Junge FPÖ-Wähler:innen erzählen der WZ, warum sie den Parteichef mögen, die Blauen wählen und warum der Kampf gegen den Klimawandel aus ihrer Sicht sinnlos ist.
Graz, Messegelände: Es ist ein sonniger Tag, an dem die FPÖ ihren bundesweiten Wahlkampf mit einer Großveranstaltung einläutet. Es gibt Info-Stände, Bier und Würstel und es sind durchwegs ältere Semester, die hier eintrudeln. Ein Mann in Lederhose hat allerdings zwei weibliche Teenager im Schlepptau, die er nicht aus den Augen lässt: „Ihr kommts mit“, sagt er gebieterisch und schreitet voran. Journalisten-Fragen? Nein, danke.
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Andere geben durchaus Auskunft: Drei jüngere Burschen stehen vor dem Eingang zur Messe, alle drei in FPÖ-T-Shirts mit dem Aufdruck „Heimat“. Sie gehören einer blauen Ortsgruppe an, verraten sie, und haben eine Stunde Fahrt auf sich genommen, um hier zu sein. Was gefällt ihnen an der FPÖ, was an Herbert Kickl? „Seine Ehrlichkeit“, sagt einer. „Er sagt frei heraus, was ist.“
Unweit blicken zwei Schüler suchend umher. Es ist das erste Mal, dass sie bei einer derartigen Veranstaltung seien, sagt der Jüngere, 15 Jahre alt. Was dem Älteren, 16, der am 29. September schon wählen darf, an der FPÖ gefällt? „Dass sich die Partei um Sicherheit kümmert.“ Vor allem in Wien sei das ein Thema. Gut finden beide, dass die FPÖ jetzt versprochen habe, Steuern auf Einkommen zu senken. Dann würde mehr im Börsel bleiben – das ist für den Älteren besonders interessant, weil er diesen Sommer zum ersten Mal in den Ferien gearbeitet hat, wie er erzählt.
„Er hat recht“
Alles wartet auf Kickl, doch zunächst ergreift Peter Westentaler, Stiftungsrat im ORF, das Wort. Er spricht von einer „Aufbruchstimmung“, die das ganze Land erfasst habe. „Jetzt geben wir die Macht in eure Hände“, nachdem man sie „den Einheitsparteien“ zuvor entrissen habe, sagt er. Höflicher Applaus. Die Menschen versorgen sich mit Getränken und hören dann dem steirischen FP-Chef Mario Kunasek zu. Doch alles fiebert der Hauptperson des Nachmittags, „dem Herbert“, entgegen.
Der blaue Parteichef betritt unter martialischen Musikklängen die Bühne. Die Vertreter:innen der „Einheitsparteien“ hätten es nicht gut gemeint mit dem Volk, sagt er, jetzt werde man ihnen die Rechnung für all die Demütigungen der letzten Jahre ausstellen. Jubel, in den sich immer öfter „Herbert, Herbert“-Rufe mischen. Die Stimmung ist mittlerweile bierselig. „Er hat recht“, schreit eine Dame, während sie versucht, ihre Zigarette auszutreten.
Vater aus Nigeria
Am Rand der Menge steht eine junge Frau, 17 Jahre alt, die irgendwie nicht ganz ins Bild passt. Sie ist gemeinsam mit einer Freundin da und findet es „nicht gut, dass so viele Ausländer ins Land kommen“. Die EU-Grenzen seien zu durchlässig, sagt sie. Ob sie hier in Österreich geboren ist? Nein, ihre Familie komme aus Lettland, ihr Vater aber sei aus Nigeria. Das Gebrüll der Menge, die Kickl immer lauter zujubelt, stört die beiden Frauen jetzt: „Zu laut“, sie wenden sich dem Ausgang zu. Sie arbeite schon, wolle sich demnächst aber bei der Polizei bewerben, sagt die Teenagerin mit den nigerianischen Vorfahren und verabschiedet sich von der Veranstaltung.
