)
Georg Renner hat sich die Entwicklung der Familienbeihilfe näher angeschaut und wie viel Familien in Zukunft durch die Kürzung der Familienleistung verlieren.
Die Budgetrede von Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) am kommenden Dienstag wirft ihre Schatten voraus: Die schwarz-rot-pinke Koalition kündigt per Salamitaktik stückerlweise an, wen die nötigen Einsparungen in Höhe mehrerer Milliarden dieses und nächstes Jahr treffen werden.
- Für dich interessant: Schwerstkranke Kinder beim Leben begleiten
Ganz vorn mit dabei: Österreichs Familien. Wie „profil“ und „Standard“ in den vergangenen Tagen berichtet haben, wird die Regierung die jährliche Valorisierung der Familienbeihilfe heuer und kommendes Jahr aussetzen. Damit würde die wichtigste finanzielle Familienleistung der Republik durch die Inflation wieder an Wert verlieren – wie das die längste Zeit über der Fall war.
Du bekommst solche Beiträge lieber ins Postfach? Jetzt Newsletter abonnieren!
)
Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Die Familienbeihilfe, finanziert aus dem FLAF, dem vor allem durch Dienstgeberbeiträge finanzierten Familienlastenausgleichsfonds, kommt praktisch allen Kindern in Österreich versicherter Menschen zu – in Form von monatlich überwiesenen Pauschalbeträgen, errechnet nach Alter und Zahl der Kinder einer Familie.
Schauen wir uns das über den Zeitraum seit Einführung des Euros an – so haben sich die in §8 Familienlastenausgleichsgesetz geregelten Beträge für ein Kind von 0-3 Jahren entwickelt:
Wir sehen: Weil es eben auch so etwas wie Inflation gibt, unser Geld also jedes Jahr ein bisschen weniger wert wird, ist die Familienbeihilfe über diese beiden Jahrzehnte deutlich weniger wert geworden. 105 Euro von Anfang des Jahrtausends würden heute etwa 190 Euro entsprechen – die Beihilfe liegt, trotz punktueller Erhöhungen (und hier nicht abgebildeten Einmalzahlungen wie während der Covid-Krise) aber nur bei 138,4 Euro.
Inflationssicherung
Erst seit 2023, eingeführt von der türkis-grünen Bundesregierung, gibt es eine jährliche Inflationssicherung – in § 16 FLAG heißt es:
Mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals mit 1. Jänner 2023, sind die Beträge an Familienbeihilfe gemäß § 8 (…) mit dem Anpassungsfaktor des § 108f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (…), zu vervielfachen.
Immerhin sollte die Beihilfe damit vom Wert 2022 aus wertgesichert sein. Und damit dürfte es jetzt schon wieder vorbei sein, zumindest nach besagten (vorerst noch unbestätigten) Berichten. Es geht da um ganz schön viel Geld:
Ich habe hier die Jahre 2020 und 2022 weggelassen, als wegen Covid und Inflation die FBH einmalig deutlich erhöht worden ist – so sieht man den Verlauf besser.
Es geht also um fast vier Milliarden Euro im Jahr. Die kommen zwar aus dem Familienlastenausgleichsfonds, der sich großteils aus den Dienstgeberbeiträgen – Teil der berüchtigten Lohnnebenkosten – und automatischen Anteilen an der Einkommen- und Körperschaftsteuer speist, das Budget also eigentlich nicht belasten sollten.
Das funktioniert aber nur bedingt, wie diese Grafik aus einer Wifo-Studie 2022 zeigt:
Richtig: Langfristig übersteigen die Ausgaben des Fonds seine Einnahmen deutlich – und seine Reserven schmelzen ebenfalls dahin, womit erst wieder der Finanzminister zum Handkuss kommt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Regierungen der vergangenen Jahrzehnte dem Fonds immer mehr Aufgaben umgehängt haben, seine Finanzierung aber im Wesentlichen gleich gelassen haben – zum Beispiel das Kinderbetreuungsgeld, die Schüler:innenfreifahrt oder der Ersatz für mit Kinderbetreuung verbrachte Pensionszeiten. Details dazu in der besagten Wifo-Studie.
Aussetzen der Inflationsanpassung
Wenn die Valorisierung der Beihilfe jetzt nach nur drei Jahren wieder ausgesetzt werden sollte, heißt das, dass Familien deutlich Geld verlieren – das Momentum-Institut hat das so beziffert, die genauen Zahlen hängen natürlich von den tatsächlichen Inflationsraten der kommenden Jahre ab:
Ganz neu ist die Idee einer Kürzung der Familienbeihilfe – nichts anderes ist ein Aussetzen der Inflationsanpassung letztlich – übrigens nicht: Der ehemalige Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl hat in einem Interview mit mir vor zwei Jahren angemerkt, auf Dauer werde es sich nicht ausgehen, dass die Republik sowohl eine immer weiter steigende Familienbeihilfe auszahlt als auch immer mehr in die Kinderbetreuung investiert.
Tendenziell ist Österreich im Gleichgewicht zwischen Geld- und Sachleistungen für Familien immer noch sehr stark auf der Seite der finanziellen Unterstützung unterwegs, wie der Vergleich mit den anderen westlichen Industriestaaten zeigt:
Wir sehen: Österreich liegt bei den Sachleistungen deutlich unter dem OECD-Schnitt, bei den Geldleistungen deutlich darüber. Gut möglich, dass sich das mit dem laufenden Ausbau der Kinderbetreuung auf der einen Seite demnächst ändert – und auf der anderen, indem die Geldleistungen ab dem kommenden Jahr entwertet werden.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen, dir ist ein Fehler aufgefallen oder du hast Hinweise für uns - sag uns deine Meinung unter feedback@wienerzeitung.at. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Der Standard: Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe werden zwei Jahre nicht an Inflation angepasst
WIFO: Familienleistungen der öffentlichen Hand in Österreich
Momentum Institut: Familienleistungen: Einsparungen kosten Familien hunderte Euro
Kleine Zeitung: Geld für Familien und Gratis-Betreuung: "Man müsste sagen, beides geht nicht"