über die Beschäftigung von Ausländer:innen im Land – gleich aus mehreren Winkeln. Einerseits, weil das Innenministerium Asylwerber:innen in der Bundesbetreuung künftig stärker zu kleinen Hilfstätigkeiten heranziehen will. Andererseits, weil der Absturz der Geburtenrate auf den Tiefststand von 1,32 Kindern pro Frau, den die Statistik Austria diese Woche veröffentlicht hat, heißt, dass es verstärkt Arbeitskräfte aus dem Ausland brauchen wird, um das Wohlstandsniveau im Land zu halten.
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Erwerbsintegration in Österreich
Passend dazu hat der österreichische Integrationsfonds (ÖIF) – jene Institution der Republik, die Zuwanderer:innen begleitet und unterstützt - gerade eine spannende Studie veröffentlicht. Unter dem Titel „Erwerbsintegration in Österreich“ hat der Fonds mehr als 4.000 repräsentativ ausgewählte Migrant:innen aus elf Ländern befragt und ihre Antworten auf Gemeinsamkeiten untersucht. Alle Ergebnisse findet ihr hier, ich möchte mich auf folgende Punkte fokussieren:
Welcher Anteil unterschiedlicher Migrant:innengruppen selbst Geld verdient.
Welche Faktoren zu einer schnelleren, nachhaltigen Arbeitsfindung beitragen.
Und wie sich die Einstellungen zum Bezug von Sozialleistungen unterscheiden.
Fangen wir mit den unterschiedlichen Erwerbsquoten an; die Forscher:innen des ÖIF haben dazu zwei Fragen gestellt: Einerseits, ob die Befragten (in diesem Fall nur Menschen im Erwerbsalter zwischen 16 und 59 Jahren) in ihrer Zeit in Österreich überhaupt schon erwerbstätig waren und andererseits, ob sie es im Moment sind. Das sind die Ergebnisse, differenziert nach Herkunftsland und Geschlecht:
Zur Einordnung: Die Erwerbsquote in Österreich geborener Männer im Erwerbsalter liegt bei 81,9 Prozent, jene der Frauen bei 75,9.
Niedrige Werte arbeitender Frauen
Die Grafik zeigt aus meiner Sicht zwei große Auffälligkeiten. Erstens: Die sehr geringe Erwerbsbeteiligung von Ukrainer:innen in Österreich. Das liegt zum Teil daran, dass diese Migrant:innengruppe aufgrund des Kriegs in ihrem Heimatlang erst relativ kurz in Österreich ist – und die Aufenthaltsdauer ist ein starker Faktor dafür, ob jemand hier einen Job findet oder nicht. Andererseits liegt die Vermutung nahe, dass viele Ukrainer:innen nicht dauerhaft hier in Österreich bleiben wollen und daher entweder remote arbeiten und / oder gar keine Erwerbstätigkeit in Österreich anstreben. Diese Entwicklung sollten wir im Auge behalten, je länger der Krieg in der Ukraine noch dauert.
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Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Der andere auffällige Faktor besteht seit Jahren, wir hatten das hier auch schon einmal: Die extrem niedrigen Werte arbeitender Frauen aus Afghanistan (aktuell 29,8 Prozent), den Maghreb-Staaten (43,8 Prozent) und Syrien (24,6 Prozent) sind im Vergleich zu praktisch allen anderen Migrant:innengruppen deutliche Ausreißer nach unten. Das kann ein langfristiges Problem werden – Stichwort Abhängigkeit oder Alterspensionen von Frauen, die nie gearbeitet haben – und ist eine echte Herausforderung für die Integrationspolitik.
Wie holt man Migrant:innen in die Arbeitswelt?
Zu den Faktoren, die eine Erwerbsteilnahme von Migrant:innen begünstigen, enthält die Studie eine lange Tabelle – Ihr findet sie auf Seite 22 des Dokuments, sie ist aber zu komplex, um sie hier einzubauen. Optimistisch kann jedenfalls dieser Wert hier stimmen:
Sprich: Migrant:innen finden relativ rasch eine Beschäftigung in Österreich, von der Ankunft bis zu fünf Jahren Aufenthaltsdauer im Land haben mehr als drei Viertel schon einmal Arbeit gefunden. Das ist innerhalb der einzelnen Herkunftsgruppen unterschiedlich ausgeprägt: Jene, die über das Asylsystem einreisen, wo während des Verfahrens ein Beschäftigungsverbot gilt, finden naturgemäß später Arbeit als jene, die schon als dezidierte Wirtschaftsmigrant:innen ins Land kommen.
Apropos Wirtschaft: Wirklich faszinierend finde ich die folgende Auswertung – abgefragt sind Zustimmungswerte zu der Aussage.
„Es ist demütigend, Geld zu erhalten, ohne dass man dafür arbeiten muss“
Das ist eine Ansicht, die unter den Österreicher:innen, die der Integrationsfonds befragt hat, deutlich weiter verbreitet ist als in allen ausgewerteten Migrant:innen-Gruppen. Das kann man auf unterschiedliche Arten sehen: Einerseits kann man sagen, Österreicher:innen haben sich halt daran gewöhnt, einen leistungsfähigen (und teuren) Sozialstaat hinter sich zu haben. Oder man sieht darin einen Beleg dafür, wie wenig ambitioniert wir hier in Österreich im Vergleich zu unseren Zuwanderer:innen sind.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Die Presse: „Arbeitspflicht“ und verpflichtende Regelkurse für Asylwerber in Bundesbetreuung
Statistik Austria: Bevölkerungswachstum 2023
Integrationsfonds.at: Erwerbsintegration in Österreich