Ein 17-jähriger bebrillter und großgewachsener Lehrling lehnt mit einem großen Plastikbecher in der Hand an einer Holzwand in der Nähe des Eingangs. Kickl habe „schon gute Punkte“, findet er, vor allem wenn es darum gehe, straffällig gewordene Ausländer:innen abzuschieben. Kriminelle Asylwerber:innen wolle er jedenfalls nicht mit seinen Steuern finanzieren. Dass es die Mindestsicherung nach FP-Willen demnächst nur noch für Österreicher:innen geben sollte, findet er aber kritikwürdig. „Wovon sollen die Asylwerber leben, die erst am Anfang stehen, die sich erst orientieren und einen Job finden müssen?“, fragt er.
Ich habe nicht vor, lange zu leben.Klimawandel ist für den 17-Jährigen kein prioritäres Problem.
Wen er am 29. September wählen wird, lässt er offen. Nur so viel: die Grünen nicht und die SPÖ auch nicht. Ihm fällt auf, dass sich die ÖVP zuletzt massiv „nach rechts“ bewegt hat. Das findet er „witzig“. Was er nicht lustig findet, ist der Umstand, dass man „nirgendwo“ sagen dürfe, „stolz auf die Nation Österreich“ zu sein. Dann stehe man gleich im Verdacht, „ein Rechtsextremer oder ein Nazi“ zu sein.
„Konzerne sind am Zug“
Ihn ärgert auch, dass manche Altersgenoss:innen, die aus Österreich kämen, stolz auf ihr Kurde- oder Türke-Sein wären. „Die sind da geboren, die sollen froh sein, dass sie Österreicher sind“, meint er. Mit der Impfskepsis der FPÖ könne er als dreimal Immunisierter nicht viel anfangen. Die Partei sei trotzdem „ganz gut“, aber der Kickl, der sei „nicht unbedingt der Beste“.
Der Klimawandel ist für ihn jedenfalls nur bedingt ein Problem, so der Lehrling, Angst vor der Zukunft hat er nicht, denn: „Ich habe nicht vor, lange zu leben.“ Außerdem: Österreich könne an der Erderwärmung ohnehin nur wenig ändern, dafür „sind wir zu unwichtig“. Die großen Konzerne und die großen Länder wie Deutschland und Frankreich, die müssten in erster Linie etwas unternehmen.
Weiter kommt er mit seinen Ausführungen nicht, denn eine rothaarige junge Frau tritt heran. Sie packt den, der nicht lange leben will, am Ärmel und zieht ihn ins Freie − während Kickl unter lautem Applaus seine vorerst letzten Worte spricht.
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Infos und Quellen
Genese
Die FPÖ führt vor den Wahlen am 29. September stabil alle Umfragen an. Grund genug für WZ-Redakteur Michael Schmölzer, zum Wahlkampfauftakt nach Graz zu fahren und dort junge Leute zu fragen, was für sie das Besondere am blauen Parteichef Herbert Kickl und seiner Partei ist.
Gesprächspartner:innen
Die meisten in der Grazer Messe befragten jungen Menschen wollten auf die gestellten Fragen „gar nichts“ sagen. Immerhin acht haben sich dann doch dazu bereit erklärt.
Daten und Fakten
Aktuelle Umfragen: Laut Wahltrend der APA liegt die FPÖ mit 27,4 Prozent klar vor der ÖVP mit 24,2 und der SPÖ mit 20,5 Prozent. Damit ist der Abstand zwischen ÖVP und FPÖ im Wahlkampf erstmals kleiner als jener zwischen SPÖ und ÖVP. Die Neos liegen bei 9,5 Prozent, die Grünen erreichen 8,2. Nach wie vor auf Kurs Richtung Nationalrat befindet sich die Bierpartei, die sich mit 4,9 Prozent unverändert über der für den Einzug nötigen Vier-Prozent-Marke hält.
Herbert Kickl ist seit dem 19. Juni 2021 Bundesparteiobmann der FPÖ. Von 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 war er Bundesminister für Inneres.
Voraussichtlich am 24. November 2024 finden Landtagswahlen in der Steiermark statt. Laut Umfragen führt auch hier die FPÖ mit 29 Prozent vor der ÖVP und SPÖ, die beide bei einem Wert von rund 20 Prozent liegen.
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