Am 14. April gegen ein Uhr morgens erreichten iranische Raketen und Drohnen den israelischen Luftraum. Nahost-Experte Gershon Baskin lotet im WZ-Gespräch mögliche israelische Antworten auf den beispiellosen Angriff aus.
Der Iran erklärte die Angriffsserie als Vergeltungsaktion für den israelischen Beschuss seines Konsulats in Damaskus vor zwei Wochen. Damals kamen mehrere hochrangige iranische Militärs ums Leben.
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Israel behält sich eine scharfe Reaktion vor. Ob es dazu kommen wird und wie diese aussehen könnte, darüber haben wir mit dem israelischen Aktivisten Gershon Baskin gesprochen.
Warum hat der Iran gerade jetzt Israel angegriffen?
Teheran nahm sich Zeit, um zu entscheiden, was es tun will, und hat den für sie passenden Zeitpunkt gewählt. Der Iran ist ein Land, in dem die Menschen Geduld haben. Sie arbeiten seit mehr als 30 Jahren an ihrem Atomprogramm und haben immer noch keine Bombe.
Als Israel das iranische Konsulat in Damaskus bombardierte, war klar, dass das eine Reaktion des Iran provoziert. Warum entschied Israel sich für diesen Angriff?
Zunächst einmal behaupten die Israelis, dass es sich weder um ein Konsulat noch um eine Botschaft handelt und kein Diplomat getötet wurde. Die Opfer seien Militärs der iranischen Revolutionsgarde. Israel weist also die Behauptung zurück, es handle sich bei dem angegriffenen Gebäude um ein geschütztes Objekt im Sinn des Wiener Übereinkommens.
Weiters denke ich, dass Israel nicht damit gerechnet hat, sieben Militärangehörige zu töten. Sie hatten es auf einen einzigen General abgesehen. Israel hat seit Jahren viel Erfahrung mit der Tötung von Iranern und der Iran hat nie auf diese Weise reagiert wie heute Nacht. Beobachter sagen, es sei für Teheran der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es war einfach zu viel. Dadurch wurde das iranische Regime unter Druck gesetzt, darauf zu reagieren.
Die Reaktion des Westens auf den israelischen Angriff auf das Konsulat war zurückhaltend. Denken Sie, es hätte etwas an der Reaktion des Iran geändert, wenn der Westen Israels Angriff deutlich verurteilt hätte?
Ich bin mir nicht sicher, ob für Teheran die Reaktion des Westens auf israelische Militäraktionen gegen den Iran große Bedeutung hat. Der Westen hat nie negativ reagiert, wenn Israel iranische Wissenschaftler oder Nuklearingenieure getötet hat, egal ob dies innerhalb oder außerhalb des Irans geschah. Israel hat in den letzten Jahren iranische Militärangehörige in Syrien getötet, und der Westen hat nie darauf reagiert.
Ich glaube also nicht, dass es für den Iran wirklich wichtig ist, ob der Westen reagiert oder nicht.
Eine Bombardierung des Iran würde nur zur Eskalation führen.Gershon Baskin
US-Präsident Joe Biden hat Israel von einem Vergeltungsangriff auf den Iran abgeraten und klargemacht, dass es seitens der USA dabei keine Unterstützung erhalten würde. Wie wird Premierminister Benjamin Netanjahu reagieren?
Ich glaube, dass es im israelischen Kriegskabinett viele vernünftige Leute gibt, vor allem im Militär, die sagen, dass Israel jetzt strategisch reagieren muss und nicht aus Rache. Denn bei diesem Angriff wurde niemand getötet und der Schaden war minimal.
Eine Bombardierung des Iran würde nur zur Eskalation führen. Ich glaube daher, dass die Amerikaner und die anderen Verbündeten es mit Israel jetzt sehr ernst meinen. Sie werden Netanjahu klarmachen, dass sie Israel bei der Verteidigung zwar unterstützt haben, aber nicht mit an Bord sind, wenn Israel jetzt aggressiv handelt.
Wie könnte eine strategische Antwort auf den iranischen Beschuss aussehen? Angriffe auf Stellungen des Iran in Syrien?
Möglich. Ich denke aber, das wird Israel sowieso weiterhin tun. Wahrscheinlicher ist, dass Israel versuchen wird, den Iran an seinen empfindlichsten Stellen zu treffen. Ich denke da an die Abschaltung des Stromnetzes oder das Lahmlegen von Tankstellen, wie Israel es bereits einmal getan hat.
Diese Art von Cyberangriffen ist ein wirksames Mittel, um die Botschaft zu vermitteln, dass Israel seinen Verstand und nicht nur seine Militärmacht einsetzt. Die Tatsache, dass Israel heute Nacht in der Lage war, zusammen mit seinen Verbündeten die iranischen Luftschläge abzuwehren, zeigt die militärische Stärke Israels.
Ich bin mir daher nicht sicher, ob Israel militärisch reagieren muss, um seine Entschlossenheit im Kampf gegen den Iran zu demonstrieren. Zumindest denke ich, dass Cyberangriffe die intelligentere Art des Handelns wären.
Das bedeutet, Sie gehen zurzeit nicht von einer weiteren Eskalation aus?
Ich denke, dass Israel sich darauf konzentrieren muss, herauszufinden, wie es den Krieg im Gazastreifen beenden kann und wie es mit der Gefahr, die von der Hisbollah droht, umgeht. Es macht keinen Sinn, jetzt einen Krieg mit dem Iran zu beginnen.
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Infos und Quellen
Genese
Autor Markus Schauta hat Gershon Baskin im November 2023 bei einem Interview in Jerusalem kennengelernt. Er blieb seitdem mit ihm in Kontakt. Das aktuelle Interview mit Baskin führte er über WhatsApp.
Gesprächspartner
Gershon Baskin setzt sich seit Jahrzehnten mit dem Nahostkonflikt und Mechanismen für einen möglichen Frieden auseinander. Außerdem verfügt er über ausgezeichnete Kontakte zum politischen Flügel der Hamas.
Daten und Fakten
Seit der islamischen Revolution 1979, bei der in Teheran islamische Geistliche an die Macht kamen, sind die Beziehungen zwischen dem Iran und Israel feindschaftlich. Im 2011 ausgebrochenen syrischen Krieg stehen sich die beiden Staaten als Kontrahenten gegenüber.
Teheran unterstützt die syrische Regierung und Präsident Bashar al-Assad. Indem er nicht nur finanzielle Unterstützung und Waffen, sondern auch Truppen nach Syrien schickt, konnte der Iran seinen Einfluss in der Region deutlich ausweiten.
Israel hingegen fühlt sich durch die starke Präsenz des Iran im Nachbarstaat bedroht. Seit Jahren fliegt es daher gezielte Luftangriffe gegen iranische Stellungen, Waffenkonvois oder Militärpersonal in Syrien.
Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen: Das 1961 in Wien geschlossene Abkommen regelt den diplomatischen Verkehr einschließlich der Immunität der Diplomaten und der Unverletzlichkeit der diplomatischen Mission.